Autismus-Spektrum-StörungWeshalb der Begriff «Asperger» in Verruf geraten ist
Im Zusammenhang mit den Auftritten von Elon Musk wird oft darauf hingewiesen, dass er mit dem «Asperger-Syndrom» lebt. Allerdings ist der Begriff für diese Form von Autismus nicht unproblematisch.
Darum gehts
Der Begriff «Asperger-Syndrom» wird spätestens seit 2022 nicht mehr als eigenständige Diagnose verwendet.
Heute wird das Syndrom als Teil der Autismus-Spektrum-Störung betrachtet.
Hans Asperger, nach dem das Syndrom benannt ist, war in die Verbrechen der Nazis involviert, weshalb viele den Begriff ablehnen.
In Europa wird die Diagnosebezeichnung «Asperger» nach wie vor verwendet.
Was verbirgt sich hinter der Diagnose?
Mit «Asperger-Syndrom» wird eine Variante des Autismus beschrieben, mit der neben Elon Musk schätzungsweise 0,9 Prozent der Bevölkerung leben – genaue Zahlen für die Schweiz gibt es nicht. Das Syndrom äussert sich einerseits durch Schwächen in der sozialen Interaktion und Kommunikation und andererseits durch stereotypes Verhalten mit ausgeprägten Interessen. Betroffene haben Schwierigkeiten, sich in andere hineinzuversetzen. Es gilt wie alle Autismus-Spektrum-Störungen als angeboren und nicht heilbar.
Wieso ist der Begriff «Asperger-Syndrom» problematisch?
Der Begriff ist aus zwei Gründen problematisch, beziehungsweise überholt. Zum einen gibt es die Diagnose «Asperger-Syndrom» offiziell nicht mehr, denn spätestens seit 2022 wird nicht mehr zwischen den verschiedenen Autismus-Subtypen unterschieden. Heute werden alle Erscheinungsformen des Autismus zur Autismus-Spektrum-Störung zusammengefasst. Der Grund dafür ist die Erkenntnis, dass eine klare Abgrenzung der zuvor unterschiedenen Subtypen nicht möglich ist.
Der Begriff «Asperger» ist aber noch aus einem weiteren Grund problematisch. Das hat mit Hans Asperger (1906–1980) zu tun, nach dem das Syndrom benannt war. Asperger war ein Kinderarzt in Wien, der im Rahmen seiner Autismus-Forschung aktiv die systematischen Morde der Nazis an behinderten Kindern unterstützt hat. Er beurteilte behinderte Kinder nach ihrer «Bildungsfähigkeit». Vereinfacht gesagt, stufte er Kinder mit dem «Asperger-Syndrom», die er als «autistischen Psychopathen» bezeichnete, als «brauchbar» ein. 35 von 200 untersuchten Kindern stufte er dagegen als «aussichtslos» ein, was deren Todesurteil bedeutete. Laut einer 2018 erschienenen Studie soll Asperger mehrere schwer behinderte Kinder an die Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund in Wien übergeben haben, in der etwa 800 Kinder ermordet wurden.
Welchen Begriff sollte man stattdessen benutzen?
Einen Begriff, der «Asperger» eins zu eins ersetzen kann, gibt es nicht. Das hat damit zu tun, dass «Asperger» wie erwähnt heute keine eigenständige Diagnose mehr ist, sondern diagnostisch zur «Autismus-Spektrum-Störung» gehört. In Europa wird die Diagnosebezeichnung «Asperger» aber nach wie vor verwendet, so etwa von Autismus Schweiz, laut eigenen Angaben die grösste Non-Profit-Organisation zum Thema Autismus in der Schweiz.
Tom Harrendorf, der Gründer von autismusspektrum.info und nach eigenen Angaben «diagnostizierter Asperger-Autist», warnt davor, den Begriff zu verteufeln. Zwar wünscht auch er sich, dass der Begriff in Zukunft weniger verwendet wird. In einem Beitrag rät er aber, dass von einer reflexartigen Verurteilung des Asperger-Begriffs abgesehen werden sollte. «Schon gar nicht sollten Hilfesuchende, zum Beispiel in den sozialen Medien, für die Verwendung des Begriffs beschimpft oder verunsichert werden.»
Lebst du oder lebt jemand, den du kennst, mit Autismus?
Hier findest du Hilfe:
Autismus Schweiz, Verein für Angehörige, Betroffene und Fachleute
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
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