Autismus: Frauen und Autismus-Spektrum-Störungen

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Autismus bei FrauenAls Masha (22) die Diagnose erhalten hat, wurde vieles einfacher

Rund ein Prozent der Bevölkerung ist von einer Entwicklungsstörung aus dem Autismus-Spektrum betroffen. Bei Frauen ist die Diagnose schwieriger und für Betroffene belastend.

Die 22-jährige Masha hat Autismus. Sie hat die Diagnose erst kürzlich erhalten.
Die Glarnerin wird mit Vorurteilen konfrontiert wie: «Du und Autismus, das kann doch nicht sein! Du bist ja gar kein hochbegabter Junge.»
Laut dem Psychiater Andreas Riedel gibt es eine Dunkelziffer von Mädchen und Frauen, die mit einem autistischen Syndrom leben.
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Die 22-jährige Masha hat Autismus. Sie hat die Diagnose erst kürzlich erhalten.

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Darum gehts

  • In der Schweiz werden jedes Jahr bis zu 1000 Kinder mit einer autistischen Störung geboren.

  • Lange war Autismus laut Experten eine reine «Männersache». Heute weiss man aber: Es gibt auch  Frauen, die eine Autismus-Spektrum-Störung haben.

  • Eine junge Frau aus Glarus erzählt uns, wie es ist, mit Autismus zu leben.

Jährlich kommen in der Schweiz 800 bis 1000 Kinder mit einer autistischen Störung zur Welt. Laut Autismus Schweiz gab es lange mehrere Diagnosen, wie zum Beispiel das Asperger-Syndrom. Heute spricht man jedoch von einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS).

Wer an Autismus denkt, hat rasch Bilder von Wolfgang Amadeus Mozart oder Albert Einstein im Kopf. Es sind aber nicht nur hochbegabte Männer, die mit einer autistischen Störung durchs Leben gehen. Das Verhältnis lag laut einem Bericht von Caritas lange bei sechs zu eins. In den letzten Jahren hat sich dies aber geändert.

Weil sich die Autismus-Spektrum-Störung bei Frauen anders bemerkbar macht, blieben viele Fälle unentdeckt. Auf Tiktok trenden Videos von Frauen, die über ihre Autismus-Störung sprechen. Sie erzählen von Situationen, in denen sich der Autismus bemerkbar macht. Dafür bekommen sie von Userinnen und Usern viel Zuspruch. 

«Lange haben viele gedacht, ich sei faul oder schüchtern»

Die 22-jährige Masha aus Glarus hat erst kürzlich erfahren, dass sie ASS hat. Die Diagnose hat ihr Psychologe gestellt. «Es war eine grosse Erleichterung für mich. Lange haben viele gedacht, ich sei faul oder schüchtern», sagt Masha. Sie ist froh, weiss sie nun, wieso sie so ist, wie sie ist. Die 22-Jährige ist eine von vielen Frauen, die erst im Erwachsenenalter erfahren, dass sie eine autistische Störung haben. 

In ihrem Umfeld kämpft Masha mit Vorurteilen wie: «Du und Autismus, das kann doch nicht sein! Du bist ja gar nicht hochbegabt und man sieht es dir nicht an.» Solche Aussagen verletzen die junge Frau und sie fühlt sich dadurch nicht ernst genommen. «Viele haben einfach das Bild eines hochbegabten Jungen im Kopf», erzählt die angehende Verkäuferin weiter.

Für Masha ist es die Kommunikation, die ihr zu schaffen macht: «Ich brauche einen Moment, um zu antworten, weil ich zuerst die Wörter in  meinem Kopf zusammenpuzzeln muss», so Masha. Auch der Augenkontakt fällt ihr schwer. 

«Traditionell ist Autismus immer noch Männersache»

Einer, der sich mit Autismus auskennt, ist der Luzerner Psychiater Andreas Riedel. Gerade bei Frauen sei es schwieriger, eine klare Diagnose zu machen. «Traditionell ist Autismus immer noch Männersache», so der leitende Arzt. Laut ihm ist dies aber nicht nur wegen der fehlenden Forschung bei Frauen. 

«Bei Frauen muss ich eher herausfinden, wie ihr «Betriebssytem» funktioniert und wie das Verhalten entsteht, etwa ob ihr Verhalten eher intuitiv zustande kommt oder kognitiv, an Algorithmen orientiert, gesteuert ist. Bei den Männern ist es oft eher das Verhalten selbst, welches ich beobachten muss.»  Dies sind laut dem Experten Unterschiede, welche man beim Stellen der Diagnose beachten muss.

«Autistische Mädchen sind unauffälliger»

«Autistische Mädchen sind als Kind unauffälliger, da sie sich meist besser anpassen können», sagt Riedel. Autistische Frauen können demnach Dinge wie Smaltalk und Augenkontakt erlernen und fallen deshalb weniger auf.  Wieso das so ist, sei schwierig zu erklären. Dieses Verhalten könne aber mit der Zeit anstrengend werden und mit der Zeit entwickeln manche dieser Frauen eine Erschöpfungsdepression, so Riedel. 

Laut ihm gibt es in der Schweiz eine Dunkelziffer von Frauen, die mit Autismus leben: «Ich schätze, heute ist es auf zwei bis drei Buben ein Mädchen, denn in der Diagnostik im Erwachsenenalter ist es auf zwei Männer eine Frau», so Riedel.

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