Bern: «Es war nur ein Scherz»: Jetzt sprechen die Umzingel-Schüler

Publiziert

Bern-Bethlehem«Es war nur ein Scherz»: Jetzt sprechen die Allahu-Akbar-Schüler

Sie hätten es nicht so gemeint, sagen Schüler, nachdem sie auf dem Pausenplatz eine Lehrerin umzingelt hatten. Eine Expertin schätzt die Dynamik des Vorfalls ein.

Der Vorfall ereignete sich an der Schule Bethlehemacker in Bern. «Solche Gruppendynamiken sind typisch», sagt Soziologin Katja Rost.
«Es war nur ein Scherz», sagt einer der Schüler. «Es hat sich halt so ein Kreis gebildet und manche haben gebetet, halt ein traditionelles Ritual, und wir haben zusammen ‹Allahu Akbar› gesagt.»
«Im Moment wird oft ein Kontext völlig anders eingeschätzt», sagt Rost. «Natürlich war es für die Schüler nicht schlimm, denn für sie war die Situation ja anders als für die Person, die ausserhalb der Gruppe war. Vielen geht erst danach das Licht auf.»
1 / 3

Der Vorfall ereignete sich an der Schule Bethlehemacker in Bern. «Solche Gruppendynamiken sind typisch», sagt Soziologin Katja Rost.

20min/ct

Darum gehts

  • Schüler der Primarschule Bethlehemacker in Bern umzingelten und bedrohten eine Lehrperson.

  • Dafür entschuldigten sie sich.

  • Im Nachhinein sagen einige von ihnen, es sei für sie ein Scherz gewesen, sie hätten das nicht so gemeint.

  • Katja Rost, Soziologie-Professorin an der Universität Zürich, schätzt für 20 Minuten die Gruppendynamik ein.

Die Schüler hätten sich entschuldigt, heisst es vonseiten der Schulleitung, nachdem sie vergangene Woche an einer Primarschule in Bern-Bethlehem eine Lehrerin umzingelt, demonstrativ gebetet und in ihre Richtung religiöse Sprüche («Allahu Akbar») gemacht hatten.

20 Minuten sprach mit einigen Beteiligten des Vorfalls. «Es war nur ein Scherz», sagt einer der Schüler. «Es hat sich halt so ein Kreis gebildet und manche haben gebetet, halt ein traditionelles Ritual, und wir haben zusammen ‹Allahu Akbar› gesagt.»

Er habe bei den Gebeten nicht mitgemacht, denn er kenne nicht alle auswendig. «Wie es überhaupt dazu kam, wer die Idee hatte und mit welchem Ziel, weiss ich auch nicht, ich bin eigentlich nur mitgelaufen», so der Primarschüler. «Ich bin schon Muslim, aber jetzt auch nicht so strenggläubig. Zu Hause gab es einen riesengrossen Zusammenschiss. Aber eigentlich haben wir es nur für Spass gehalten, keiner hatte böse Absichten.»

«Ich hatte keine Freude zu hören, dass mein Sohn dabei war»

«Wir wurden von der Schule informiert und ich hatte gar keine Freude zu hören, dass mein Sohn dabei war», sagt seine Mutter. «Ich habe mit ihm geschimpft.» Weitere Strafen habe sie aber nicht verhängt. Dass die Kinder jedoch nur «Allahu Akbar» gesagt haben, findet sie weniger schlimm. «Es bedeutet ja nur, ‹Gott ist am grössten›», so die Mutter. 

Der Bruder des Primarschülers fügt an: «Wenn das in eurer Kultur als Bedrohung verstanden wird, können wir ja nichts dafür. Wir kennen diese Auffassung ja nicht. Für uns ist das ein normaler Ausruf.»

Auch ein anderer Schüler will nur dabei gewesen sein: «Einer im Kreis hat angefangen zu beten und ein paar andere haben mit eingestimmt, weil sie es auswendig kannten. Ich aber nicht», sagt er. Auch er hat sich zu Hause etwas anhören müssen: «Meine Eltern haben mit mir geschimpft, sie waren sehr schockiert, dass ich mit in der Runde stand. Aber eine Strafe habe ich nicht erhalten. Wir hatten das nur als Spass gemeint und ich habe mich in der Schule schon entschuldigt.»

Das sagt Soziologie-Professorin Katja Rost

20 Minuten sprach mit Soziologie-Professorin Katja Rost von der Uni Zürich über die Dynamik und die Aussagen der Schüler.

20 Minuten: Was für eine Dynamik ist das auf einem Pausenplatz, wenn es zu solchen Szenen kommt?
Rost: Solche Gruppendynamiken sind typisch. In der Situation, in der man zu so einer Gruppe gehört, bewertet man Sachen anders, als wenn man danach dafür kritisiert wird und darüber nachreflektieren kann. Im Moment wird oft ein Kontext völlig anders eingeschätzt. Natürlich war es für die Schüler nicht schlimm, denn für sie war die Situation ja anders als für die Person, die ausserhalb der Gruppe war. Vielen geht erst danach das Licht auf. 

Ist das typisch für sogenannte «Migrantenquartiere» wie Bern-Bethlehem?
Nein, Gruppendynamiken gibt es überall. Aber die Situationen können sich stark unterscheiden.

Wie sollte aus Ihrer Sicht die Aufarbeitung passieren?
Wichtig ist, dass das besprochen wird. Wie kann so etwas entstehen? Wo liegt der Unterschied zwischen der Situation, in der sie sich falsch verhalten haben und wie es nachher war? Im besten Fall lernen sie daraus, dass sie Empathie in solchen Situationen haben können. Das ist nicht einfach, nicht einmal für Erwachsene. Sanktionen sind sicher wichtig, aber auch, dass man gemeinsam daraus lernt. Dafür braucht es nicht nur Tadel, sondern, dass man gemeinsam an einem Strang zieht und vorwärts schaut.

Etwas gesehen, etwas gehört?

Schick uns deinen News-Input!

Speichere unseren Kontakt im Messenger deiner Wahl und sende spannende Videos, Fotos und Dokumente schnell und unkompliziert an die 20-Minuten-Redaktion.

Handelt es sich um einen Unfall oder ein anderes Unglück, dann alarmiere bitte zuerst die Rettungskräfte.

Die Verwendung deiner Beiträge durch 20 Minuten ist in unseren AGB geregelt: 20min.ch/agb

Aktivier jetzt den Bern-Push!

Nur mit dem Bern-Push von 20 Minuten bekommst du die aktuellsten News aus der Region Bern, Freiburg, Solothurn und Wallis blitzschnell auf dein Handy geliefert.

Und so gehts: In der 20-Minuten-App tippst du rechts oben auf «Cockpit». Dort auf «Mitteilungen» und dann «Weiter». Dann markierst du bei den Regionen «Bern», tippst noch einmal «Weiter» und dann «Bestätigen». Voilà!

Wir sind auch auf Instagram. Folg uns für Posts, Storys und Gewinnspiele aus der Region – und schick uns deine Bilder und Inputs: 20 Minuten Region Bern.

Folgst du 20 Minuten schon auf Whatsapp?

Bleib informiert und abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten: Dann bekommst du morgens und abends ein Update mit unseren bewegendsten Geschichten direkt auf dein Handy – handverlesen, informativ und inspirierend. 

Deine Meinung zählt