Sind Motivationsschreiben überhaupt noch zeitgemäss?

Aktualisiert

Jugend sträubt sichSind Motivationsschreiben überhaupt noch zeitgemäss?

Jugendliche lassen Motivationsschreiben bei Bewerbungen oft weg. Viele Recruiter verlangen sie trotzdem.

Ein Motivationsschreiben zu verfassen, ist für viele Bewerberinnen und Bewerber eine Qual.
Auf Tiktok nerven sich viele darüber, zum Beispiel Anka, die Motivationsschreiben total unnötig findet.
Motivationsschreiben seien nicht mehr zeitgemäss, sagt auch die Recruiterin und Linkedin-Trainerin Sonja Berger.
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Ein Motivationsschreiben zu verfassen, ist für viele Bewerberinnen und Bewerber eine Qual.

Getty Images/iStockphoto

Motivationsschreiben: Darum gehts

  • Motivationsschreiben seien nutzlos, sagen viele Jugendliche.

  • Für Firmen sind sie laut einer Linkedin-Trainerin sogar kontraproduktiv.

  • «Ich würde sie wohl auch mit ChatGPT generieren», sagt die Expertin. 

  • Wird ein Schreiben verlangt, sollte man es trotzdem nicht einfach weglassen.

«Ich will den Job, weil ich Geld brauche», erzählt die Tiktokerin Anka in einem Video. Das sei ihre Hauptmotivation, um eine Stelle zu suchen. Warum immer noch so viele Firmen Motivationsschreiben verlangen, die sowieso niemand lese, versteht sie nicht. Ihr Lebenslauf sollte doch genug über sie als Person aussagen, sagt Anka.

«Ich kann verstehen, dass viele ChatGPT nutzen»

So stellt sich die Frage, ob Motivationsschreiben noch zeitgemäss sind. Nein, sagt die Linkedin-Trainerin Sonja Berger. Sie seien kontraproduktiv und erhöhten bloss die Hürde, um sich zu bewerben. Dabei sollte der Bewerbungsprozess möglichst effizient ablaufen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. «Ich kann verstehen, dass die Jungen ihre Motivationsschreiben nun mithilfe von ChatGPT generieren – ich würde das wohl auch so machen», sagt Berger.

Motivationsschreiben seien nicht mehr zeitgemäss, sagt die Recruiterin und Linkedin-Trainerin Sonja Berger.

Motivationsschreiben seien nicht mehr zeitgemäss, sagt die Recruiterin und Linkedin-Trainerin Sonja Berger.

Selina Fischer Photography

«Ich kann verstehen, dass die Jungen ihre Motivationsschreiben nun mithilfe von ChatGPT generieren – ich würde das wohl auch so machen.»

Sonja Berger, Linkedin-Trainerin und Expertin für HR und Recruiting

«Ein Motivationsschreiben war noch nie notwendig»

Désirée Suter, die Gründerin des Recruitingdienstleisters Talentfinderforyou, sieht das ähnlich: «Ein Motivationsschreiben kann man heute mit KI in Nullkommanichts erstellen, da sehen wir kein bisschen mehr, wie individuell es ist.» Sie sei 2012 in die Personalvermittlung eingestiegen und habe seither unzählige Menschen rekrutiert und zahlreiche in neue Positionen gebracht – «ein Motivationsschreiben zu verlangen oder intensiv zu prüfen, war dafür aber noch nie notwendig».

Ein Motivationsschreiben könne man heute mit einer KI in Nullkommanichts erstellen, sagt Désirée Suter, die Gründerin des Recruitingdienstleisters Talentfinderforyou.

Ein Motivationsschreiben könne man heute mit einer KI in Nullkommanichts erstellen, sagt Désirée Suter, die Gründerin des Recruitingdienstleisters Talentfinderforyou.

Sarah Ley

«Ein Motivationsschreiben zu verlangen oder intensiv zu prüfen, war noch nie notwendig.»

Désirée Suter, Gründerin des Recruitingdienstleisters Talentfinderforyou

Die Recruiter müssen umstellen

Recruiter und Recruiterinnen sehen das oft anders: Ein Motivationsschreiben sage viel über die Bewerberinnen und Bewerber aus und zeige, ob sie sich mit der Firma beschäftigt haben und den Job wirklich wollen. Die beiden HR-Expertinnen zweifeln allerdings daran, dass Motivationsschreiben diese Funktion noch erfüllen. «Die Recruiter sollten sich der neuen Realität anpassen und ihre Bewerbungsverfahren entsprechend umstellen», sagt Berger.

Hast du schon mal ein Motivationsschreiben mit einer KI erstellt?

Es geht auch anders

Die neue Generation bringe technisches Know-how und eine schnelle Auffassungsgabe mit, sagt Suter, nun müssten die Recruiter und Recruiterinnen ihre Kommunikation und Herangehensweise anpassen: «Einfachheit und Geschwindigkeit sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendig.» Sie empfiehlt, auch mal das Smartphone zur Hand zu nehmen und per Anruf oder Messenger direkt ins Gespräch zu kommen. Auch den Bewerberinnen und Bewerbern empfiehlt sie, anzurufen und Fragen zum Job telefonisch zu stellen. «Dieser direkte Austausch kann entscheidend sein, um sich von der Masse abzuheben und wahre Individualität zu zeigen», sagt Suter.

Video-Bewerbung statt Lebenslauf?

Einige Jugendliche wollen auch keine Lebensläufe mehr einreichen, weil ihre Daten sowieso auf den Social-Profilen sind. «Die HR-Verantwortlichen haben bei Bewerbungen aber gerne alles auf dem Tisch», sagt Berger. Sie googelten die Bewerberinnen und Bewerbern meist nur, wenn diese sowieso schon in der engeren Auswahl sind. Der Lebenslauf sei für die Recruiterinnen und Recruiter nach wie vor wichtig, sagt auch Suter. Oft lohne sich auch eine Bewerbung per Video: «Das bietet den Bewerberinnen und Bewerbern die Möglichkeit, sich authentisch darzustellen und zu überzeugen.» Sie glaubt fest daran, dass sich das Videoformat durchsetzen wird – «auch wenn es in der Schweiz möglicherweise etwas länger dauern könnte».

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