Label-Dschungel : Bio, Freiland, Naturaplan – wie geht es den Hennen bei diesen Labels?  

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Label-DschungelBio, Freiland, Naturaplan – wie geht es den Hennen bei diesen Labels?

Aufnahmen der Tierrechtsorganisation TIF zeigen prekäre Zustände in Schweizer Hühnerbetrieben. Diverse Labels sollten solche Missstände verhindern – die Qualität schwanke aber stark, kritisieren Tierschutzorganisationen. 

In der Schweiz gelten strenge Regeln und Massnahmen bei der Haltung von Nutztieren. So gibt es diverse Labels und Standards, die eine artgerechte Haltung, Zucht und Verarbeitung der Tiere gewährleisten sollen. Klicke dich durch die Bildstrecke, um die Versprechen der einzelnen Labels zu lesen. 
«Naturaplan»-Eier müssen von Hühnern aus besonders tierfreundlicher Haltung stammen. Den Hühnern muss regelmässig Freigang gewährt werden. Es darf kein gentechnisch verändertes oder mit chemischen Zusätzen versehenes Futter verabreicht werden. Das Futter sollte aus kontrolliert biologischem Anbau stammen. Eine zusätzliche Haltung von Hähnen wird empfohlen.
Eier, die unter dem «Naturafarm»-Label verkauft werden, müssen von Hühnern aus Schweizer Aufzucht stammen. Sie benötigen regelmässigen Freigang in besonders tierfreundlicher Haltung. Es darf kein gentechnisch verändertes Futter verabreicht werden.
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In der Schweiz gelten strenge Regeln und Massnahmen bei der Haltung von Nutztieren. So gibt es diverse Labels und Standards, die eine artgerechte Haltung, Zucht und Verarbeitung der Tiere gewährleisten sollen. Klicke dich durch die Bildstrecke, um die Versprechen der einzelnen Labels zu lesen. 

Urs Jaudas

Darum gehts

Die Tierrechtsorganisation Tier im Fokus (TIF) veröffentlichte am Ostersonntag schockierende Aufnahmen, die Missstände in Schweizer Hühnerbetrieben zeigen sollen. Die beiden Tierhalter aus den Kantonen Freiburg und Aargau wurden inzwischen wegen mehrfacher Tierquälerei angezeigt.

In der Schweiz gelten strenge Regeln und Massnahmen bei der Haltung von Nutztieren. So gibt es diverse Labels und Standards, die eine artgerechte Haltung, Zucht und Verarbeitung der Tiere gewährleisten sollen (siehe Bildstrecke oben). Doch halten die Labels, was sie versprechen, und worauf müssen Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf von Poulet und Ei achten?

«Ob man von artgerechter Haltung sprechen kann, ist fraglich»

«Massentierhaltung ist nie artgerecht», sagt Esther Geisser, Präsidentin und Gründerin der Schweizer Tierschutzorganisation Network for Animal Protection (NetAP). «Die nationalen Tierschutzgesetze legen lediglich Grenzen fest, ab wann eine Haltung als ‹tierquälerisch› gilt.» Die minimalen Vorschriften des Gesetzes seien noch lange nicht artgerecht. «Das Tierschutzgesetz wird immer als fortschrittlich bezeichnet, aber wird dieses nicht in aller Härte umgesetzt, darf man sich nicht zu viel darauf einbilden», so Geisser.

Von den Labels hält Geisser wenig. Diese dienten lediglich dazu, das schlechte Gewissen der Konsumenten zu beruhigen. «Die Tiere leiden weiterhin, einfach auf höherem Niveau», so Geisser. Dabei seien Freiland-Standards wie jene von Demeter sicherlich besser als Optigal und IP Suisse. Bodenhaltung zum Beispiel müsste längst der Vergangenheit angehören.»

«Gelenke brechen bereits nach zwei Monaten»

Cesare Sciarra, Leiter des Kompetenzzentrums Nutztiere des Schweizer Tierschutzes (STS) ist geteilter Meinung. «Es ist deutlich zwischen der Produktion von Pouletfleisch und der Eierproduktion zu unterscheiden, wobei das Hauptproblem in beiden Fällen nicht die Haltung sondern die Zucht ist.» Um das Pouletfleisch so günstig wie möglich zu machen, würden die Tiere so stark auf schnelles Wachstum gezüchtet, dass deren Knochen bereits nach knapp 30 Lebenstagen überlastet und die Tiere sich nur noch unter Schmerzen fortbewegen könnten. Lediglich bei Poulets aus Freilandhaltung mit weniger schnell wachsenden Tieren könne man eine artgerechte Gewichtszunahme von Hühnern garantieren. Nur Bio Suisse, Demeter und Coop Naturafarm sind in der Mastzucht laut Sciarra zurzeit verlässliche Label.

Auch in der Eierproduktion ist laut Sciarra die Zucht auf sehr hohe Legeleistung ein Problem. "Obwohl hierzulande eine Käfighaltung, anders als in den übrigen EU-Ländern, verboten ist und die meisten Legehennen Zugang zu Weiden haben, sind auch Legehennen so hochgezüchtet, dass sie unter Knochenproblemen und Verhaltensänderungen leiden.» Verhaltensweisen wie das Picken von Artgenossen seien eindeutig auf diese Dauerbelastung zurückzuführen. Im Vergleich zur Mastzucht seien die Platz- und Sauberkeitsverhältnisse bei Legehennen aber oftmals gut. «Da gibt es auch keine grossen Unterschiede bei den Labels. Wichtig wäre aber eine Anpassung der Zucht hin zu Zweinutzungshühner. Diesen Weg schlagen zurzeit erst Demeter und Biosuisse schrittweise ein.»

«Schweizerisch ist noch keine Garantie für Qualität»

Auch Peter-Matthias Born vom Konsumentenverband sieht in den Labels mehrere Schwierigkeiten. «Nur weil etwas als ‹Schweizerisch› gilt, ist das noch keine Garantie für Qualität.» In der Schweiz würden zwar die höchsten und strengsten Richtlinien gelten, was beispielsweise EU-Bio gegenüber Bio-Suisse minderwertig mache. «Doch unter den Schweizer Labels herrschen massive Unterschiede. Es gibt keine allgemeinen Richtlinien», sagt Born. «Im Vergleich aller Labels weist Demeter deutlich die beste Haltung auf.»

Der Verband der Schweizer Eierproduzenten GalloSuisse wehrt sich indes gegen die Vorwürfe. «Diese Aufnahmen im betroffenen Stall sind nicht repräsentativ für die Geflügelhaltung in der Schweiz und wahrscheinlich auch nicht für die betroffene Herde. Man muss die Bilder mit der ganzen Lebensgeschichte dieser Tiere anschauen», sagt Präsident Daniel Würgler zu 20 Minuten.

«Unsere Hennen geniessen freie Bewegung»

Ein Stall in der Nacht sehe anders aus als ein Stall am Tag. «In der Schweiz haben wir das strengste Tierschutzgesetz der Welt. Es ist uns ein Anliegen, dass es unseren Tieren gut geht», sagt Würgler. Die Resultate von unangemeldeten Kontrollen würden zeigen, dass Schweizer Legehennen generell sehr gut gehalten werden. «Unsere Hennen geniessen freie Bewegung im Stall, im Wintergarten und, wenn die Bedingungen es erlauben, auf der Weide», so Würgler. 

Zudem gebe es in der Schweiz im Vergleich zum Ausland sehr kleine Familienbetriebe. «Falls irgendjemand Missstände vermutet, muss er dies sofort den zuständigen Veterinärbehörden melden», sagt Würgler. Es müsse überprüft werden, ob zum Wohle der Tiere gehandelt werde. Es erstaune ihn sehr, dass die Person, die im Dezember diese Bildaufnahmen gemacht habe und sie heute als schwerwiegende Tierschutzverletzung in den Medien darstelle, vier Monate gewartet habe, um den Produzenten und die Behörden zu informieren.

Diese Aufnahmen sollen Missstände in zwei Schweizer Hühnerbetrieben zeigen.

20 Minuten

Du weisst von einem Tier in Not?

Hier findest du Hilfe:

Feuerwehr, Tel. 118 (Tierrettung)

Polizei, Tel. 117 (bei Wildtieren)

Tierrettungsdienst, Tel. 044 211 22 22 (bei Notfällen)

Schweizerische Tiermeldezentrale, wenn ein Tier entlaufen/zugelaufen ist

Stiftung für das Tier im Recht, für rechtliche Fragen

GTRD, Grosstier-Rettungsdienst, Tel.  079 700 70 70 (Notruf)

Schweizerische Vogelwarte Sempach, für Fragen zu Wildvögeln, Tel. 041 462 97 00


Tierquälerei:

Meldung beim kantonalen Veterinäramt oder beim Schweizer Tierschutz (anonym möglich)

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