Kriegerische Zwecke: Biowaffen-Entwicklung in zivilen Labors – Experte schlägt Alarm

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Kriegerische ZweckeBiowaffen-Entwicklung in zivilen Labors – Experte schlägt Alarm

Staaten könnten Experimente in Labors nutzen, um biologische Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Sicherheitsforscher und Politiker fordern mehr Kontrollen.

Laut Sicherheitsforscher Oliver Thränert fehlen effiziente Überprüfungsinstrumente, um zu verhindern, dass die biologische Forschung zu militärischen Zwecken missbraucht wird.
Als Vertragspartner könne die Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Biowaffenkonvention leisten, sagt Thränert.
Auch muss laut Thränert geprüft werden, inwiefern Experimente, die zu unerwarteten und womöglich gefährlichen Ereignissen führten, nicht oder nur teilweise veröffentlicht werden.
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Laut Sicherheitsforscher Oliver Thränert fehlen effiziente Überprüfungsinstrumente, um zu verhindern, dass die biologische Forschung zu militärischen Zwecken missbraucht wird.

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Darum gehts

Befürchtungen eines Biowaffen-Anschlags sind seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs realer geworden. Unlängst behauptete Russland, die Ukraine entwickle im Auftrag der USA in einem geheimen Labor Biowaffen. Gleichzeitig befürchteten die USA darin ein Ablenkungsmanöver mit dem Verdacht, der Kreml bereite selbst einen Biowaffenanschlag vor.

Die Biowaffenkonvention, auch von Russland und der Ukraine ratifiziert, verbietet Biowaffen (siehe Box). Oliver Thränert, Leiter des Think Tanks am Center for Security Studies der ETH Zürich, ortet darin jedoch Schwächen: «Es fehlen effiziente Überprüfungsinstrumente, um zu verhindern, dass die biologische Forschung zu militärischen Zwecken missbraucht wird.»

«Unerwartete und womöglich gefährliche Ereignisse»

Als Vertragspartner kann die Schweiz laut Thränert einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Biowaffenkonvention leisten. Sie sollte sich gemeinsam mit anderen Vertragsstaaten für die Wiederaufnahme von Verhandlungen über ein Verifikationsprotokoll einsetzen. Durch Besuche vor Ort, etwa in Laboren, könnte laut Thränert mehr Transparenz geschaffen werden. Ob und wie solche Besuche durchgeführt würden, müssten die Vertragsstaaten zunächst in diesem Protokoll bestimmen.

Auch muss laut Thränert geprüft werden, inwiefern Experimente, die zu unerwarteten und womöglich gefährlichen Ereignissen führten, nicht oder nur teilweise veröffentlicht werden.

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«In der Schweiz gibt es regelmässige Inspektionen»

Scienceindustries, der Schweizer Wirtschaftsverband für Chemie, Pharma und Life Sciences, anerkennt die Problematik. «Grundsätzlich lässt sich wohl jede Forschung auch militärisch missbrauchen», sagt Mediensprecherin Pia Guggenbühl. Die Frage sei, ob eine Technologie die Absicht einer zivilen, gewinnbringenden oder einer militärischen, destruktiven Anwendung verfolge. Dies betreffe alle Bereiche von Forschung und Entwicklung.

In der Schweiz würden Inspektionen regelmässig durchgeführt, so Guggenbühl. Handlungsbedarf ortet sie auf internationaler Ebene. Die Biowaffenkonvention von 1975 sollte effektiv zur Anwendung kommen, indem die Vertragsstaaten deren Sinn und Zweck anerkannten und in ihren Verantwortungsbereichen alles dafür täten, dass sie umgesetzt werde. Unilaterale Massnahmen in der Schweiz seien wenig zielführend.

«Verhindern, dass im Geheimen Biowaffen entwickelt werden»

Das Risiko einer für nicht friedliche Zwecke missbrauchten Forschung beschäftigt auch die Politik. «Es ist zentral, dass sich die Schweiz für solche Inspektionen einsetzt, um zu verhindern, dass Biowaffen entwickelt, produziert oder gelagert werden», sagt Grünen-Nationalrätin Meret Schneider. In der aktuellen Session werde sie deshalb eine Interpellation einreichen. Sie will vom Bundesrat unter anderem wissen, welche Massnahmen zur Unterstützung des Biowaffen-Übereinkommens geplant sind und in welchem Umfang er Beiträge an das Übereinkommen vorsieht.

Eine Motion vom März lehnte der Bundesrat ab. Darin forderte Schneider eine zusätzliche Vollzeitstelle, um das Biowaffen-Übereinkommen verstärkt zu unterstützen. Unterzeichnet wurde die Motion von rund 20 Nationalrätinnen und -räten aus den Reihen der Grünen, SP, Mitte und GLP.

Mauro Tuena, Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, sieht die Schweiz nicht in der Verantwortung. «Die Forderungen klingen gut, bringen aber nichts.» Hätten Staaten einen Vertrag unterschrieben, liege es auch an diesen, sich daran zu halten und die notwendigen Kontrollen durchzuführen. «Wenn internationale Kontrollen notwendig sind, müsste dies in einem Zusatzprotokoll ratifiziert werden. Ansonsten nützen Rufe nach Inspektionen nichts.» Diese lägen jetzt in der Verantwortung der einzelnen Länder.

Biowaffenkonvention

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Hier findest du Hilfe für dich und andere:

Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine (Staatssekretariat für Migration)

Kriegsangst?, Tipps von Pro Juventute

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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