Marc Walder (56)«Corona ist nicht einfach eine Grippe» – «Blick»-Chef spricht nach Video-Leak
Die Veröffentlichung eines internen Videos schlägt hohe Wellen. Nun äussert sich der Ringier-CEO erstmals selbst zur Angelegenheit. Walder verteidigt seine Blätter. Man habe sich auf ein Minimum an Loyalität gegenüber den Regierungsaufforderungen geeinigt.
Darum gehts
In einem Interview mit SRF reagiert der Chef der Ringier-Gruppe, Marc Walder (56), auf die Vorwürfe, wonach der «Blick» und die weiteren Publikationen der Gruppe zu regierungsnah über die Corona-Pandemie berichtet hätten. Letzte Woche waren Ausschnitte einer Videokonferenz öffentlich geworden, in denen Walder erklärte, dass sämtliche Publikationen der Gruppe in der Corona-Pandemie die kommunikativen Anliegen von Regierungen unterstützen würden.
Nun äussert sich Walder erstmals zur Angelegenheit – und er relativiert. Es sei ihm einzig darum gegangen, zu betonen, dass Ringier in grundlegenden Aspekten der Pandemie wie bei den Masken, dem Testen, der Impfung oder beim Boostern die Regierungen unterstütze. «Unsere Haltung ist, dass wir Corona sehr ernst nehmen.» Ausserdem verteidigt er den «Blick». Dieser habe während der Pandemie immer wieder kritisch berichtet: Etwa, als zu wenig Masken oder Impfstoff da waren oder die Booster-Kampagne erst relativ spät anlief.
«Corona ist keine Grippe»
Ausführlich hat sich Walder auch gegenüber der «NZZ» geäussert. Auch hier verteidigt er den Kurs seiner Zeitungen. «Unsere Publikationen setzen nicht auf billigen Empörungsjournalismus.» Man sei in einzelnen Aspekten der Pandemie-Kampagne «proaktiv» unterwegs gewesen. Dies sei aufgrund der «absolut aussergewöhnlichen» Lage auch notwendig gewesen, denn vom Coronavirus ginge eine grosse Gefahr aus: «Corona ist nicht einfach eine Grippe. (…) In einer Pandemie, die Millionen von Menschen das Leben gekostet hat, in einer medizinischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise, haben die Medien eine übergeordnete Verantwortung.»
Auf die Frage der NZZ-Journalistin, ob er sich denn auch in Bezug auf Länder wie Ungarn, in denen Ringier ebenfalls Beteiligungen hält, weiterhin wohl fühle in seiner Haltung, zeigt Walder jedoch Reue. In diesem Zusammenhang sei es «ein Fehler» gewesen, zu einer regierungsnahen Berichterstattung aufzurufen. Auch, dass er im öffentlich gewordenen Video die Runde noch bat, nichts gen aussen zu tragen, bereut Walder. Und noch hinter einem weiteren Teil des Interviews kann er rückwirkend nicht mehr stehen: Die Kritik an den Kolleginnen und Kollegen der deutschen «Bild»-Zeitung. Diese trügen eine Mitverantwortung an ausser Kontrolle geratenen Anti-Corona-Demos, hatte Walder gesagt. Dafür entschuldigt er sich nun gegenüber der NZZ.
Eine Posse rund ums Mediengesetz?
Das Video stammt aus dem Februar 2021. Veröffentlicht hat es die Onlinepublikation Nebelspalter. Aufgenommen wurde es an einer virtuellen Veranstaltung der Schweizer Management Gesellschaft zum Thema Digitalisierung. Konkret erklärte Walder darin: «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.» Die Medien dürften keinen Keil zwischen Regierungen und Gesellschaft treiben.
Die Diskussion rund um den Ringier-Kurs kommt nur wenige Monate vor der Abstimmung über das neue Mediengesetz. Dieses sieht vor, dass die Medien hierzulande künftig stärker vom Staat finanziell unterstützt werden. Nach der Veröffentlichung von Walders Aussagen kam es zu Vorwürfen einer zu starken Verbandelung zwischen Regierung und Medienschaffenden. Der Medienwissenschaftler Andreas Fahr von der Uni Freiburg erklärte gegenüber 20 Minuten: «Solche Fälle könnten die ohnehin schon in gewissen Kreisen vorhandene Glaubwürdigkeitskrise der Medien verschärfen. Manche Teile der Gesellschaft könnten sich so weiter von den Medien entfernen.»
Allerdings dürfte in der Angelegenheit auch der bürgerliche Nebelspalter selbst nicht vor Kritik gefeit sein. Der Autor des Artikels, der das Video begleitete, Philipp Gut, ist selbst nämlich im Vorstand des Nein-Komitees zur Vorlage. Walder hält hingegen weiter fest an der publizistischen Unabhängigkeit des «Blick» und der weiteren Ringier-Publikationen. «Die Verantwortlichen der Ringier-Publikationen verantworten selber, was sie schreiben und welche Perspektive sie einnehmen. Das war immer so, und das wird auch so bleiben.»