Dornach SOBrandstiftung in der Silvesternacht – wer zündete das Goetheanum an?
Der Brand des ersten Goetheanums in Dornach ist bis heute ein Cold Case. Ein Hauptverdächtiger war rasch gefunden, es war aber der falsche. Bis heute beschäftigt das Verbrechen nicht nur Anthroposophen.
Darum gehts
Bis auf den Betonsockel brannte das Goetheanaum in der Silvesternacht 1923 ab. Seit zehn Jahren thronte der eigenwillige Holz-Kuppelbau auf dem Hügel über Dornach und bildete das Zentrum der anthroposophischen Bewegung von Rudolf Steiner. Argwohn, Misstrauen, gar Feindseligkeit – die Anthroposophen hatten nicht viele Freunde in ihrer neuen Heimat. Ermittlungen zeigten, dass das Feuer als Schwelbrand zwischen den Wänden gelegt wurde und sich lange unbemerkt ausbreiten konnte.
«Da begann sich plötzlich der Himmel zu röten», schrieb die Basler «National-Zeitung» am Berchtoldstag über den Brand in der Silvesternacht. Es war ein Spektakel. Während die Kirchen das alte Jahr ausläuteten, schossen aus den Kuppeln des Goetheanums die Flammen in den Himmel. Die Dornacher Feuerwehr war um 23.15 Uhr vor Ort, sämtliche umliegenden Feuerwehren bis nach Basel wurden aufgeboten. Gleichzeitig strömten immer mehr Schaulustige heran. Eine ganze Wagenburg sei am Dornacherberg aufgefahren.
Tausende Schaulustige strömten herbei
Die Birseckbahn musste am nächsten Tag Tausende Katastrophentouristen befördern. Schon am frühen Morgen verkehrten zahlreiche Extratrams. Schon an Neujahr wies alles auf Brandstiftung hin. Als Beweis wurde ein zerbrochener Spiegel angeführt. Dieser wurde am Abend mutmasslich durch den Brandstifter auf dem Boden zerschlagen, und zwar just in jenem Gebäudeteil, wo eine Lokalisierung des Feuers aus technischen Gründen am schwierigsten gewesen sei. Auch Petroleumreste sollen nachgewiesen worden sein. Doch wer hat den Brand im fast sieben Millionen Franken teuren Bau gelegt?
Schon am 4. Januar berichteten die Basler Nachrichten von einem Vermissten. Dem jungen Uhrmacher Jakob Ott. Der damals 28-Jährige wurde noch in der Brandnacht um 23.30 Uhr von einem Feuerwehrmann gesehen. Ott war allerdings selbst Anthroposoph, hatte sich allerdings wegen finanzieller Probleme mit ihnen überworfen und soll entsprechende Drohungen ausgesprochen haben. Rasch wurde vermutet, dass Ott, dessen Verbleib nach der Brandnacht unbekannt war, ins Ausland geflüchtet sei. Verbreitet wurde dieser «Ermittlungsansatz» auch von keinem Geringeren als Rudolf Steiner selbst.
Ott war aber nicht geflüchtet. Er kam in den Flammen ums Leben. Er hatte als freiwilliger Helfer versucht, den Brand zu löschen. Zu diesem Schluss kam 2007 eine Untersuchung. Die Autorin Michelle Steinbeck hat den Jahrhundertbrand im Hörbuch und Theaterstück «Chroniken von Dornach – der zerbrochene Spiegel» aufgearbeitet, das an Weihnachten erstmals auf Radio X ausgestrahlt wurde. Die Recherchen zum Fall brachten sie zur Überzeugung, dass Ott unschuldig ist. Derart, dass sie sogar den Wikipedia-Eintrag des Goetheanums editierte, wie sie der «bz Basel» erzählte.
Stoff für ein Theaterstück
Aber wer war es dann? Ein Insider. Das vermutet Peter Selg, Co-Leiter der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion am Goetheanum. Der Brand sei strategisch gelegt worden. Das sei nur mit Wissen über die Baupläne möglich gewesen, wie er gegenüber Telebasel ausführte. Nur, wer dieser Insider war, wird vermutlich für immer ein Rätsel bleiben.
Steinbeck füllt diesen Raum mit einigen Szenarien, die gleichermassen plausibel und unbelegt sind. Demnach war der arme Uhrmacher Ott nur ein Sündenbock, dem man den Brand in die Schuhe schieben wollte. Um vom eigentlichen Verbrechen abzulenken, einem Versicherungsbetrug. Aber das ist natürlich nur Spekulation.
Michelle Steinbecks Hörbuch «Chroniken von Dornach – der zerbrochene Spiegel» wird am 15. Januar im Neuen Theater in Dornach inszeniert.