Journalisten bei Kiew unter Feuer – «Im beschossenen Auto fühlte es sich an wie in einer Waschmaschine»

Aktualisiert

Journalisten bei Kiew unter Feuer«Im beschossenen Auto fühlte es sich an wie in einer Waschmaschine»

Ein britisches Fernsehteam von Sky News war bei Kiew unterwegs, als sie plötzlich beschossen wurden. Dabei wurde Korrespondent Stuart Ramsay angeschossen. Derweil stellen immer mehr internationale Medien ihre Arbeit in Russland ein.

Stuart Ramsay kurz nach dem Angriff.
Hier fielen die Schüsse auf den Miet-Hyundai der Reporter.
Kameramann Richie Mockler nahm das Geschehen vom Wagenboden auf …
1 / 8

Stuart Ramsay kurz nach dem Angriff.

Screenshot Youtube/ Sky News

Ein Fernsehteam des britischen Senders Sky News ist am Montag in der Nähe von Kiew unter Beschuss geraten. Wie der Korrespondent auf der Website von Sky News am Freitag berichtete, sei sein Team auf der Fahrt im Nordwesten von Kiew in der Nähe eines ukrainischen Kontrollpunkts unter schweren Beschuss durch automatische Waffen geraten. Auf dem Video, das Sky News veröffentlichte, sind die Reporter sowie Gewehrsalven zu hören.

Korrespondent Stuart Ramsay sei dabei verwundet worden, seinen Kameramann trafen zwei Kugeln in die Schutzweste, wie der Sender weiter schreibt. Beide seien jedoch ohne grössere Verletzungen davongekommen. Später sei ihnen von ukrainischen Soldaten erklärt worden, sie seien von einem russischen Trupp beschossen worden.

Gegenüber der «Daily Mail» schildert Ramsay, wie er den Vorfall erlebte. Er war mit vier Kollegen in einem gemieteten Hyundai unterwegs, als es geschah. «Als die ersten Schüsse Löcher in unsere Windschutzscheibe schlugen, dachten wir zuerst, wir seien ins Fadenkreuz von ukrainischen Wehrpflichtigen an einer Strassensperre geraten. Wir tauchten auf den Sitzen tief ab und schrien: ‹Medien.. Journalisten!› Doch dann wurde rasch klar, dass es nicht um ein Missverständnis ging, sondern um einen professionellen Hinterhalt.» Die Angreifer hätten mit AK-47-Gewehren aus einem Versteck geschossen, das nie sichtbar gewesen sein.

«Welle um Welle von Geschossen schlug ein und Fragmente der Scheibe und des Lenkrades flogen umher. Der Lärm war ohrenbetäubend, und im Auto, das unter dem Beschuss fühlbar schwankte, fühlte es sich an wie in einer Waschmaschine», so Ramsay weiter. Er habe in seiner 25-jährigen Karriere mehrere Hinterhalte erlebt, aber diesmal sei der Beschuss «äusserst unerbittlich und fokussiert» gewesen. Er schätzt, dass 500 bis 1000 Schuss abgefeuert wurden und nur wenige das Fahrzeug verfehlten.

«F**** euch, das hat nicht mal richtig weh getan»

Dann wurde er von einer Kugel getroffen. «Ich wurde unter meiner Schutzweste in den Rücken erwischt», berichtet Ramsay. «Es fühlte sich eher nach einem Schlag an. Meine erste Reaktion war, dass ich ‹f*** euch, das hat nicht mal richtig weh getan› murmelte.» Das Adrenalin und der Schock habe verhindert, dass sein Gehirn eine schwer Verwundung registrierte. Später stellte sich heraus, dass das Projektil in seinem Oberschenkel eingedrungen und durch den unteren Teil des Rücken wieder ausgetreten war. Dabei habe es zum Glück alle lebenswichtigen Organe verfehlt.

Er habe noch sein Handy und seinen Presseausweis gepackt und sei aus dem Auto geflüchtet. Er sei noch bis zum Rand der Böschung gerannt und dann dort zusammengesackt. Sein Kameramann Richie Mockler sei im Auto vorne gesessen und sei von zwei Geschossen in seinen Brustpanzer getroffen worden: «Er wäre ohne die Schutzweste bestimmt gestorben.» In einer Garage fand die Gruppe schliesslich Schutz, während draussen ein schweres Feuergefecht entbrannte. Schliesslich eilten ihnen ukrainische Polizisten zu Hilfe und halfen ihnen, ein Feldlazarett aufzusuchen, wo die Wunden der Crew verarztet wurden.

Am kommenden Tag wurden die Journalisten nach Kiew gebracht. Später hätten sie erfahren, dass die Schützen Russen waren und vermutlich Teil einer Einheit, die vor Ort eine beschädigte Strasse unter einer zerstörten Brücke reparieren sollte.

«Schwach gegen Armeen, stark gegen Zivilisten»

Mittlerweile wurden Ramsay und seine Kollegen ausgeflogen. Nun könne er wegen seiner Wunde Spezialisten aufsuchen. Doch die Erinnerung plagt ihn weiter: «Ich habe aus etwa 20 Kriegen berichtet, wurde mehrmals angeschossen und wurde auch zweimal entführt. Aber so wie die russischen Bodentruppen hier vorgehen  das habe ich noch nicht erlebt. Sie sind oft schwach im Kampf gegen andere Armeeeinheiten, aber sehr effizient darin, zivile Ziele zu zerstören.» Die Russen, «die wir nie sahen», hätten ganz bewusst versucht, kaltblütig unbewaffnete Journalisten umzubringen.»

Derweil stellen nach dem Erlass eines neuen Mediengesetzes in Russland mehrere internationale Sender und Agenturen ihre Arbeit in dem Land ganz oder teilweise ein. «CNN wird den Sendebetrieb in Russland einstellen, während wir die Situation und unsere nächsten Schritte weiter bewerten», bestätigte ein Sprecher des US-Senders am Freitagabend (Ortszeit) auf Nachfrage. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg hatte zuvor erklärt, ihre Berichterstattung auf russischem Gebiet zu stoppen. Auch die britische BBC stoppt zunächst jegliche Form der Berichterstattung auf dem Gebiet der Russischen Föderation. 

My 20 Minuten

(dpa/dmo)

Deine Meinung zählt

3 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen