Experte ordnet ein«Ein solcher Vorfall wäre in der Schweiz nie denkbar»
Eine 18-jährige Amerikanerin verklagt die Ärzte, die ihr mit 13 im Rahmen einer geschlechtsangleichenden Operation die Brüste entfernten. Experte David Garcia Nuñez ordnet ein.
Michelle Halbheer wurde bei Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben. Sie fühlte sich oftmals falsch, ohne zu wissen, wieso. Bis ihre Partnerin sie eines Tages fragte, ob sie vielleicht lieber als Frau leben möchte.
20minDarum gehts
Eine Amerikanerin verklagt die Ärzte, die ihr mit 13 Jahren beide Brüste entfernten.
Sie habe sich dazu gedrängt gefühlt, die Ärzte hätten ihr eingeredet, trans zu sein.
Experte David Garcia Nuñez erklärt, weshalb das in der Schweiz nicht passieren könnte – und weshalb er die Panik für übertrieben hält.
Kayla Lovdahl war 13, als Ärzte in den USA ihr die Brüste entfernt haben. Schon mit elf Jahren hätten sie Influencer in den sozialen Medien dazu gebracht, zu glauben, sie sei trans. Mit zwölf liess sie sich mit Pubertätsblockern und Testosteron behandeln. Jetzt, mit 18, verklagt sie die Ärzte, die die Operation durchführten. Diese hätten sie dazu gedrängt, um Profit zu machen – so steht es in der Anklageschrift, wie die «Daily Mail» berichtet.
David Garcia Nuñez ist Psychiater und forscht am Unispital Basel zu Geschlechtervarianz. Er stellt klar: «Ein vergleichbarer Fall wäre in der Schweiz nie möglich.» Denn: «Hier sind solche Operationen grundsätzlich erst ab 18 erlaubt.»
Mastektomie in Ausnahmefällen auch in der Schweiz bei Minderjährigen
In Ausnahmefällen könnten sich Minderjährige zwar schon einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen. Zwischen 2018 und 2021 haben sich in der Schweiz zehn trans Jungen im Alter von zehn bis 14 einer beidseitigen Mastektomie unterzogen, sich also die Brüste entfernen lassen.
Dem gehe aber ein langer Prozess voraus: «Bis es so weit ist, sind eingehende Abklärungen nötig und es braucht das Einverständnis der minderjährigen Person, der Eltern, der Psychiaterin, des Chirurgen und der Endokrinologin.» Garcia betont: «Es ist Unsinn zu glauben, ein Teenager in der Schweiz sehe ein paar Videos auf Tiktok, lasse sich davon beeinflussen und sei zwei Wochen später operiert.»
Das Transgender Network Switzerland schreibt auf seiner Website: «Für die hormonelle und operative Geschlechtsangleichung müssen Jugendliche nicht volljährig, also 18-jährig, sein. Eine Zustimmung der Eltern braucht es dafür nicht, es ist allein dein Entscheid» Garcia räumt ein: «Bei Operationen mit 16 oder 17 Jahren würde man wahrscheinlich in Extremis auch ohne Einbezug der Eltern operieren. Wobei wir dann vor Situationen stünden, wo die Jugendliche eh unabhängig vom Elternhaus leben.» In Fällen von 13-Jährigen sei das aber «schlichtweg undenkbar. Ich kenne keine Chirurgin, die ohne Wissen und Zustimmung der Eltern operieren würde.»
«In der Schweiz bereichern sich Ärzte nicht an Operationen»
Trotzdem kann es laut Garcia auch in der Schweiz vorkommen, dass jemand gegen behandelnde Ärzte klagt. «Die Chancen auf Erfolg sind hier aber deutlich geringer. In den USA sind grosse Teile des Gesundheitswesens privatisiert und ich könnte mir vorstellen, dass so ein Eingriff schneller gemacht wird. Hier haben fünf Parteien gemeinsam entschieden und die Verantwortung übernommen. Wenn, dann würden wohl neben den Ärztinnen oder Ärzten auch die Eltern zur Verantwortung gezogen.»
Hierzulande könnten sich Ärzte auch nicht an solchen Operationen bereichern. «Im öffentlichen Gesundheitswesen der Schweiz erhalten sie einfach ihren Lohn.» Solche Operationen würden deshalb sicher nicht übereifrig gemacht. «Im Gegenteil: Ich kenne Ärzte, die sich davor scheuen, weil sie befürchten, zur Zielscheibe von Hass und Drohungen zu werden.»
«Bei Nasenoperationen interessiert es niemanden»
Die Aufmerksamkeit, die solchen Geschichten zukommt, schreibt Garcia einer Skandalisierung zu: «Rechte Kreise haben sich darauf eingeschossen. Insbesondere bei jüngeren trans Menschen gibt es hier jedes Mal einen Aufschrei. Wenn das jemand mit 40 macht, interessiert es niemanden – ebenso wenig, wie sich jemand für eine Nasenoperation, die wieder rückgängig gemacht wird, interessiert.»
Auch die Beeinflussung durch die sozialen Medien stellt Garcia infrage: «Die aktuelle Wissenschaft geht davon aus, dass Kinder mit 24 Monaten zwischen Geschlechterrollen unterscheiden können. Dann wissen sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bereits, ob sie sich als Mann oder als Frau fühlen.»
«Liest man Kindern Rotkäppchen vor, fressen sie deswegen keine Kinder»
Garcia versteht denn auch die Aufregung um die Drag Story Time nicht: «Was hier betrieben wird, ist eine Form von moralischer Panik. Wenn Dragqueens Kindern Geschichten vorlesen, werden diese nicht zu Dragqueens. Schliesslich fressen die Kinder auch keine Kinder, wenn man ihnen Rotkäppchen vorliest – ein Märchen, in dem der Wolf sich ja auch Frauenkleider anzieht.»
Etwas anderes seien die Geschlechterrollen: «Wie ich mich kleide und präsentiere, kann, muss aber nicht mit der Geschlechtsidentität zu tun haben. Davon lebt die ganze Modebranche.» 20 Minuten berichtete erst kürzlich über Leon (21), der sich beide Beine brechen liess, weil er sich unmännlich fühlte. «Da sagt ja auch niemand, er habe sich einem geschlechtsangleichenden Prozess unterzogen», sagt Garcia.
LGBTIQ: Hast du Fragen oder Probleme?
Hier findest du Hilfe:
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Du-bist-du.ch, Beratung und Information
InterAction, Beratung und Information für intergeschlechtliche Menschen, hello@interactionschweiz.ch
Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen
Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
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