«Sergei Lawrow ist der Lionel Messi unter den Aussenministern»

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Cassis trifft Lawrow«Sergei Lawrow ist der Lionel Messi unter den Aussenministern»

Erstmals seit eineinhalb Jahren haben sich am Dienstag Bundesrat Ignazio Cassis und Russlands Aussenminister Sergei Lawrow wieder ausgetauscht. Alt-Botschafter Toni Frisch über Lawrow, Einschüchterungstaktiken und die Bedeutung des Treffens in New York.

Bundesrat Ignazio Cassis traf in New York den russischen Aussenminister Sergei Lawrow zu einem Austausch.
Ein ausserordentlich wichtiges Treffen, wie Alt-Botschafter Toni Frisch betont.
«Insbesondere auch deshalb, weil Cassis demnächst nach Indien und China reisen will. Lawrow also noch vorher und als Ersten zu treffen, war so grundsätzlich richtig und klug», so Frisch.
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Bundesrat Ignazio Cassis traf in New York den russischen Aussenminister Sergei Lawrow zu einem Austausch.

Ignazio Cassis

Darum gehts

  • Bundesrat Ignazio Cassis traf sich in New York mit dem russischen Aussenminister Sergei Lawrow. 

  • Alt-Botschafter Toni Frisch betont, wie wichtig dieses Treffen sei.

  • Gewieft, bestens dokumentiert und mit einem präzisen Gedächtnis: So beschreibt Frisch Russlands Aussenminister.

  • Und: Früher oder später müsse man sich auch mit Putin an einen Tisch setzen – ob man wolle oder nicht.

Am Dienstag traf sich Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis in New York mit dem russischen Aussenminister Sergei Lawrow. Gemeinsam hätten sie sich über «mehrere wichtige Themen» ausgetauscht, wie Cassis auf X schrieb.

Parlamentarier von links bis rechts sind sich einig, dass das Treffen richtig war. Und auch Alt-Botschafter Toni Frisch, der selbst oft mit Russland verhandelt hat, betont: Es war nicht nur ein richtiges, sondern auch ein wichtiges Treffen.

Herr Frisch, wie schätzen Sie das Treffen zwischen Cassis und Lawrow ein?

Frisch: Es war ausserordentlich wichtig, dass Bundesrat Ignazio Cassis seinen russischen Amtskollegen Sergei Lawrow in New York getroffen hat, und wohl das Beste, was er im Moment tun konnte. Im Hinblick auf eine «Friedenskonferenz» war es eigentlich ein zwingender Schritt. Insbesondere auch deshalb, weil Cassis demnächst nach Indien und China reisen will. Lawrow also noch vorher und als Ersten zu treffen, war so grundsätzlich richtig und klug.

Russland kritisiert, dass die Schweiz ihre unparteiische Vermittlerrolle verloren hätte – wieso trifft sich Lawrow trotzdem mit Cassis?

Man sollte solche verbalen Angriffe nicht zu wörtlich nehmen. Damit will man den Gegenspieler verunsichern und ihm den Mumm nehmen. Vermitteln kann man, dieser Kritik zum Trotz, sehr wohl. Auch andere Länder tun das, die zudem weit davon entfernt sind, neutral zu sein.

«Sich hier hinter der Neutralität zu verstecken, konnte sich die Schweiz gar nicht leisten.»

Ist die Schweiz wirklich unparteiisch?

Die Schweiz ist neutral, sie stellte sich aber richtigerweise vor allem auf die Seite des Angegriffenen und auf die Seite des Völker- und Menschenrechts. Sich hier hinter der Neutralität zu verstecken, konnte sich die Schweiz gar nicht leisten. Sie wäre unglaubwürdig geworden. Offenbar hatte Lawrow doch ein gewisses Interesse an diesem Gespräch, was auch immer die Gründe sein mögen. Sonst hätte er dazu nicht eingewilligt.

«Wer Cassis kritisiert oder sagt, die Schweiz sei nicht neutral, hat etwas nicht verstanden.»

In den sozialen Medien hagelte es nach dem Treffen Kritik an der Schweiz – ist es trotzdem gut, dass sich Cassis und Lawrow getroffen haben?

Ja, ganz fraglos, das war unbedingt richtig. Wer Cassis nun dafür kritisiert oder sagt, die Schweiz sei nicht mehr neutral, hat etwas noch nicht ganz verstanden: Was Cassis jetzt braucht, ist Unterstützung. Die Schweiz muss, wenn sie wirklich eine Vermittlerrolle spielen will, zwingend mit allen Seiten und Parteien sprechen. Man wird zu gegebener Zeit auch mit Putin sprechen müssen – ob man will oder nicht. Am Ende jedes Konfliktes steht ein Verhandlungstisch.

«Lawrow zu treffen, braucht Mut – ihn nicht zu treffen wäre mutlos, ja eine Schwäche, gewesen.»

Sie haben Lawrow schon oft getroffen – auf was muss sich Cassis gefasst machen?

Ich bin überzeugt, dass Cassis sich sehr wohl bewusst ist, wen er da als Gegenüber hat. Auch lässt er sich bestimmt beraten und stellt sich bestmöglich auf dieses Gespräch ein. Lawrow zu treffen, braucht etwas Mut – ihn nicht zu treffen wäre mutlos, ja eine Schwäche, gewesen.

«Lawrow gilt unter den Aussenministern international als das, was Messi unter den Fussballern verkörpert.»

Was ist Lawrow für ein Diplomat und Mensch?

Jeder, der Lawrow unterschätzt, macht einen Fehler. Als Mensch habe ich ihn als sehr umgänglich erlebt. Dass er ein äusserst erfahrener und gewiefter Diplomat ist, der klar weiss, was er will und zu tun hat für die Seite Russlands, ist auch klar. Er hat ein sehr präzises Gedächtnis, ist bestens dokumentiert und wird von seinen Mitarbeitenden hervorragend unterstützt. Er sieht seine Chance in jeder – sicher auch in schwierigsten – Situation und kann diese nutzen. Zudem ist er äusserst redegewandt und überzeugend. Er gilt unter den Aussenministern international als das, was Messi unter den Fussballern verkörpert.

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