Trinkgeld: Gastro-Leute ächzen unter Trinkgeld-Tricks der Chefs

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Gastronomie«Chefs stecken alles ein» – Gastro-Leute ächzen unter Trinkgeld-Tricks

Bargeldzahlungen nehmen rapide ab. Darunter leiden Gastro-Angestellte: Wird Trinkgeld per Karte bezahlt, stecken die Chefs oft den grössten Teil ein, klagen sie. Gastro Suisse wehrt sich.

In Gastrobetrieben wird immer häufiger mit der Karte gezahlt.
Rund 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer zahlen in bedienten Restaurants nach dem Essen ein Trinkgeld.
Das bestätigt auch eine 40-jährige Serviceangestellte: «Seit so viel mit der Karte bezahlt wird, haben wir keinen Überblick mehr. Nur der Chef weiss, wie viel Trinkgeld zusammenkommt – und verteilt es dann oft nach Belieben.» (Symbolbild)
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In Gastrobetrieben wird immer häufiger mit der Karte gezahlt.

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Darum gehts

  • Gemäss einer Studie glauben 22 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, dass das Trinkgeld bei einer Kartenzahlung direkt an den Besitzer geht.

  • Serviceangestellte bestätigen, dass sie keinen Überblick über das Trinkgeld mehr hätten und sich die Chefs dieses selbst in die Tasche steckten.

  • Sie fordern mehr Transparenz und eine faire Verteilung.

So viel Trinkgeld geben Schweizerinnen und Schweizer

Rund 85 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer zahlen in bedienten Restaurants nach dem Essen ein Trinkgeld. Das ergab eine Studie der ZHAW School of Management and Law aus dem Jahr 2022.

Mehr als drei Viertel setzen dabei nach wie vor auf Bargeld. Denn knapp 22 Prozent glauben, dass bei Kartenzahlung das Trinkgeld direkt an den Besitzer geht. Kartenzahlungen nehmen aber zu, Bargeld verliert an Bedeutung. Das bekommen die Gastro-Mitarbeitenden zu spüren.

Wie wird das Trinkgeld verteilt?

Das ist nicht einheitlich geregelt. Einige Betriebe rechnen jeden Abend ab, andere wöchentlich oder monatlich, mal gibt es ein gemeinsames Trinkgeld-Portemonnaie, mal hat jeder und jede ein eigenes, oft auch digital. Das ist laut einer 40-jährigen Serviceangestellten genau das Problem: «Seit so viel mit der Karte bezahlt wird, haben wir keinen Überblick mehr. Nur der Chef weiss, wie viel Trinkgeld zusammenkommt – und verteilt es dann oft nach Belieben.»

Laut der 40-Jährigen kann der Chef so leichter Trinkgeld selber einstecken, als wenn bar bezahlt wird. «Wenn das Personal das aber anspricht, riskieren wir unseren Job.» Ob im Restaurant oder beim Lieferservice: «Mein Chef behält das Trinkgeld für sich», sagen mehrere Leser und Leserinnen. «Als Pizzakurier habe ich jeweils gefragt, ob die Leute über die App Trinkgeld gegeben haben. Wenn sie ja gesagt und ich nichts bekommen habe, wusste ich, dass mein Chef das Geld eingesackt hat», sagt der 26-jährige K. 

Gastro-Angestellter: «Viele Chefs stecken das Trinkgeld in die eigene Tasche»

Michael Hobi (35) arbeitet in einem Restaurant in Graubünden. Seit 19 Jahren ist er in der Gastro-Branche tätig. Auch er sagt: «In dieser Zeit habe ich viele Chefs erlebt, die das Trinkgeld der Serviceangestellten in die eigene Tasche gesteckt haben.» In jedem Betrieb sei das Trinkgeld aber ein Thema gewesen. «Ich wünsche mir mehr Transparenz», sagt Hobi. Gefühlt erhalte das Personal bei Barzahlung mehr Trinkgeld.

Das fordern Gastro-Angestellte

Transparenz und eine faire Verteilung. Ein 40-jähriger Gastronom, der seit 16 in der Gastro arbeitet, sagt: «Ich habe in einem Betrieb gearbeitet, in dem das Trinkgeld nach Arbeitserfahrung und Anzahl der Betriebszugehörigkeit ausbezahlt wurde – das ist alles andere als fair.» Transparenz sei wichtig, aber auch schwierig umzusetzen. «Gastronomie ist Teamarbeit – die Auszahlung des Trinkgeldes muss vor allem den Teamspirit fördern.»

Das sagt Gastro Suisse

Gastro Suisse bestätigt, dass Kartenzahlungen im Restaurant zunehmen. Da dabei das Trinkgeld oft vergessen gehe, wiesen einige Restaurants mit Hilfe von festgesetzten Prozentsätzen auf dem Kartengerät neuerdings explizit darauf hin. Es sei aber der Kunde oder die Kundin, die entscheiden, ob man Trinkgeld geben möchte und wenn ja, wie viel. Wie der Betrieb das Trinkgeld dann verteilt, liegt in der unternehmerischen Freiheit der Betriebe.

Der Wirteverband Basel-Stadt ergänzt: «In seriös geführten Betrieben kann der Gast mit Sicherheit davon ausgehen, dass Trinkgelder in der vollen Höhe den Mitarbeitern zugutekommen.»

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