Trinkgeld-RevolutionMit dieser App soll der Kunde das Trinkgeld direkt der Bedienung überweisen
Keine Übersicht und Chefs, die alles selber einstecken: Die Trinkgeld-Verteilung sorgt in Gastro-Betrieben immer wieder für Zoff, Kartenzahlungen erschweren das. Hier will ein Zürcher Start-up ansetzen.
Darum gehts
Ein Start-up will die Trinkgeld-Kultur revolutionieren.
Mittels QR-Code können Mitarbeitende auch bewertet werden.
Kritisch sieht der neuen App-Idee die Gewerkschaft Unia gegenüber.
Das Start-up «Thank U» will die Schweizer Trinkgeld-Kultur revolutionieren. «Wir wollen mehr Transparenz», erzählt Gründer Jürg Fehr. Ihr Ziel sei es, dass das Trinkgeld dort ankomme, wo es der Konsument und die Konsumentin möchte. «Es gibt heute digitale Bezahlmethoden, doch viele sind sich nicht bewusst, dass dabei Gebühren anfallen», sagt Fehr. Laut Gastrosuisse wird bei jeder Kartentransaktion eine Kommission abgezogen, welche den Kartenanbietern zusteht. Weiter sei kaum nachvollziehbar, wo das Geld genau hingehe und wie es unter den Mitarbeitenden verteilt werde.
Die Idee für eine App-Lösung kam dem 42-Jährigen beim Coiffeurbesuch: «Ich wollte meiner Coiffeuse ein Trinkgeld geben, weil sie ihre Arbeit gut gemacht hat, hatte aber kein Bargeld dabei.» Die einzige Möglichkeit wäre gewesen, der Coiffeuse per Twint etwas zu überweisen. «Doch das Trinkgeld soll ja ordnungsgemäss besteuert werden und trotzdem vollumfänglich dort ankommen, wo ich es möchte.» Das sei die Idee hinter «Thank U».
So funktioniert die App
Und so funktioniert es: Per QR-Code kann der Kunde die Person auswählen, welcher sie gerne Trinkgeld zukommen lassen würde. Das kann im Restaurant der Hilfskoch oder auch der Reinigungskraft sein. «Alle Mitarbeitenden, die für das Unternehmen arbeiten, können ein Profil machen. So sieht der Kunde, wer alles mitgearbeitet hat und kann entscheiden, wem er wie viel Trinkgeld geben will.»
Dass so die Servicekraft alles einheimst, die den Kunden bedient hat, glaubt er nicht. Er sieht die Auswahl als Chance und ist überzeugt, dass gute Arbeit honoriert wird – wer kein Trinkgeld erhalte, müsse sich vielleicht darüber Gedanken machen, was der Grund dafür sein könnte. «Mittelfristig sollen aber alle Unternehmen mitmachen können, die eine Dienstleistung anbieten.» Mit welchem Zahlungsmittel das Geld überwiesen werden soll – ob Twint oder Kreditkarte – kann der Konsument oder die Konsumentin selber wählen.
Mitarbeitende können bewertet werden
In einem weiteren Schritt können direkt über den Web-Link die Mitarbeitenden bewertet werden. Fehr sieht darin nur Vorteile: «Die Betriebe sehen so genau, wo ihre Stärken liegen und in welchen Bereichen sie sich noch verbessern sollten». Der Arbeitgeber sowie die Angestellten erhielten monatlich einen Bericht der Überweisungen. Von welchen Gästen die Mitarbeitenden Trinkgeld erhalten haben und von welchen sie bewertet wurden, erfahren sie nicht.
«Thank U» – was hältst du davon?
Gewerkschaft sieht auch Nachteile
Kritisch sieht der neuen App-Idee die Gewerkschaft Unia gegenüber: «Solche Bewertungen dürfen keine Auswirkungen auf den Lohn haben. Ausserdem führen solche Auswertungen zu Stress und zu einem negativen Betriebsklima», sagt Mediensprecherin Elisabeth Fannin. Zudem würde das Trinkgeld so möglicherweise ungerecht verteilt. «Arbeit, die nicht sichtbar ist, kann auch nicht honoriert werden», führt Fannin weiter aus.
Dazu komme: «Bei den Gästen wird möglicherweise eine Illusion kreiert, dass das Trinkgeld gerecht aufgeteilt wird». Ob dies dann aber wirklich der Fall sei, könne man nicht kontrollieren. Und: «Mitarbeitende müssen dabei auf jeden Fall mitreden können.»
«Thank U» steht noch in den Kinderschuhen. Das Start-up, bestehend aus drei Mitarbeitenden, ist auf der Suche nach Investoren. Ziel sei es, die Plattform 2024 breit auf den Markt zu bringen. Finanzieren wollen sie sich durch eine Nutzungs-Abgabe. Betriebe, welche die Web-Applikation nutzen, bezahlen monatlich einen Franken pro registrierten Mitarbeitenden an Fehr und sein Team.
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