Pestizid-Gefahr wurde von Chemie-Riesen jahrelang verschwiegen

Aktualisiert

Bayer und SyngentaChemie-Unternehmen sollen Pestizid-Studien jahrelang zurückbehalten haben

Pestizide unterliegen strengen wissenschaftlichen Kontrollen, Hersteller müssen potenzielle Gefahren melden. Nun liegt der Verdacht nah, dass Ergebnisse absichtlich zurückgehalten wurden. 

Das Chemie-Unternehmen Syngenta mit Sitz in der Schweiz steht nun im Verdacht, Studienergebnisse über Pestizide nicht veröffentlicht zu haben.
Genauso wie das Chemie- und Pharma-Unternehmen Bayer. 
Die Schädlichkeit der vertriebenen Mittel ist viel grösser als gedacht. 
1 / 4

Das Chemie-Unternehmen Syngenta mit Sitz in der Schweiz steht nun im Verdacht, Studienergebnisse über Pestizide nicht veröffentlicht zu haben.

IMAGO/Geisser

Darum gehts 

  • Offenbar hielten mehrere Chemie-Unternehmen Ergebnisse über die Schädlichkeit ihrer Pflanzenschutzmittel jahrzehntelang zurück.

  • Das ergaben Recherchen eines Investigativ-Kollektivs, zu dem auch der SRF gehört.

  • Die Pestizide können bei Ratten unter anderem zur Verzögerung der Sexualorgane führen. 

Pestizide haben hauptsächlich den Zweck, Schädlinge von Obst und Gemüse fernzuhalten. So weit, so gut – wäre da nicht die Sache mit der Giftigkeit. Denn um die Früchte in unbeschadetem Zustand zu halten, sind oft wahre Chemie-Keulen am Werk, beispielsweise Abamectin, auch bekannt als «Vertimec Gold». Da es sich hier nicht um ein harmloses Pflanzenschutzmittel handelt, gelten einerseits strenge Vorschriften für die Bauern, die es anwenden, andererseits aber auch für die Hersteller selbst, die mögliche Gefahren für die Konsumenten erforschen und melden müssen.

Laut Recherchen von SRF Investigativ und einem internationalen Recherchekollektiv ist aber gerade Letzteres vermehrt nicht passiert: Die Chemie-Unternehmen Bayer und Syngenta hätten Studien, die eine mögliche toxische Wirkung auch für Menschen beweist, zurückgehalten – ob mit Absicht oder aus Schlampigkeit, lässt sich bisher noch nicht sagen. Allerdings sind die betreffenden DNT-Studien mit einem erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Daher ist es eher unwahrscheinlich, dass die Chemie-Unternehmen den Rapport einfach «vergessen» haben. 

Ergebnisse teils über 20 Jahre zurückgehalten

Aufgefallen ist das Ganze durch einen Vergleich, den der Chemiker Axel Mie von der schwedischen Medizin-Universität Karolinska Institutet anstellte: Ihm fiel auf, dass in den USA viel mehr DNT-Studien von den Herstellern eingereicht wurden als in der EU und damit auch in der Schweiz. Ein Viertel aller Studien fehlt hier. Die Studien wurden bereits Anfang der 2000er-Jahre durchgeführt. Die Ergebnisse sind erschreckend: Die Pestizide, darunter auch Abamectin, führen bei Laborratten zu einer veränderten Bewegungsfähigkeit und Gehirngrösse. Abamectin führte ausserdem zu einer verzögerten Entwicklung der Sexualorgane. Diese «Begleiterscheinungen» der insgesamt neun Pestizide sind keine Lappalien.

Eigentlich wären die betreffenden Chemie-Konzerne wie Bayer, Syngenta, IKS und Nissan Chemical Corporation laut geltendem EU-Recht in der Pflicht gewesen, die Ergebnisse bei der Zulassung einzureichen – dies ist allerdings nicht geschehen. Nun wurden die Studien auf Anfrage der Behörden nachgereicht – und der Grenzwert für die Nutzung wurde noch mal ordentlich heruntergesetzt. Bei weiteren wird derzeit die Zulassung geprüft, beispielsweise bei Glyphosat. Aus internen Dokumenten der EU-Kommission geht hervor, dass es sich in dieser Angelegenheit nicht um eine Bagatelle handelt. Man sei ernsthaft besorgt darüber, dass die Ergebnisse zurückgehalten wurden.  

Unternehmen streiten Vorwurf ab

Aufseiten der Chemie-Industrie ist man um keine Ausrede verlegen: So schreibt beispielsweise Syngenta in einer Stellungnahme, dass die besagten Studien die besonderen Anforderungen des US-Rechts erfüllen sollten. Aus juristischer Sicht ist dieses Argument wohl nicht zulässig – denn jede Studie, die neue Erkenntnisse liefere, müsse eingereicht werden. Auch bei Bayer gibt man an, jede Studie eingereicht zu haben – die betroffenen Studien hätten allerdings keine neuen Ergebnisse geliefert.  

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

Deine Meinung zählt

47 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen