Ärzte in China transplantieren Schweineleber in hirntoten Menschen

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ChinaÄrzte transplantieren Schweineleber in hirntoten Menschen

Vereinzelt wurden Menschen Herzen und Nieren von Schweinen eingesetzt. Nun berichten Ärzte über die Transplantation einer Schweineleber.

«Es ist ein grosser Schritt für die Transplantationsmedizin», kommentiert ein Arzt die Transplantation einer Schweineleber in einen Menschen. (Archivbild)

«Es ist ein grosser Schritt für die Transplantationsmedizin», kommentiert ein Arzt die Transplantation einer Schweineleber in einen Menschen. (Archivbild)

AFP/Christophe Archambault

Darum gehts

  • Erstmals ist es chinesischen Ärzten gelungen, eine Schweineleber in einen hirntoten Menschen einzusetzen.

  • Das Organ hat kurz nach dem Eingriff bereits Galle produziert.

  • Die Leber hat bis zum Versuchsende nach zehn Tagen funktioniert.

Chinesische Ärzte haben weltweit erstmals eine Schweineleber in einen hirntoten Menschen eingesetzt. Das Organ habe bereits kurz nach dem Eingriff unter anderem Galle produziert, schreibt das Team in seinem Abschlussbericht zur Transplantation im Fachjournal «Nature». Die Leber habe bis zum Versuchsende nach zehn Tagen funktioniert. Das Erbgut des Spenderschweins war an sechs Stellen verändert worden, um Abstossungsreaktionen zu vermeiden.

«Es ist eine Weltpremiere und ein grosser Schritt für die Transplantationsmedizin», kommentierte der Chirurg Bruno Reichart, der an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München an Xenotransplantation forscht und nicht an dem Eingriff beteiligt war. «Die Leber ist ein sehr kompliziertes Organ. Die von der Leber produzierten Eiweisse sind sehr spezifisch für Menschen.»

Schweineherzen und -nieren waren in Versuchen bereits in Menschen transplantiert worden. Bis zu einem regulären Einsatz dieser sogenannten Xenotransplantation sind jedoch noch einige Hürden zu überwinden.

Der Versuch mit der Leber wurde gemäss den Wünschen der Familie des Hirntoten nach zehn Tagen beendet, wie die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua kurz nach der Transplantation im Jahr 2024 schrieb. Bei einem Hirntoten ist das Gehirn unwiderruflich ausgefallen. Der Kreislauf kann jedoch durch künstliche Beatmung und Medikamente noch eine Zeit lang aufrechterhalten werden.

Transplantat soll kurzfristigen Leberausfall überbrücken

«Wir haben beobachtet, dass die Leber im menschlichen Körper gut funktionierte», sagte laut Xinhua damals einer der drei leitenden Mediziner, Hai-Long Don von der Fourth Military Medical University in Xi’an. Spätere Gewebeschnitte zeigten der Studie zufolge keine Anzeichen für eine Abstossung der Leber. Allerdings gaben die Ärzte Medikamente, um diese zu unterdrücken. Angesichts des Mangels an Organspendern sollen Schweine in der Zukunft einmal als Organspender dienen, da ihr Stoffwechsel dem von Menschen ähnelt.

Das chinesische Team hatte bei dem Versuch die Leber des Hirntoten im Körper belassen. «Eine unterstützende Lebertransplantation ist eine ideale Überbrückungstherapie für Patienten mit Leberversagen», schreibt es. Die Schweineleber könne relativ einfach wieder entfernt werden, sobald die Funktion der ursprünglichen Leber wiederhergestellt oder ein menschliches Spenderorgan verfügbar sei.

«Bei akutem Leberversagen – etwa durch Vergiftungen – könnte eine Überbrückung von zwei Wochen schon helfen, weil die Leber sich dann erholen kann», sagte der Tiermediziner Eckhard Wolf, ebenfalls von der LMU.

Bereits mehrere Herzen und Nieren von Schweinen transplantiert

Bislang sind weltweit zwei Transplantationen von Schweineherzen in lebende Menschen bekanntgeworden, beide an der Uniklinik in Baltimore (USA). Die Patienten starben einige Wochen nach der Operation.

Zudem hätten in den USA vier Patienten Schweinenieren bekommen, sagte Wolf – mit unterschiedlichem Erfolg. Dutzende weitere Nierentransplantationen seien dort geplant. Wolf und sein Team haben bereits Schweine aus Neuseeland zur Herztransplantation genetisch verändert und gezüchtet. Sie wollen 2027 damit starten.

Forscher vermutet bald mehrere Hundert Transplantationen pro Jahr

Sowohl Wolf als auch die Forscher in China nutzen besonders kleine Schweinerassen. Bei herkömmlichen Schweinen wachsen die Organe laut Wolf im Menschen weiter und werden zu gross.

Er glaube, dass es bereits 2030 möglich sein werde, Hunderte Schweineorgane pro Jahr zu transplantierten, sagt Wolf. Schweine seien leicht zu züchten, es komme aber darauf an, wie die kommenden Versuche verlaufen.

Die Transplantation der Schweineleber in China lasse hingegen noch keine Schlüsse auf einen routinemässigen Einsatz dieses Organs zu. «Versuche an Hirntoten haben dennoch eine hohe Relevanz», sagt Wolf. Sie könnten Erkenntnisse liefern, die in Tierversuchen nicht gewonnen werden könnten.

«Zukünftige Studien müssen zwischen einer Überbrückungstherapie und einer langfristigen Xenotransplantation unterscheiden», schreibt das chinesische Team. Die Schweineleber habe in der Studie zwar Galle und Schweinealbumin hergestellt, es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die produzierten Mengen langfristig für einen Menschen ausreichen. Diese Form der Transplantation, so die Autoren, könnte eines Tages eher als Überbrückungstherapie bei vorübergehendem Leberversagen geeignet sein. (chk)

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