Chinas ImportverbotWird Fukushima für Japans Fischbestände zum späten Segen?
Weil Japan das aufbereitete radioaktive Wasser aus dem zerstörten AKW Fukushima ins Meer leitet, hat China den Import von japanischem Fisch eingestellt. Ob das Folgen für die Fischbestände hat, ist unklar.
Darum gehts
Chinas Importe von japanischem Fisch sind nach einem Importverbot im August im Vergleich zum Vorjahr drastisch eingebrochen.
Grund dafür ist der Beginn des Ablassens radioaktiven Wassers aus der Atomruine Fukushima.
Dass die Fische in den japanischen Gewässern von dem Importverbot profitieren, ist mehr als fraglich.
Am 24. August 2023 hat Japan mit der Einleitung von gefiltertem und verdünntem Kühlwasser aus der Atomruine Fukushima ins Meer begonnen. Bis zum 11. September waren laut Mitteilung des AKW-Betreibers Tepco bereits die ersten 7800 Tonnen Wasser in den Pazifik abgelassen. Das entspreche zehn Tanks. Insgesamt warten derzeit mehr als 1100 auf Leerung.
Das Ablassen des strahlenden Kühlwassers ist umstritten. Während etwa die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) kein Risiko sieht, äusserte unter anderem China Bedenken hinsichtlich des «Risikos einer radioaktiven Kontamination» und verbot den Import von Fischen und Meeresfrüchten aus Japan (siehe Box).
Begründung nur vorgeschoben?
Das ist wahrscheinlich. Das Verbot «scheint Teil der Rivalität zwischen China und Japan zu sein, die angesichts der engen Bündnisbeziehungen Tokios mit Washington natürlich mit der Konkurrenz zwischen China und den USA verbunden ist», sagte Chong Ja Ian von der National University of Singapore zur Nachrichtenagentur Reuters. Ein weiterer Faktor könnte die Förderung der eigenen Wirtschaft Chinas sein, so Fabienne McLellan von Ocean Care. Dafür spreche, dass China weiterhin in Japans exklusiver Wirtschaftszone (EEZ) fische.
Hinzu kommt, dass nicht nur in Fukushima radioaktives Kühlwasser abgelassen wird. Geschehen ist das auch schon in der französischen Aufbereitungsanlage La Hague und in Südkorea. Auch China selbst geht so vor. Dort pumpten im Jahr 2021 gleich 13 Atomkraftwerke mehr Tritium in die umliegenden Gewässer als jetzt die Japaner, ohne dass die Regierung etwas dagegen unternommen hätte, berichtet Nzz.ch (Bezahlartikel).
Setzt China das Importverbot um?
Ja. Die Importe aus China gingen im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um 67 Prozent auf etwa drei Milliarden Yen (rund 18,5 Millionen Franken) zurück. Das zeigen Daten des chinesischen Zolls, berichtet der japanische Sender NHK. Auch Hongkong setzt den Import von japanischem Fisch aus.
Was bedeutet das für Japan?
In wirtschaftlicher Hinsicht nicht viel. Zwar waren China und Hongkong im vergangenen Jahr mit Importen im Wert von 87,1 Milliarden Yen (China) und 75,5 Milliarden Yen (Hongkong) die grössten Abnehmer von japanischem Fisch und Meeresfrüchten. Aber laut Analysten sind die Auswirkungen des Verbots minimal. Der Export von Nahrungsmitteln aus dem Meer nach China und Hongkong habe im vergangenen Jahr lediglich 0,17 Prozent der Gesamtexporte Japans ausgemacht, so Takahide Kiuchi, Ökonom am japanischen Nomura Research Institute, zur Nachrichtenagentur Reuters. Die Gesamtexporte beliefen sich auf fast 100 Billionen Yen (rund 615 Milliarden Franken). Den grössten Anteil daran hätten Autos und Maschinen.
Was bedeutet das Importverbot für die Fischbestände Japans: Können sie sich erholen?
Eine Erholung der Fischbestände wäre wichtig, denn «die meisten Fischbestände um Japan herum sind nach langer Überfischung zu klein», so der Meeresbiologe Rainer Froese vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zu 20 Minuten. «Eine vollständige Erholung würde je nach aktueller Bestandsgrösse zwei bis sechs Jahre dauern», so Froese.
Es ist allerdings unklar, ob das Importverbot Folgen für die japanischen Fischbestände haben wird. Denn nur weil es ein Embargo aus China gibt, fahren die japanischen Fischerinnen und Fischer ihre Fangaktivitäten nicht zurück. Schliesslich ist China nicht der einzige Abnehmer von japanischem Fisch (siehe Bildstrecke). Der Fischereianalyst Momoo Odaira geht laut Reuters davon aus, dass die «Produkte, die nach China exportiert wurden, nun im Inland oder in andere Länder wie Thailand, Vietnam und Singapur verkauft werden».
Zudem wird auch in Japan selbst viel Fisch konsumiert. 2021 lag der japanische Fischkonsum laut Statista.de pro Kopf bei 23,2 Kilogramm. Bei einer Bevölkerungsgrösse von 125,7 Millionen im selben Jahr ist die Menge, die im Land bleibt, beachtlich.
Wie ist die Situation in japanischen Fischereibetrieben?
Auch Fabienne McLellan von der internationalen Meeresschutzorganisation Ocean Care sieht bislang keine Hinweise darauf, dass die Fangaktivitäten zurückgeschraubt worden wären. Vielmehr stapelten sich bereits erste Produkte: «Allein im Zusammenhang mit dem chinesischen Einfuhrverbot gibt es bereits Berichte über Jakobsmuscheln und andere Wirbellose, die sich in den Kühltruhen der Verarbeitungsbetriebe auf der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido stapeln, von wo 64 Prozent der Meeresfrüchteexporte nach China gingen.» Wie es weitergeht, sei offen: «Das lässt sich nur schwer abschätzen.»
McLellan verweist darauf, dass die Europäische Union, aber auch Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein zuletzt die Einfuhrverbote für japanische Meeresfrüchte aufgehoben haben. «Das könnte die geringere Nachfrage aus China und Hongkong etwas ausgleichen.» Die Fischbestände würden von Chinas und Hongkongs Importverbot also nicht oder zumindest kaum profitieren. Dafür bräuchte es Massnahmen: «Das Beste, was den japanischen Fischen und anderen Meerestieren passieren könnte, wäre eine Reduzierung des Gesamtfischereiaufwands, die Einrichtung und Durchsetzung grosser Meeresschutzgebiete und die Einführung weniger destruktiver Fischereipraktiken.»
Japan hat indes Ende August erklärt, den Fischfang von den Rekordtiefstständen im letzten Jahr auf 4,4 Millionen Tonnen im Jahr 2030 zu steigern.
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