Pläne des Bundesrats - «Corona-Zertifikat ist diskriminierend und komplett unnötig»

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Pläne des Bundesrats«Corona-Zertifikat ist diskriminierend und komplett unnötig»

Wer ein Corona-Zertifikat hat, soll im Sommer viele Freiheiten geniessen. Die junge SVP tobt, andere Jungparteien begrüssen die Stossrichtung – üben aber ebenfalls Kritik.

Mit dem Covid-Zertifikat soll es bald wieder in den Club gehen. Das hat der Bundesrat am Mittwoch verkündet.
Vorgesehen ist, dass die ersten Zertifikate ab dem 7. Juni 2021 schrittweise ausgestellt werden und spätestens Ende Juni der Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Die Freude bei den Jungen, endlich wieder eine Perspektive zu haben für Konzertbesuche, Grossveranstaltungen und Partynächte, ist dementsprechend gross. «Dass die Clubs bald wieder öffnen können, gibt uns ein Stück Freiheit zurück», sagt etwa Adelisa Hafizovic.
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Mit dem Covid-Zertifikat soll es bald wieder in den Club gehen. Das hat der Bundesrat am Mittwoch verkündet.

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Darum gehts

  • Mit dem Covid-Zertifikat sollen bald wieder Clubbesuche oder Festivals möglich sein. Der Bundesrat hat am Mittwoch seine Pläne vorgestellt.

  • Gerade für Junge soll das Corona-Zertifikat Erleichterung bringen – die Meinungen der Jungparteien gehen allerdings weit auseinander.

  • Viele Jungparteien sind mit der Stossrichtung des Zertifikats zufrieden, äussern aber Kritik an der Umsetzbarkeit oder dem Zeitplan.

  • Gar nicht einverstanden ist die Junge SVP.

Der Bundesrat hat am Mittwoch Pläne präsentiert, wo das Covid-Zertifikat künftig zur Anwendung kommen soll. Für Grossveranstaltungen und das Reisen wird das Zertifikat wohl unerlässlich sein, beim Restaurantbesuch hingegen soll es nicht vorgewiesen werden müssen. Wo genau das Zertifikat zum Einsatz kommen soll, hat der Bundesrat anhand eines Modells mit drei Farben festgelegt (siehe unten).

Die Freude bei den Jungen, endlich wieder eine Perspektive zu haben für Konzertbesuche, Grossveranstaltungen und Partynächte, ist gross: «Dass die Clubs bald wieder öffnen können, gibt uns ein Stück Freiheit zurück», sagt Adelisa Hafizovic. «Was soll schon passieren, wenn wir geimpft sind? Die Geimpften sollen ihr Leben leben!»

Israelis schwärmen vom «Green Pass»

Dass ein Zertifikat viele Freiheiten zurückbringen und für Erleichterung sorgen kann, wissen Liora und Gil gut. Sie leben als Schweizerisch-Israelische Doppelbürger in Israel und sind derzeit zu Besuch in der Schweiz. In Israel wurde der sogenannte «Green Pass» bereits im Februar eingeführt. «Wir sind geimpft, der Alltag in Israel ist, zumindest was Corona betrifft, wieder so gut wie normal, wir können ins Kino und ins Restaurant», sagt Liora.

Gil ist überzeugt: «Auch bei den internationalen Reisen wird es bald vorwärts gehen. Sobald die EU ein entsprechendes Zertifikat vorlegt, wird die Schweiz schnell nachziehen. Dann wird hoffentlich auch die internationale Bewegungsfreiheit nicht mehr eingeschränkt sein.»

«Es wird eine Zweiklassengesellschaft eingeführt»

Die Jungparteien nehmen die Neuigkeiten zum Covid-Zertifikat mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis. Überhaupt kein Verständnis für die Pläne des Bundesrats hat David Trachsel, Präsident der Jungen SVP: «Alle staatlich verordneten Massnahmen sind sofort aufzuheben. Die Risikopersonen, die sich impfen wollten, konnten dies tun oder tun es demnächst», sagt er.

Jetzt sei es an der Zeit für Eigenverantwortung. «Dass jetzt via Corona-Zertifikat auf der Zielgeraden noch die Zweiklassengesellschaft eingeführt wird und besonders Junge dadurch nochmals so richtig abgestraft werden, ist aufs Schärfste zu verurteilen. Das Corona-Zertifikat ist diskriminierend und komplett unnötig.»

«Junge haben wieder Perspektiven bekommen»

Anders sieht das Sarah Bünter, Präsidentin der Jungen Mitte: «Die Pläne des Bundesrats entsprechen exakt unseren Forderungen. Uns war wichtig, dass die Jungen, die sich jetzt seit über einem Jahr solidarisch gezeigt und viele Entbehrungen auf sich genommen haben, möglichst bald wieder Perspektiven bekommen. Und dass es keine Diskriminierung der Menschen gibt, die sich noch nicht haben impfen lassen können.» Diese Forderungen würden mit den Plänen des Bundesrats erfüllt.

Auch Julia Küng, Co-Präsidentin der Junge Grüne Schweiz, begrüsst den Weg des Bundesrats. Zentral ist für sie, dass nicht nur Geimpfte, sondern auch Getestete und Genesene Zugang zu Clubs oder Bars bekommen. Kritik übt sie an der langsamen Umsetzung: «Das Covid-Zertifikat müsste längst technisch ready sein, der Bundesrat hatte genug Zeit, das vorzubereiten». Das sei ein Versäumnis seitens der Regierung. «Wichtig ist jetzt, dass das Zertifikat möglichst einfach zu handhaben ist, sodass vor Clubs nicht ewig angestanden werden muss», sagt Küng.

«Das klingt auf dem Papier schön und gut»

Zweifel an der Umsetzbarkeit hat Juso-Präsidentin Ronja Jansen: «Dass Geimpfte, Genesene und Getestete gleich behandelt werden sollen, klingt auf dem Papier ja schön und gut. In der Realität sehe ich da aber nach wie vor grosse Schwierigkeiten.» Das Problem sei, dass die Verfügbarkeit von anerkannten Tests nach wie vor von Region zu Region sehr unterschiedlich sei. «Es muss auch in Randregionen möglich sein, um 16 Uhr den Entscheid zu fällen, um 20 Uhr ein Konzert zu besuchen. Die Testkapazitäten und der Zugang zu den Tests müssen deshalb noch massiv ausgebaut werden», sagt Jansen.

Für Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen, ist zentral, dass das Covid-Zertifikat so schnell wie möglich wieder abgeschafft wird: «Als Übergangslösung ist das für den Besuch eines Konzerts oder den Eintritt in einen Club akzeptabel. Doch sobald wir in die Phase drei des Stufenplans des Bundesrats übergehen, gibt es keine Rechtfertigung mehr für Privilegien aufgrund des Zertifikats. Dann müssen alle Beschränkungen fallen.»

Rot, Orange, Grün: Hier braucht es das Zertifikat

Der Bundesrat hat für die Nutzung des Covid-Zertifikats drei Bereiche festgelegt:

Grüner Bereich: Der erste, grüne Bereich umfasst Orte des alltäglichen Lebens und Kontakte mit Behörden. Hier ist das Zertifikat explizit ausgeschlossen.

Oranger Bereich: Der orange Bereich umfasst Orte, die nicht ganz alltäglich sind, aber von sehr vielen Menschen aufgesucht werden. Beispiele sind Bars und Restaurants, Veranstaltungen, Freizeit-, Sport- und Unterhaltungsbetriebe, Sport- und Kulturvereine oder der Besuch von Spitälern und Heimen. Hier ist der Einsatz nicht vorgesehen. Sollte sich die Lage aber wieder verschlechtern, können Schliessungen verhindert werden, indem der Zugang auf Personen mit Zertifikat beschränkt wird.

Roter Bereich: Der dritte rote Bereich umfasst den internationalen Personenverkehr und Orte, die aus epidemiologischer Sicht heikel sind, wie Grossveranstaltungen oder Diskotheken. Hier ist das Zertifikat teil der Öffnungsstrategie. Der Einsatz soll auch hier zeitlich beschränkt werden.

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Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

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Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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