UrteilsbegründungDarum wollen die Richter Vincenz für Jahre hinter Gitter bringen
Die schriftliche Urteilsbegründung im Mammutprozess um Pierin Vincenz und Beat Stocker liegt vor. Hier erfährst du die wichtigsten Punkte daraus.
Darum gehts
Beat Stocker und Pierin Vincenz wurden im März 2022 zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Die Begründung durch das Gericht liegt dazu nun vor.
Hauptpunkte sind dabei die grossen verdeckten Beteiligungen, mit denen sich Stocker und Vincenz bereicherten, sowie das Spesengebaren von Vincenz.
Am 13. März 2022 fiel das Urteil im Mammutprozess: Pierin Vincenz und sein ehemaliger Kompagnon Beat Stocker müssen wegen Betrug, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten ins Gefängnis, wie das Bezirksgericht Zürich an jenem Mittwochmorgen verkündete. Die Strafen fielen härter aus als erwartet: Vincenz muss für drei Jahre und neun Monate ins Gefängnis, Stocker gar für vier Jahre.
Jetzt erst liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor. Folgend die zentralen Faktoren, die zu den Strafen von Vincenz und Stocker geführt haben.
Verdeckte Beteiligungen und unrechtmässige Spesen
Pierin Vincenz hat hohe Spesenebeträge für private Ausgaben bezogen. Dazu zählen unter anderem Besuche in luxuriösen Restaurants, Flüge sowie Ausgaben im Rotlichtmilieu. Von den zwei grossen Faktoren ist dieser der strafrechtlich weniger schwerwiegende, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Schlimmer sind da die Vorwürfe versteckter Firmenbeteiligungen, für welche sowohl Vincenz als auch Stocker verantwortlich sind. Gemäss Gerichtsurteil beteiligten sich die beiden Verurteilten an mehreren Firmen, die dann für deutlich mehr Geld von Aduno und Raiffeisen übernommen worden sind. Deshalb treten Aduno (als Viseca) und Raiffeisen auch als Privatkläger im Verfahren auf. Die Firmen, an denen sich Stocker und Vincenz versteckt beteiligt haben sollen, sind Eurokaution, Genève Credit & Leasing, die Beteiligungsgesellschaft Investnet sowie die Kreditkartenfirma Commtrain.
Finanzielle Motive
Die Motivation Pierin Vincenz’ war gemäss schriftlicher Begründung klar das Geld, die Rede ist von «rein finanziellen Motiven». Doch Stocker, dem eine leicht höhere Strafe droht, war nach Ansicht des Gerichts «für die strategische Planung der Delikte und deren Ausführung zuständig». Vincenz sei demnach vor allem dann tätig geworden, wenn dies nötig war, und habe sich sonst eher im Hintergrund gehalten, berichtet der «Tages-Anzeiger».
Etwas anders verhält sich dies bei der Beteiligungsgesellschaft Investnet: Hier nahm Vincenz laut Gericht eine aktivere Rolle ein. Die Investnet wurde ab 2012 nach und nach von Raiffeisen übernommen. Weil die Beteiligung von Beat Stocker aufflog, war Vincenz quasi gezwungen, in den weiteren Verhandlungen als «eigentlicher Motor» zu wirken. 2,9 Millionen Franken erhielt Vincenz laut Gericht für die Investnet-Transaktion – der Schaden, der Raiffeisen dadurch entstand, wird auf etwa zwölf Millionen Franken beziffert.
Was hältst du vom Urteil gegen Pierin Vincenz?
Das Gericht betont dabei, es sei den beiden Hauptbeteiligten «relativ einfach gemacht worden, einen Teil der (…) Gelder in ihren Einflussbereich zu lenken». Dies, weil die Raiffeisen über mangelhafte Compliance-Strukturen verfügte. Die «charismatische Persönlichkeit» von Pierin Vincenz könne kein Grund sein, auf eine professionelle Corporate Governance zu verzichten.
Vermischung von Privatem und Geschäftlichem
Wenig verständnisvoll äussert sich das Gericht über die Art und Weise, wie Vincenz in der Spesenabrechnung vorgegangen war. «Der Beschuldigte bewirkte mit seinen nahezu grenzenlosen Ausgaben im Rahmen der Reise nach Marrakesch sowie in insbesondere in zahlreichen Cabarets in der gesamten Schweiz (…) einen ansehnlichen Deliktsbetrag von insgesamt rund 120’000 Franken», so das Urteil. Vincenz erklärt , «der Begriff ‹Nachtessen› sei für den Abend und der Begriff ‹Übernachtung› sei für das Hotel gewesen».
Hier nahm es der ehemalige Bankmanager nicht gerade genau. Er verrechnete ein «Nachtessen», räumte dann aber ein, «das eigentliche Essen nicht im King’s Club eingenommen zu haben, auch wenn auf einer der vorgehaltenen Abrechnung ‹Nachtessen› vermerkt sei». Darauf, dass der Besuch eines Striplokals für einen Grossbank-CEO rufschädigend sein könnte, reagierte Vincenz beschwichtigend.
«Bin da vielleicht nicht so prüde»
Er «sei da vielleicht nicht so prüde und störe sich nicht an irgendwelchen Aktivitäten, die in einer solchen Bar auch noch stattfänden». Als «reine Theorie» wies das Gericht die Behauptungen Vincenz’ zurück, bei den Besuchen sei es um die Anwerbung von Geschäftspartnern gegangen. Das Gericht entschied auf eine bedingte Geldstrafe von 840’000 als Strafe für Vincenz’ lockere Auslegung der Spesenregeln.
Weil die meisten Parteien angekündigt haben, gegen das Urteil in Berufung zu gehen, muss sich das Zürcher Obergericht als nächstes um den komplizierten Fall kümmern. Somit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
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