Benzin, Autos, Computer – So blockiert der Stau im Suezkanal den Welthandel 

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200 Frachter stehen in der SchlangeBenzin, Autos, Computer – So blockiert der Stau im Suezkanal den Welthandel

Jeden Tag passieren Waren im Wert von 10 Milliarden Dollar den Suezkanal, jetzt läuft nichts mehr. Die Folgen sind unüberschaubar. Allein die Bergung des verunglückten Schiffs könnte über zwei Milliarden kosten.

Havarie im Suezkanal: Ägyptische Schlepper versuchen, den Frachter zu befreien.

Darum gehts

  • Der Suezkanal steht wegen eines Schiffsunglücks seit Dienstag still.

  • Mittlerweile stauen sich 200 Schiffe rund um den Kanal.

  • Nun drohen Lieferengpässe für die Auto- und Computerindustrie.


Nichts geht mehr im Suezkanal, seit ein querliegender Mega-Frachter auf Grund lief und stecken blieb. Das 400 Meter lange Schiff blockiert seit Dienstag die wichtigste Transportverbindung zwischen Asien und Europa. Experten befürchten enorme Auswirkungen auf den weltweiten Warenverkehr.

Muss ich nun an der Tankstelle bald mehr fürs Benzin bezahlen, weil Öl-Frachter feststecken? Wo droht jetzt ein Engpass? 20 Minuten erklärt die Folgen der Mega-Havarie.

Welche Folgen verursacht die Havarie?

Jeden Tag passieren mehr als 50 Schiffe den Kanal. Nun stecken etwa 200 davon im Verkehrschaos, wie der Reeder Maersk auf Anfrage schreibt. Marsk selbst sei mit neun Containerschiffen und zwei Partnerschiffen betroffen. Das Marine-Fach-Portal «Lloyd's List» schätzt, dass durch die Blockade etwa zehn Milliarden Dollar an täglichem Schiffsverkehr zum Erliegen kommen.

Wann wird der Stau behoben?

Die Wiederflottmachungsarbeiten am 220’000-Tonnen-Frachter laufen mit mehreren Schlepperbooten auf Hochtouren. Das Schiff kann aber aufgrund seines Gewichts nicht einfach frei gezogen werden, wie der Chef der an der Rettungsaktion beteiligten Bergungsfirma Boskalis im niederländischen TV sagte. Allerdings kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu solchen Vorfällen, die nie länger als ein paar Tage dauerten, wie Julius-Bär-Rohstoffanalyst Norbert Rücker zu 20 Minuten sagt.

Wie hoch ist der wirtschaftliche Schaden?

Das hängt von den transportierten Produkten auf den Containerschiffen ab, wie Michele Acciaro von der Kühne Logistics University zu 20 Minuten sagt. Manche Hersteller könnten bei zeitkritischen Lieferketten sehr hohe Verluste haben. Allgemein seien globale Lieferketten aber sehr widerstandsfähig. So sagt auch Rohstoffanalyst Rücker, dass vergleichbare Vorfälle nicht zu hohen benennbaren Kosten geführt hätten.

Was kostet die Bergung?

Die Kosten bei einem verunglückten Container-Schiff belaufen sich laut Berechnungen der Allianz-Versicherung im Schnitt auf über zwei Milliarden Dollar. Darin eingerechnet sind ausser der Wrackbeseitigung etwa auch die Kosten für Rechtsstreitigkeiten sowie die Haftung für die Ladung und für die Ölverschmutzung.

Muss ich nun mehr fürs Benzin zahlen?

Im Stau stecken auch Öldampfer. Der Kanal ist eine wichtige Route für den Öl- und Flüssiggas-Transport aus dem Nahen Osten nach Europa. Der Preis fürs Mineralöl stieg in Folge der Havarie um ein paar Prozent. Doch dafür verantwortlich waren Spekulanten, wie Andreas Vorburger von den Ruedi-Rüssel-Tankstellen zu 20 Minuten sagt. Der Preis werde sich schnell wieder korrigieren. Auf den Benzinpreis an der Tanke wird das Schiffsunglück keinen Einfluss haben, wie mehrere Tankstellen-Betreiber auf Anfrage versichern – unter der Voraussetzung, dass die Blockade in den nächsten Tagen behoben werden kann.

Drohen nun Liefer-Engpässe?

Nicht beim Benzin. «Die Schiffe fahren einen Umweg über das Kap der guten Hoffnung und verspäten sich damit um zehn Tage», sagt Julius-Bär-Rohstoffexperte Rücker. «Aber weil es genügend Alternativen und Lagerbestände gibt, führt ein solcher kurzfristiger Unterbruch nicht zu Benzin-Engpässen», so Rücker.

Was ist mit anderen Branchen?

«Der Stau kommt zu einem besonders schlechten Zeitpunkt für die weltweiten Lieferketten», sagt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei Allianz Global Corporate & Specialty. Für Technologie- und Automobilunternehmen bestehe das Potenzial für verzögerte Lieferungen. Diese litten bereits unter einer weltweiten Chip-Knappheit aufgrund eines Brands in einer japanischen Fabrik. Zudem mussten die Autofirmen nach einem Kälteeinbruch in Texas Anfang Februar Werke schliessen.

Sollten die Frachter den Stau umfahren?

Die Schiffe im Stau könnten als Alternative zum Suezkanal das Kap der guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas umrunden. Das würde den Transportweg aber um zehn bis 15 Tage verlängern, wie Rahul Khanna von der Allianz-Versicherung sagt. Zwar spare das Schiff dadurch die hohen Suezkanal-Gebühren, verbrauche aber wesentlich mehr Treibstoff. Deshalb rät er nur zum Umweg, wenn sich eine längerfristige Blockade abzeichnet. Kleineren Schiffen könne zudem das raue Wetter am Kap zu schaffen machen.

Zum Suezkanal

Der 1869 eröffnete Suezkanal dient vor allem der Erleichterung der Handelsverbindungen zwischen Asien und Europa. Die Strecke von Singapur nach Rotterdam verringert sich durch den Kanal um 6000 Kilometer gegenüber der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Ägypten erzielte aus den Durchfahrtsrechten durch den Suez-Kanal im vergangenen Jahr einen Erlös von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro. (AFP)

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