Dating-Apps«Desaströs»: Tinder und Co. werden mit KI-Bildern geflutet
Auf Dating-Apps tauchen immer mehr KI-generierte Bilder auf. Auf Social Media sorgt das neue Phänomen für Empörung. Ein Experte nimmt die App-Betreiber in die Pflicht.
Darum gehts
Wer Dating-Apps benutzt, hat sie wahrscheinlich schon gesehen: Profilbilder, die mit künstlicher Intelligenz (KI) generiert wurden.
Anbieter von KI-Services versprechen eine Steigerung der Matches.
Der neue Trend sorgt auf Social Media für Empörung.
Experten äussern Bedenken über die Verwendung von KI-Bildern: «Sobald man sich trifft, ist die Enttäuschung vorprogrammiert.»
Das ist das Phänomen
Auf Dating-Apps will sich jeder und jede von der besten Seite zeigen. Filter und Bildbearbeitungstools sind bei vielen bereits Standard. Neu verwenden auf Tinder, Hinge und Co. aber auch immer mehr Personen KI-generierte Bilder. Eine New Yorker Tiktokerin ist entsetzt: «Ich habe mehrere Männer auf Dating-Apps gesehen, die ein KI-generiertes Foto als ihr erstes Bild auf ihrem Profil haben.» Das Video hat einen Nerv getroffen. Es wurde über eine Million Mal aufgerufen und über 1700 Mal kommentiert – vor allem von Frauen.
«In welcher Staffel von ‹Black Mirror› befinden wir uns?» Tiktokerin ist über KI-generierte Bilder auf Dating-Apps schockiert.
TiktokUserinnen aus der ganzen Welt schreiben, dass sie schon solche Bilder auf Dating-Apps angetroffen haben. «Die KI-Bilder sind so gruselig. Warum haben die Männer das Gefühl, dass wir das nicht merken?», schreibt jemand. Eine andere Nutzerin merkt an: «Ich verstehe nicht, was der langfristige Plan für das Hochladen von KI-Bildern ist. Was passiert, wenn man sich trifft?»
Das versprechen die KI-Services
Anders sehen das die Anbieter: Bei einer kurzen Google-Suche stösst man gleich auf mehrere Websites, die explizit KI-Bilder für Dating-Apps anpreisen. Alle versprechen mit den Bildern eine Steigerung der Matches. «Bei KI-generierten Bildern geht es nicht nur darum, gut auszusehen – es geht darum, die bestmögliche Version von dir in deinen Tinder-Bildern zu präsentieren», heisst es auf einer Seite. Zudem spare man Zeit und Geld, weil man nicht «stundenlang Selfies machen» und keinen professionellen Fotografen anheuern müsse.
Das sagen die App-Betreiber
In den Richtlinien von Tinder findet man nichts bezüglich der Nutzung von KI-Bildern. Zum Thema Authentizität schreibt die Plattform jedoch auf Anfrage von 20 Minuten, dass in die App zahlreiche Funktionen integriert seien, die den Nutzenden dabei helfen sollen, authentische Beziehungen aufzubauen. Dazu gehöre die Video-Selfie-Verifizierung, bei der die Userinnen und User eine Reihe von Selfie-Video-Posen in Videoform erfüllen müssen. Bei einer erfolgreichen Verifizierung wird das Profil mit einem blauen Haken gekennzeichnet.
Zudem werde derzeit die Funktion «ID Verification» in ausgewählten Ländern eingeführt – nicht so in der Schweiz. Für die Überprüfung der Identität mit «ID Verification» seien ein Video-Selfie und ein gültiger Führerschein oder Reisepass erforderlich. Es werde geprüft, ob das Gesicht auf dem Video-Selfie mit dem Foto auf dem Ausweis und den Profilfotos der Person übereinstimmt. Ebenfalls werde das Geburtsdatum auf dem Ausweis überprüft.
So nutzt Tinder KI
Im letzten Sommer gab Tinder bekannt, dass man ein KI-Tool teste, welches den Nutzerinnen und Nutzern bei der Bilderauswahl helfen soll. Die Software soll alle Bilder scannen und die fünf besten aussuchen. «Ich glaube wirklich, dass KI unseren Nutzern helfen kann, bessere Profile auf effizientere Weise zu erstellen, die ihre Persönlichkeit wirklich zur Geltung bringen», sagte Bernard Kim, der CEO von Match Group, der Tinder angehört, damals gegenüber Investorinnen und Investoren.
Verwendest du Dating-Apps?
Das sagen die Experten
Dass solche KI-Bilder auf Dating-Apps Einzug halten, wundert Psychotherapeut Felix Hof nicht. «Ich finde diese Entwicklung jedoch desaströs.» Für Personen, die auf den Plattformen effektiv nach einer Partnerin oder einem Partner suchen, machen es solche Entwicklungen sehr schwierig, so Hof.
Die Menschen, die solche KI-Bilder hochladen, kann man laut Hof in zwei Gruppen einteilen. «Die einen haben narzisstische Tendenzen. Sie wollen ihre Fantasien, wie beliebt sie sind und wie viele Leute sie erreichen können, belegt haben.» Die andere Gruppe weise hingegen einen tiefen Selbstwert auf. «Sie finden nur schwierig Anschluss und verzeichnen wenige Matches. In KI-Bilder stecken sie Hoffnung, mehr Menschen anzusprechen.» Erfolg soll man sich jedoch laut Hof nicht versprechen: «Sobald man sich trifft, ist die Enttäuschung vorprogrammiert.»
Das bestätigt auch Beziehungsexpertin Martina Rissi. «Mit solchen Aufnahmen täuscht man das Gegenüber. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Beziehung, die mit einer Täuschung startet, erfolgreich ist.» Dennoch glaubt sie, dass KI-Bilder kurzfristig zu mehr Matches führen können. «Diese Softwares wissen, was gut ankommt. Sie kreieren zum Beispiel sehr symmetrische Gesichter, grosse Augen und ein perfektes Hautbild. Das gefällt der breiten Masse.»
Genau deshalb nimmt Felix Hof die Dating-App-Firmen in die Pflicht: «Um Vertrauen zu schaffen, müssten sie Profile mit solchen KI-Bildern erkennen und blockieren.»
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