Kamala Harris: Angriff durch Deepfakes und Herkunftsfragen

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Deepfake und FalschbehauptungenKamala Harris im Visier von Desinformation – drei Beispiele

Die mögliche Kandidatur von Kamala Harris fürs höchste Amt der USA sorgt für eine Flut an Desinformation auf Social Media. Neben Falschbehauptungen sind auch manipulierte Videos aufgetaucht. Ein Überblick.

Kamala Harris: Seitdem die US-Vizepräsidentin im Gespräch für eine Präsidentschaftskandidatur ist, sind in den sozialen Netzwerken zahlreiche Falschbehauptungen aufgetaucht.

Kamala Harris: Seitdem die US-Vizepräsidentin im Gespräch für eine Präsidentschaftskandidatur ist, sind in den sozialen Netzwerken zahlreiche Falschbehauptungen aufgetaucht.

Getty Images

Darum gehts

Kaum zeichnet sich ab, dass Kamala Harris anstelle Joe Bidens für die US-Demokraten in den Präsidentschaftswahlkampf einziehen könnte, tauchen in den sozialen Medien Falschbehauptungen auf, die darauf abzielen, die aktuelle Vizepräsidentin schlecht darzustellen. 20 Minuten stellt drei besonders häufig geteilte vor und ordnet ein.

Video stellt sie als verwirrt dar – es wurde manipuliert

Die Behauptung

«Heute ist heute. Und gestern war gestern. Morgen wird heute Morgen sein. Also lebe heute, damit die Zukunft heute so sein wird wie die Vergangenheit heute, wie sie morgen ist.» Dies soll Kamala Harris in einer Rede mit schleppender Stimme von sich gegeben haben. Ein Video soll dies belegen.

Die Bewertung

Das Video existiert, ist aber nicht echt, sondern ein sogenannter Deepfake (siehe Box). Das Originalvideo ist im vergangenen Jahr bei einer Rede von Harris an der Howard University in Washington über reproduktive Freiheit entstanden.

Was sind Deepfakes?

Als Deepfakes werden realistisch wirkende Medieninhalte bezeichnet, die mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) abgeändert, verfälscht oder erzeugt worden sind. Und dies in einer Qualität, die laut Antonio Krüger, CEO des Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz, «nicht ohne Weiteres oder gar nicht als Fake, also als Fälschung zu erkennen sind.» Der Begriff setzt sich aus den Begriffen «Deep» (Hinweis auf «Deep Learning», einer KI-Technik mit zugrunde liegenden künstlichen neuronalen Netzen) und «Fake» für Fälschung zusammen.

Der Event wurde auf Facebook live gestreamt. Das Video davon ist noch immer online (hier). Die darin zu hörenden Aussagen sind identisch mit jenen im vom Weissen Haus online gestellten Transkript der Rede (hier). An keiner Stelle tätigt Harris die nun verbreiteten Aussagen. Sie wurden ihr digital in den Mund gelegt.

Links das Originalvideo, rechts der Deepfake: Der direkte Vergleich des beiden Versionen zeigt, dass es sich bei dem derzeit auf Social Media verbreiteten Clip um manipuliertes Material handelt. Er bestätigt auch den Befund der Faktencheckseite Fullfact.org, wonach die Tonspur des Videos ersetzt und die Mundbewegungen Harris' bearbeitet wurden, damit sie synchron zu der nachträglich hinzugefügten Tonspur passen. Weiter wird deutlich, dass die Stimme im Deepfake-Clip nicht die der US-Vizepräsidentin ist.

20min/fut

Erstmals gepostet wurde das Deepfake-Video laut der Nachrichtenagentur AP Ende April 2023: «von einem Account [...], der häufig Aufnahmen von Politikern postet, die für einen komödiantischen Effekt bearbeitet wurden.» Während viele Nutzer ihr Video als Scherz teilten, deuteten andere an, dass es echt sei.

Harris soll nicht kandidieren dürfen? Auch das ist falsch

Die Behauptung

Auch Harris’ Herkunft wird aktuell wieder zum Thema gemacht. So behaupten einige Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer, sie dürfe nicht für das Präsidentenamt kandidieren, weil «keiner ihrer Eltern bei ihrer Geburt ein amerikanischer Staatsbürger war» (hier). Die Falschbehauptung ist nicht neu. Sie tauchte bereits 2020 und 2023 auf und wurde mehrfach widerlegt (zum Beispiel hier, hier und hier). 2020 griff auch der damalige US-Präsident Donald Trump die Behauptung auf: «Ich habe heute gehört, dass sie die Anforderungen nicht erfüllt», erklärte er vor Kameras. Seine Informationen stammten von einem «hoch qualifizierten Anwalt». Trump erklärte weiter, die Infos prüfen zu wollen.

Ob es sich bei dem von Trump erwähnten Anwalt um John Eastman handelt, der die Falschbehauptung aktuell teilt (hier), ist unklar.

John Eastman verbreitet in der Online-Sendung «The absolute truth» Falschinformationen.

John Eastman verbreitet in der Online-Sendung «The absolute truth» Falschinformationen.

Screenshot X.com/bearbeitet von 20 Minuten

Die Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Für das Amt des US-Präsidenten spielt die Herkunft der Eltern keine Rolle. Die amerikanische Verfassung schreibt in Artikel II, Abschnitt 1, Klausel 5 nur drei Anforderungen vor:

  • Anwärter müssen gebürtige US-Bürger sein.

  • Sie müssen mindestens 35 Jahre alt sein.

  • Sie müssen seit mindestens 14 Jahren in den USA leben.

Artikel II, Abschnitt 1, Klause 5 im Original-Wortlaut.

Artikel II, Abschnitt 1, Klause 5 im Original-Wortlaut.

Screenshot constitution.congress.gov

Kamala Harris erfüllt alle drei Kriterien. Sie wurde am 20. Oktober 1964 im Kaiser Foundation Hospital in Oakland (Kalifornien) geboren. Das belegt ihre Geburtsurkunde, die Mercurynews.com einem Artikel (kostenpflichtig) über Harris zur Seite stellte. Der 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten gewährt die Staatsbürgerschaft allen Menschen, die in den Vereinigten Staaten geboren worden sind. Konkret heisst es dort: «Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert wurden und deren Rechtsprechung unterliegen, sind Bürger der Vereinigten Staaten und des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz haben.»

Die Behauptung, Harris dürfte nicht als US-Präsidentin kandidieren, weil ihre Mutter aus Indien und ihr Vater aus Jamaika eingewandert seien, ist falsch.

Wie oft begegnest du auf Social Media Desinformation?

Harris und die Männer – Behauptungen zu Affären sind falsch

Die Behauptung

Seit 2014 ist Kamala Harris mit Douglas Emhoff verheiratet. Zuvor soll sie einigen Social-Media-Posts zufolge jedoch promiskuitiv unterwegs gewesen sein und Affären gehabt haben (zum Beispielhier). Geteilte Clips und Fotos sollen das belegen. Sie zeigen die junge Harris mal mit dem demokratischen US-Politiker Willie Brown, mal mit dem Moderator Montel Williams.

Mit solchen und ähnlichen Posts versuchen einige Social-Media-Userinnen und -User, der US-Vizepräsidentin Affären anzudichten.

Mit solchen und ähnlichen Posts versuchen einige Social-Media-Userinnen und -User, der US-Vizepräsidentin Affären anzudichten.

Screenshot X.com/bearbeitet von 20 Minuten

Es wird behauptet, sie habe in beiden Fällen als Nebenbuhlerin zu einer Partnerin fungiert. Brown soll sie finanziell unterstützt und ihr die politische Karriere überhaupt erst ermöglicht haben. «Deshalb nenne ich sie Kamala Hoerris», beendet ein User seinen Post. Eine Anspielung auf den englischen Slang-Ausdruck «hoe» (abwertende Bezeichnung für eine Prostituierte). Laut AP hat Trump die Anspielung erst kürzlich auf seiner «Truth Social»-Plattform aufgegriffen. Harris sei keine ‹hochtalentierte› Politikerin. «Fragen Sie einfach ihren Mentor, den grossen Willie Brown aus San Francisco.»

Die Bewertung

Harris war sowohl mit Brown als auch mit Williams in einer Beziehung. Ein Geheimnis wurde weder um die eine, noch um die andere Liaison gemacht. Mit ersterem war sie Mitte der 1990er-Jahre liiert. Zu diesem Zeitpunkt war Brown zwar noch verheiratet, allerdings lebte er schon lange von seiner Frau getrennt. Die Trennung soll 1981 erfolgt sein. 2020 schrieb Brown im «San Francisco Chronicle» über die gemeinsame Zeit mit Harris: «Wir waren zusammen. Das ist mehr als 20 Jahre her. Ja, ich mag ihre Karriere beeinflusst haben, indem ich sie in zwei staatliche Kommissionen berufen habe, als ich Sprecher der Versammlung war. Und ich habe sicherlich bei ihrem ersten Rennen um das Amt des Bezirksstaatsanwalts in San Francisco geholfen.» Allerdings habe er auch andere kalifornische Politiker und Politiker unterstützt. Etwa die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die ehemalige Senatorin, Dianne Feinstein, und Gouverneur Gavin Newsom.

Mit Montel Williams war Harris Anfang der 2000er zusammen. Das derzeit verbreitete Bild stammt aus dieser Zeit. Entstanden ist es beim Eighth Annual Race to Erase Multiple Sclerosis am 18. Mai 2001. Es zeigt den Moderator jedoch nicht mit zwei Partnerinnen, wie in den Posts suggeriert wird, sondern zusammen mit Harris und seiner Tochter Ashley, wie er kürzlich in einem mittlerweile gelöschten Post auf X klarstellte: «Wie die meisten von euch wissen, ist das meine Tochter zu meiner Rechten.» Fotos des Events in der Datenbank der Fotoagentur Getty Images bestätigen das.

Getty Images schreibt zu diesem Bild: «Ashley Williams, Montel Williams und Kamala Harris nehmen an der achten jährlichen Benefizveranstaltung Race To Erase Multiple Sclerosis im Century Plaza Hotel in Century City, Kalifornien, am 18. Mai 2001 teil.»

Getty Images schreibt zu diesem Bild: «Ashley Williams, Montel Williams und Kamala Harris nehmen an der achten jährlichen Benefizveranstaltung Race To Erase Multiple Sclerosis im Century Plaza Hotel in Century City, Kalifornien, am 18. Mai 2001 teil.»

Ron Galella Collection via Getty Images

Dass er mit Harris keine Affäre hatte, bestätigte er 2019 selbst auf Twitter: «@KamalaHarris und ich sind vor 20 Jahren kurze Zeit miteinander ausgegangen, als wir beide Single waren.» Im gleichen Post schrieb er: «Ich frage mich, ob die gleichen Geschichten über ihre Dating-Geschichte geschrieben worden wären, wenn sie ein männlicher Kandidat gewesen wäre.» Es war nicht das letzte Mal, das Williams von einer Beziehung sprach:

Der gemeinsame Auftritt von Harris und Williams wird auch dazu genutzt, um ihr eine Verbindung zu P. Diddy nachzusagen (etwa hier). Dem Rapper werden Sexhandel, sexueller Missbrauch und Körperverletzung vorgeworfen. Ein Video zeigt, wie er eine Ex-Freundin verprügelt. Belege dafür, dass Harris und Combs sich kennen, sucht man vergeblich.

Harris wird besonders oft attackiert

Kamala Harris steht besonders häufig im Fokus von Desinformation und Falschbehauptungen. Das zeigte sich bereits bei der vergangenen Wahl. Laut einer im Januar 2021 veröffentlichten Studie, für die mehr als 300’000 Posts auf Social Media gegen 13 Politikerinnen vor den US-Wahlen untersucht worden waren, richteten sich mehr als zwei Drittel der Posts (78 Prozent) gegen die damalige Senatorin und heutige Vizepräsidentin.

Darum steht Harris so unter Beschuss

Neben dem Ziel, die Vize-Präsidentin in ein schlechtes Licht zu rücken und ihr die Qualifikation abzusprechen, könnte auch etwas anderes stecken. So könnten die zahlreichen Falschbehauptungen zu Harris dazu dienen, vom Wesentlichen abzulenken und die Debatte auf Nebenschauplätze zu verlagern. Dieses Vorgehen hatte der rechtsextreme Publizist und ehemalige Chefstratege von Donald Trump, Steve Bannon, 2018 als «das Feld mit Sch***e fluten» bezeichnet.

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