Impf-Chef über Entführung«Der Täter hatte mich eine Stunde in seiner Gewalt»
Nach der mysteriösen Entführung von Christoph Berger meldet sich der Impf-Chef erstmals zu Wort.
Darum gehts
Impf-Chef Christoph Berger wurde Ende März entführt. In einem Schreiben äussert er sich nun zum Tatablauf. «Der mir bis dahin unbekannte Täter hatte mich eine gute Stunde in seiner Gewalt. Er hat mich in dieser Zeit mit der Forderung eines substanziellen Geldbetrags konfrontiert», so Berger. Diese Forderung habe er mit Drohungen verknüpft, was passieren könne, wenn er der Forderung nicht innert der von ihm genannten Frist nachkäme.
«Es standen also einzig wirtschaftliche Interessen des Täters im Vordergrund. Bezüge zu meiner Rolle als Präsident der Impfkommission machte der Täter dabei nicht», so Berger weiter. Nachdem er dem Täter die Erfüllung seiner Forderung zugesichert habe, habe dieser ihn wieder freigelassen. «Ich habe mich danach sofort mit der Kantonspolizei in Verbindung gesetzt, die mich und meine verängstigte Familie seither sehr gut betreut.» Der Schutz seiner Familie stehe für ihn auch jetzt an erster Stelle.
Bei einer missglückten Verhaftung am Mittwochabend starben der 38-jährige B.V.* und seine Freundin B.S.* (28). Der Deutsche wird verdächtigt, Impf-Chef Christoph Berger eine Woche zuvor entführt zu haben. Wie die Kantonspolizei Zürich am Donnerstag mitteilte, waren bei der Verhaftung am Mittwochabend in Wallisellen auch Spezialisten der Interventionseinheit vor Ort. Der Deutsche zog unvermittelt eine Waffe. Dabei wurde seine Begleiterin getroffen, worauf die Polizei Schusswaffen einsetzte.
Strafverfahren gegen Polizisten
Gemäss dem Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich und des Forensischen Instituts Zürich verstarb die 28-jährige Frau durch einen vom 38-jährigen Begleiter abgegebenen Schuss. Laut der Zürcher Staatsanwaltschaft wurden mehrere Strafverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung gegen den mutmasslichen Entführer und involvierte Polizeibeamte eröffnet.
Die Frage ist: Hatte der Entführer wirklich nur monetäre Interessen und keine politischen Beweggründe? In diesem Zusammenhant ist mittlerweile ein Geschäftspartner des 38-Jährigen ins Visier der Polizei geraten. Die Zürcher Staatsanwaltschaft gab am Freitag bekannt, dass ein 34-jähriger Mann in einem Nachbarkanton festgenommen wurde. Seine Tatbeteiligung ist Gegenstand der laufenden Abklärungen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Wie 20 Minuten weiss, handelt es sich hierbei um T.W.* Angehörige von T.W. bestätigen, dass sie seit Tagen nichts mehr von ihm gehört haben. Diese Ungewissheit mache der gesamten Familie zu schaffen. Dass T.W. etwas mit der mutmasslichen Entführung zu tun haben könnte, glauben die Angehörigen jedoch nicht. Sie gehen davon aus, dass die geschäftlichen Beziehungen zu B.V. ein Grund für die Festnahme sein könnten. Gemeinsam mit B.V. gründete der 34-Jährige im März 2020 ein Start-up für Nachbarschaftshilfe. Laut Tamedia-Zeitungen hatte die Firma finanzielle Schwierigkeiten.
Anhänger der Flat-Earth-Verschwörungstheorie
Auf Social Media zeigt sich T.W. als Anhänger der Flat-Earth-Verschwörungstheorie. Neben dem Verschwörungsmythos, die Erde sei eine Scheibe, verbreitete er auf Facebook auch Corona-skeptischen Thesen Laut Recherchen des «SonntagsBlick» ist er zudem aktiver Teil der Corona-Massnahmengegner-Bewegung. So sei er unter anderem auf Fotos einer Corona-Demo in Liestal BL zu sehen. Ob der bei der Verhaftung erschossene B.V. ebenfalls Kontakte zu verschwörungstheoretischen Kreisen pflegte, ist bisher aber unklar.
Der genaue Ablauf des Schusswechsels mit der Polizei, die Vorgänge im Zusammenhang mit der Entführung sowie das genaue Motiv des verstorbenen 38-jährigen Deutschen sind Gegenstand der weiteren Untersuchung von Polizei und Staatsanwaltschaft, die in Zusammenarbeit mit dem Forensischen Institut Zürich und dem Rechtsmedizinischen Institut der Universität Zürich geführt werden.
*Name der Redaktion bekannt
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen