Covid-19-Pandemie: Die Omikron-Variante BA.5 ist ansteckender, aber auch tödlicher?

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Covid-19-PandemieDie Omikron-Variante BA.5 ist ansteckender, aber auch tödlicher?

Der Omikron-Subtyp BA.5 ist in der Schweiz angekommen und breitet sich aus. Was weiss man über ihn? Wie gefährlich ist er? Und was verrät der Blick auf andere Länder, in denen BA.5 schon länger kursiert?

Es scheint, die Pandemie habe in den letzten Wochen bloss Luft geholt: Aktuell steigt die Zahl an Neuinfektionen, Tests, Hospitalisationen und Todesfällen in der Schweiz wieder.
Dies ist auf die Varianten BA.4 und BA.5 zurückzuführen, die in manchen Teilen der Schweiz bereits dominant sind. Beide sind Subvarianten von Omikron. Das BAG hat Hinweise darauf, dass die BA.5 häufiger vorkommt als BA.4, «aber das genaue Verhältnis muss noch durch Genomsequenzierung bestätigt werden», so BAG-Sprecher Simon Ming.
Dass BA.5 die bisherigen Varianten verdrängen kann, ist zwei Mutationen geschuldet: L452R kennt man bereits von der Delta-Variante. Sie erhöht offenbar die Übertragbarkeit des Virus. F486V sorgt dafür, dass BA.5 der Immunabwehr der Antikörper teilweise ausweichen kann. Dadurch wird eine Ansteckung mit diesem Subtyp wahrscheinlicher und es kommt zu einem Anstieg der Fallzahlen.
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Es scheint, die Pandemie habe in den letzten Wochen bloss Luft geholt: Aktuell steigt die Zahl an Neuinfektionen, Tests, Hospitalisationen und Todesfällen in der Schweiz wieder.

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Darum gehts

Mit einer neuen Corona-Welle haben Expertinnen und Experten hierzulande erst im Herbst gerechnet. Doch sie scheint sich bereits jetzt aufzubauen. Grund dafür sind die Virusvarianten BA.4 und BA.5. Bei beiden handelt es sich um Omikron-Suptypen, die neue Mutationen aufweisen. Beide werden vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC als besorgniserregende Varianten («variants of concern») eingestuft.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Lange nahmen die wöchentlich vom BAG gemeldeten Covid-19-Fallzahlen ab. Doch Anfang Juni 2022 kehrte der Trend: Alle vier Marker – Anzahl Neuinfektionen, Tests, Hospitalisationen und Todesfälle – stiegen. Die Positivitätsrate machte einen Satz von 13,6 auf 21 Prozent. Das lässt auf eine hohe Dunkelziffer an Infizierten schliessen. Und laut WHO-Definition gilt die Situation damit als ausser Kontrolle: Um als kontrolliert zu gelten, müsste die Positivitätsrate bei fünf Prozent liegen.

Wie ist die Trendwende zu erklären?

Wie in anderen Ländern auch, ist die Entwicklung den Varianten BA.4 und BA.5 geschuldet. «Wir können bestätigen, dass BA.4 und BA.5 in der letzten Woche (KW23) in mehreren Regionen der Schweiz zu den dominierenden Untervarianten geworden sind», erklärt BAG-Sprecher Simon Ming auf Anfrage von 20 Minuten. Man habe zudem Hinweise, dass die BA.5-Variante häufiger vorkommt als BA.4, aber das genaue Verhältnis zwischen den beiden Varianten muss noch durch Genomsequenzierung bestätigt werden.» 

Fachleute gehen davon aus, dass insbesondere der Anteil von BA.5 weiter zunehmen wird. Laut dem ECDC hat BA.5 gegenüber der hierzulande aktuell vorherrschenden Variante BA.2 einen Wachstumsvorteil von 13 beziehungsweise zwölf Prozent. Das zeigen Daten aus Südafrika und Portugal, wo die beiden Varianten jeweils für eine neue Welle gesorgt haben und BA.5 jeweils vorherrschend ist.

Warum verursacht vor allem BA.5 wieder mehr Infektionen?

Das liegt an zwei Mutationen, die der Omikron-Subtyp aufweist: L452R und F486V. Erste kennt man bereits von der Delta-Variante. Sie erhöht offenbar die Übertragbarkeit des Virus. F486V sorgt nach bisherigem Kenntnisstand dafür, dass BA.5 der Immunabwehr der Antikörper teilweise ausweichen kann. Dadurch wird eine Ansteckung mit diesem Subtyp wahrscheinlicher und es kommt zu einem Anstieg der Fallzahlen.

Wie steht es um die Schwere der BA.5-Verläufe?

In einer Vorabstudie bringen Forschende die Mutation L452R mit einer stärker krankmachenden Wirkung in Verbindung, wodurch BA.5 schwerere Symptome hervorrufe als BA.2. Allerdings stammen die Ergebnisse aus Tierversuchen mit Hamstern. Ob sich diese auch auf den Menschen übertragen lassen, ist fraglich.

Laut der ECDC gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine Hinweise dafür, dass BA.5 schwerere Verläufe hervorruft. Das deckt sich mit Beobachtungen aus Südafrika und Portugal. Dort wurden bei den meisten Infizierten keine schweren Krankheitsverläufe verzeichnet. Die Verlaufsschwere unterscheidet sich demnach nicht erheblich von den anderen Omikron-Varianten, die bereits in der Schweiz kursieren.

Was bringen die Covid-19-Impfungen?

Die derzeit verfügbaren Impfungen können Ansteckungen mit BA.5 nicht verhindern, aber sie schützen wohl immer noch zu einem hohen Grad vor schweren Verläufen. Und zwar durch die zelluläre Immunabwehr wie den T-Zellen. Die ist wesentlich robuster gegenüber Immunflucht-Mutationen.

Das deutsche Robert-Koch-Institut bekräftigt in seinem Wochenbericht vom 2. Juni 2022, die grosse Bedeutung der Impfungen: Ungeimpfte aller Altersgruppen hätten nach wie vor «ein deutlich höheres Risiko für eine schwere Verlaufsform der Covid-19-Erkrankung.» Das Argument einiger Menschen, eine frühere Infektion böte ebenfalls einen gewissen Schutz vor einer erneuten Infektion gilt nicht, wenn diese mit der Omikron-Variante BA.1 erfolgt ist, wie Nytimes.com schreibt. So deuteten vorläufige Erkenntnisse aus der Laborforschung darauf hin, dass sich ungeimpfte Personen, die sich mit BA.1 infiziert hatten, leicht mit BA.4 oder BA.5 anstecken könnten.

Von einer Infektion mit BA.1 profitieren allerdings auch Geimpfte nicht wirklich. Auch sie können sich innerhalb weniger Monate ein zweites Mal mit Omikron infizieren, wie Berichte aus verschiedenen Ländern zeigen.

Bieten die künftigen angepassten Corona-Impfstoffe einen besseren Schutz?

Ganz klar ist das noch nicht. Zwar zeigte sich Moderna-Chef Stéphane Bancel angesichts des kürzlich vorgestellten Studienergebnisses zu dem angepassten Impfstoff «sehr begeistert». Allerdings räumte er gleichzeitig ein, dass der bivalente Impfstoff etwas weniger Antikörper gegen die inzwischen zirkulierenden neuen Subtypen von Omikron erzeugen werde. Was das konkret bedeutet, wird sich zeigen.

Offen ist auch, wie es um den Omikron-Booster von Biontech/Pfizer steht, wie Biontech-Chef Ugur Sahin am Montag dem «Handelsblatt» sagte: «Wir müssen früh genug wissen, an welche Variante – also zum Beispiel BA.2 oder BA.4/5 – wir die Corona-Impfstoffe anpassen und für die bevorstehende Infektionssaison produzieren sollen.»

Was verrät der Blick auf Länder, wo BA.5 schon dominant ist?

In Südafrika wurden BA.4 und BA.5 erstmals im Januar nachgewiesen. Im April wurden sie dominant. Mittlerweile ist die Welle bereits wieder abgeflacht. Laut Ridhwaan Suliman, der die Pandemie für die südafrikanische Regierung statistisch untersucht, war es die «kürzeste und am wenigsten schwere Welle» der Pandemie gewesen.

In Portugal ist BA.5 seit der zweiten Maiwoche dominant und sorgte dort zwischenzeitlich für Inzidenzen von 2000 pro Woche und pro 100’000 Einwohner. Auch die Zahl der Todesfälle stieg an. 

Wie sind die unterschiedlichen Wellen zu erklären?

Mehrere Faktoren dürften eine Rolle spielen:

  • Während in Südafrika, wo Winter herrscht, fast alle Massnahmen zur Viruseindämmung wie das Masketragen in Innenräumen aufrecht erhalten wurden, wurden in Portugal, wo Sommer ist, fast alle fallen gelassen.

  • Zwar ist ein Grossteil der südafrikanischen Bevölkerung noch ungeimpft bzw. nicht vollständig, dafür sind die Menschen im Schnitt deutlich jünger als in Europa – und damit auch weniger anfällig für schwere Verläufe.

  • Viele Südafrikaner haben sich während der ersten Wellen mehrfach mit Sars-CoV-2 infiziert, wodurch sie eine breite Basisimmunität haben. In Portugal steckte sich ein Grossteil der Bevölkerung dagegen mit BA.1 an, die wenig zur Immunität gegen BA.4 und BA.5 beiträgt.

  • Die höhere Zahl der Todesfälle in Portugal könnte auch an der hohen Inzidenz liegen. Denn wenn viele Personen infiziert sind, ist auch der Anteil jener grösser, die versterben.

  • Darüber hinaus liegen die Impfungen bei vielen Menschen in Portugal zeitlich schon eine Weile zurück. Die Menschen dort haben sich in grosser Zahl schnell impfen lassen. Damit könnte der Schutz vor Ansteckung bereits deutlich abgenommen haben.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel.  058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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