Javier MileiIst er der verrückteste Politiker aller Zeiten?
Argentinien hat gewählt: Neuer Präsident wird der ultraliberale Rechtspolitiker Javier Milei. Wer ist der Mann mit dem wilden Haarschopf, der eher an einen Rockstar als einen Politiker erinnert?
Darum gehts
Mit Javier Milei hat das argentinische Stimmvolk einen nicht eben alltäglichen Politiker zum Präsidenten gewählt.
Der 53-Jährige steht für die herrschende Ablehnung der politischen Kaste und verspricht, das Land radikal umzukrempeln.
Was er tatsächlich erreichen kann, ist allerdings offen.
«Heute beginnt das Ende des Niedergangs Argentiniens», sagte Javier Milei am Sonntagabend in seinem Wahlkampf-Hauptquartier in Buenos Aires. Der 53-jährige Politikneuling, der sich selbst als «Anarchokapitalisten» bezeichnet, hatte die Stichwahl um die Präsidentschaft nach offiziellen Teilergebnissen mit rund 55 Prozent der Stimmen vor seinem Konkurrenten Sergio Massa überraschend deutlich gewonnen: Viele Argentinierinnen und Argentinier versprechen sich von Milei einen Wechsel weg vom erstarrten und teils tief korrupten bisherigen System. Sein Amt tritt er am 10. Dezember an.
Wer ist Javier Milei?
Seine Fans nennen Milei wegen seines auffälligen Haarschopfs «Peluca», die Perücke: Die Frisur des Mannes aus Buenos Aires soll der Filmfigur des «Wolverine» nachempfunden sein, wie seine Stylistin gegenüber der «New York Times» angab. Symbol seiner Partei ist der Löwe – und ebenso wild möchte Milei, der am liebsten eine Lederjacke trägt, wohl auch rüberkommen. Er vertraue nur seiner Schwester Karina und seinen Hunden, sagte er einmal in einem Interview. Karina Milei hat grossen Einfluss auf ihren Bruder und managte auch seinen Wahlkampf.
Seine Hunde, fünf geklonte riesige Mastiffs, hat er nach liberalen Ökonomen wie Milton Friedman und Robert Lucas benannt. Mit dem verstorbenen Tier Conan, von dem die Gene stammen, kommuniziert er über ein Medium unbd lässt sich Tipps geben. Seinen Landsmann, Papst Franziskus I., nennt er einen «verf***en Kommunisten» oder «den Vertreter des Bösen auf der Erde» – bloss weil sich dieser gegen Armut und für soziale Gerechtigkeit einsetzt. Seit einigen Monaten ist der langjährige Junggeselle mit der Komikerin Fátima Florez liiert.
Milei gilt als sprunghaft und emotional instabil, wie etwa der «Spiegel» schreibt. Der 1970 als Sohn eines Busfahrers italienischer Abstammung geborene Milei spielte bis 1989 als Torhüter im Verein Chacarita Juniors und war in eine Rollings-Stones-Coverband. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und hatte später Positionen als Chefvolkswirt bei einer privaten Rentenversicherungsgesellschaft, als Wirtschaftswissenschaftler bei der Bank HSBC und als Professor an der Universidad de Belgrano inne.
Dank seiner Arbeit für den schwerreichen Unternehmer Eduardo Eurnekian und mit dessen Unterstützung kam Milei in die Politik. Milei ist Mitbegründer und Chef des Bündnisses La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran).
Was ist seine politische Agenda?
Der ultrarechte Milei hatte im Wahlkampf mit populistischen Parolen für Furore gesorgt. So erklärte der Politikneuling, er wolle die Zentralbank abschaffen, die öffentlichen Ausgaben «mit der Kettensäge» kürzen und den argentinischen Peso (den er als «Exkrement» bezeichnete) durch den US-Dollar ersetzen. Die Zahl der Ministerien will er halbieren. Milei ist gegen Abtreibung und Sexualkundeunterricht und leugnet die Verantwortung des Menschen für den Klimawandel. Zudem will er den Waffenbesitz liberalisieren. Des weiteren will er eine ganze Reihe von Ministerien schliessen.
Javier Milei präsentiert seine Sparmassnahmen
Twitter«Niemand mit so extremen Ansichten in Wirtschaftsfragen ist je zum Präsidenten eines südamerikanischen Landes gewählt worden», sagte der Ökonom Mark Weisbrot vom US-Forschungsinstitut Center for Economic and Policy Research. Vizepräsidentin wird Victoria Villarruel, die Milei konservative Wählerstimmen sicherte. Die Offizierstochter stellt die Verbrechen der Militärjunta (1976–1983) mit rund 30’000 Todesopfern infrage und wünscht sich, dass die Geschichte entsprechend umgeschrieben wird.
Nach Ansicht der meisten Experten ist indes völlig offen, wie Milei sich nach seinem Wahlsieg verhalten wird. Er gilt als Exzentriker, der verbissen an seinen Überzeugungen festhält und sich mit Kompromissen schwertut. Die meisten seiner Wahlkampfversprechen erscheinen demnach als unrealistisch, da Milei die nötige Mehrheit im Parlament fehlt. Dabei erwarten ihn gewaltige Herausforderungen: Argentinien steckt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, die jährliche Inflation liegt derzeit bei 143 Prozent und die Armutsrate bei über 40 Prozent.
Was sind die Reaktionen auf Mileis Wahl?
Einer der Ersten, die Milei gratulierten, war Donald Trump. «Herzlichen Glückwunsch an Javier Milei zu einem grossartigen Rennen um das Amt des argentinischen Präsidenten», schrieb er auf der Plattform Truth Social. «Ich bin sehr stolz auf Sie. Sie werden Ihr Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder grossartig machen.» Auch Jair Bolsonaro, der rechtsradikale ehemalige Präsident von Brasilien, gratulierte und erklärte, durch Mileis Sieg «leuchte wieder Hoffnung in Südamerika».
Der amtierende brasilianische Präsident Lula Inácio Lula da Silva gab sich weniger euphorisch und beglückwünschte die «neue Regierung» in Argentinien, ohne Wahlsieger Milei ausdrücklich zu erwähnen. Der linke kolumbianische Staatschef Gustavo Petro wählte harschere Worte: «In Argentinien hat die extreme Rechte gesiegt, das ist die Entscheidung der Gesellschaft. Traurig für Lateinamerika: Der Neoliberalismus hat keinen Vorschlag mehr für die Gesellschaft, er kann nicht auf die aktuellen Probleme der Menschheit reagieren.»
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