Wirtschaft erholt sich«Die Schweiz hatte Glück in der Krise»
Bald erreicht die Schweizer Wirtschaft wieder das Niveau von vor der Krise. Die Erholung dürfte hier schneller sein als in den Nachbarländern, sagt KOF-Chef Jan-Egbert Sturm. Die Gründe erklärt er im Interview.
Darum gehts
Im Herbst dürfte das BIP-Wachstum erstmals wieder auf dem Vorkrisenniveau sein.
Die Schweiz kommt wirtschaftlich besser durch die Krise als unsere Nachbarn.
Grund sind die schnellen Massnahmen im ersten Halbjahr 2020.
Allerdings sei auch etwas Glück im Spiel, sagt KOF-Chef Jan-Egbert Sturm.
Manche Branchen müssen aber noch länger kämpfen.
Noch dieses Jahr soll sich die Schweizer Wirtschaft von der Krise erholen. Die ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) rechnet damit, dass das BIP im dritten Quartal 2021 bereits wieder auf dem Vorkrisenniveau sein wird. Warum es der Schweiz besser geht als den umliegenden Ländern und welche Branchen noch länger kämpfen müssen, verrät KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm im Interview mit 20 Minuten:
Herr Sturm, gehts jetzt zügig wieder bergauf?
Davon gehe ich aus. Dass die Weltwirtschaft so schnell und so stark einbricht wie im ersten Halbjahr 2020, haben wir noch nie erlebt. Aber schon jetzt sieht die Weltkonjunktur gar nicht so schlecht aus, wie vielleicht viele denken. Bereits das letzte Quartal 2020 lief weltweit besser, als wir befürchtet hatten. Zudem ist die Schweiz wirtschaftlich insgesamt etwas weniger stark von der Pandemie betroffen als ihre Nachbarländer.
Bessere Aussichten
Bereits im Herbst dieses Jahres wird sich die Wirtschaft wieder auf dem Niveau von vor der Krise befinden. So lautet die Prognose der ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF). Fürs gesamte Jahr 2021 rechnen die Ökonomen mit einem BIP-Plus von drei Prozent. Ab dem zweiten Quartal beginne sich der Konsum wieder zu erholen und erreiche bis Ende Jahr ebenfalls wieder das Vorkrisenniveau. Die Schweizer Wirtschaft sei von der zweiten Pandemiewelle weniger stark betroffen als befürchtet. Besonders Industriefirmen haben sich laut der Mitteilung als widerstandsfähig erwiesen. Sie konnten ihre Produktion im ersten Quartal des Jahres bereits steigern.
Im Herbst 2020 rechnete die KOF noch damit, dass sich die Schweizer Wirtschaft erst 2022 erholen wird – und die zweite Welle hätte diese Entwicklung noch mehr in die Länge ziehen können. Auch im Februar 2021 lag das prognostizierte BIP-Wachstum noch bei lediglich 2,1 Prozent. Die Wirtschaft kann sich also über die neue Einschätzung vom Donnerstag freuen.
Was macht die Schweiz besser?
Für die Wirtschaft war vor allem das erste Halbjahr 2020 einschneidend. Und da nahm die Schweiz eine Vorreiterrolle ein. Wir waren bei den wirtschaftlichen Massnahmen eines der schnellsten Länder. Kurzarbeit, Erwerbsersatzregelung und Notkredite haben schnell Wirkung gezeigt. In der zweiten Phase war die Schweiz dann zwar ein bisschen langsamer, aber die Wirtschaft hatte bereits gelernt, wie man besser mit der Situation umgehen kann – die neuen Massnahmen trafen uns weniger hart als befürchtet.
Also können wir uns bei der Politik bedanken?
Nicht nur. Die Schweiz hatte auch ein bisschen Glück. Im Vergleich zu anderen Ländern beruht ein grosser Teil der Wertschöpfung hierzulande auf Branchen wie der Pharmaindustrie und den Finanzdienstleistungen. Diese Sektoren kamen eher gut durch die Krise.
Manche Branchen liegen aber immer noch am Boden – gehts da jetzt auch schnell?
Zum Teil schon. Viele Bürgerinnen und Bürger haben in der Pandemie gezwungenermassen gespart. Dieses Geld kann relativ schnell wieder in Umlauf kommen: Der Konsum zieht wieder an. Davon wird der Dienstleistungssektor profitieren. Die schnelle Erholung kommt aber nicht für alle Branchen.
Wer muss weiter kämpfen?
Sektoren wie der internationale Tourismus werden noch länger leiden. Ich glaube nicht, dass wir sehr bald wieder den gleichen Luftverkehr haben werden wie vor der Krise. Solche Sektoren sind in der Schweiz aber klein genug, dass sich die Wirtschaft als Ganzes trotzdem erholen kann.
Die Wirtschaft erholt sich, aber der Schuldenberg wächst...
Das ist so. Die staatliche Verschuldung ist jetzt wieder auf dem Niveau von vor 10 Jahren und wird noch etwas mehr wachsen, bevor wir Schulden abbauen können. Der Anstieg ist aber nichts im Vergleich zum Ausland. In Deutschland und Österreich ist der Schuldenberg momentan ungefähr doppelt so hoch.
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