SchweizDiese Chancen hat die Anzeige gegen die «Porno-Broschüre» vor Gericht
Gegen die Verantwortlichen der Broschüre «Hey You» wurde Anzeige erstattet. Die betroffene Stiftung nimmt Stellung dazu.
Die Broschüre des BAG hat im Sommer für Aufsehen gesorgt.
20minDarum gehts
Die Broschüre «Hey You» erklärt Kindern ab zwölf Jahren unter anderem Selbstbefriedigung, Transsexualität und Sexspielzeuge.
Ein konservativer Verein reichte nun Anzeige gegen die Verantwortlichen der Broschüre ein.
Gemäss Rechtsexperten ist sexuelle Aufklärung nicht strafbar, wenn diese rein informativ ist.
Der Verein Schutzinitiative hat Strafanzeige gegen die Herausgeber und die Redakteure und Redaktorinnen der vom Bund finanzierten Broschüre «Hey You» erstattet. Die Broschüre würde «unter dem Deckmantel der Sexualaufklärung Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zum Gebrauch von Sexspielzeugen wie Umschnalldildos, Lecktüchern und Anal-Plugs animieren», schreibt der Verein in einer Medienmitteilung. Die Verantwortlichen hätten die Kinder damit zu sexuellen Handlungen verleitet und sich so strafbar gemacht.
Zudem geht der Verein verwaltungsrechtlich gegen das Bundesamt für Gesundheit vor. «Die Verschleuderung von Steuergeldern für Aktivitäten, welche die psychisch-emotionale und sexuelle Entwicklung unserer Kinder schädigen können, muss gestoppt werden», heisst es in der Mitteilung weiter.
«Sexuelle Aufklärung ist nicht strafbar, wenn diese tatsächlich rein informativ ist und somit nicht das Ziel verfolgt, die Kinder zu sexuellen Handlungen zu verleiten», sagt Rechtsanwalt Michael Steiner. Hierfür brauche es unter anderem den objektiven Vorsatz des Verleitens. Die in der Anzeige kritisierten Textstellen müssten demnach auf diesen Aspekt hin überprüft werden.
«Sexuelle Aufklärung ist nicht strafbar, wenn diese rein informativ ist»
Gemäss Strafrechtsexperten Amr Abdelaziz dürften die Chancen der Strafanzeige gegen null tendieren. «Eine Aufklärungsbroschüre über Sex kann nicht strafbar sein, weil sie über Sex aufklärt. Der Zweck der Broschüre ist ja gerade, dem Interesse und der Neugierde der Jugendlichen gerecht zu werden und aufzuzeigen, wie Sexualpraktiken, die im Internet sehr leicht zugänglich sind, bei Bedarf ohne unnötige Gefahren entdeckt werden können», so Abdelaziz.
Auch Rechtsanwalt Christian Lenz von der Kanzlei Lenz & Caduff kann sich nicht vorstellen, dass es zu einer Verurteilung kommt. «Gemäss Rechtsprechung müsste psychisch auf die Kinder eingewirkt werden und die Kinder müssten sich wegen dieser Einwirkung zu sexuellen Handlungen entschliessen.»
Wäre das blosse Zurverfügungstellung von solchen Informationen oder Broschüren strafbar, würde dies bedeuten, dass sämtliche Aufklärungsbücher verboten wären. Sollte ein Gericht die Herausgeber verurteilen, sehe das Gesetz ein Strafmass von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor.
Verein nimmt Strafanzeige zur Kenntnis
Wie Barbara Berger, Geschäftsleiterin der Stiftung «Sexuelle Gesundheit Schweiz», auf Anfrage sagt, habe man über die Medien von der Strafanzeige erfahren und nehme diese zur Kenntnis. Laut Berger setzt sich die Stiftung für die ganzheitliche Sexualaufklärung ein. «Ganzheitlich meint, alters- und entwicklungsgerecht und auf den sexuellen Rechten, also auf den Menschenrechten beruhend.»
Zudem sei es erwiesen, dass Kinder und Jugendliche, welche seit der frühen Kindheit Zugang zu ganzheitlicher Sexualaufklärung haben, besser vor sexuellen Übergriffen geschützt sind: «Sie wissen Bescheid über ihren eigenen Körper und können die einzelnen Teile, auch die Sexualorgane, benennen. Sie können über Beziehungen und Grenzen diskutieren, sie wissen, wie sie sich über Liebe, Sex und Verhütung informieren können», so Berger.
Was hältst du von der Broschüre?
Bist du minderjährig und von sexualisierter Gewalt betroffen? Oder kennst du ein Kind, das sexualisierte Gewalt erlebt?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Kokon, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
Castagna, Beratungsstelle bei sexueller Gewalt im Kindes- und Jugendalter
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
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