Drogenszene in Zürich: Stadt will Süchtige von Strasse holen

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ZürichDrogenszene am Gleis 3: Stadt will Süchtige von der Strasse holen

Die Anlaufstelle für Drogenabhängige wurde in die Brunau verlegt. In der Folge wanderte die Drogenszene in die umliegenden Quartiere im Kreis 4 ab. Die Stadt hat darauf reagiert.

Am Gleis 3 am Zürcher Hauptbahnhof versammeln sich regelmässig Konsumentinnen, Konsumenten und Dealer. (Symbolbild)
Bereits im Sommer wurde bekannt, dass in der Bäckeranlage im Kreis 4 der offene Drogenkonsum zu einem Problem geworden ist. Die Polizei erhöhte ihre Patrouillentätigkeit.
Die frühere Anlaufstelle für Drogenabhängige wurde aus dem zentral gelegenen Kasernenareal in die Brunau verlegt. Weil deswegen die Drogenszene in die umliegenden Quartiere im Kreis abwanderte, wurde schliesslich in unmittelbarer Nähe des alten Standorts auf dem Kasernenareal eine temporäre Kontakt- und Anlaufstelle in Betrieb genommen.
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Am Gleis 3 am Zürcher Hauptbahnhof versammeln sich regelmässig Konsumentinnen, Konsumenten und Dealer. (Symbolbild)

20min/Michael Scherrer

Darum gehts

  • Mit der Schliessung der Anlaufstelle für Drogenabhängige im Kasernenareal verlagerte sich die Szene in die umliegenden Quartiere.

  • Neben der Bäckeranlage wird auch eine Drogenszene beis Gleis 3 am Zürcher Hauptbahnhof beobachtet.

  • Im November wurde in unmittelbarer Nähe des alten Standorts auf dem Kasernenareal eine temporäre Kontakt- und Anlaufstelle in Betrieb genommen, die das Problem entschärfen soll.

Der Konsum von Crack nimmt in der Schweiz stark zu. Crack ist Kokain mit Natron gemischt – und wird im Gegensatz zu seiner «Schwesterdroge» in Pfeifen geraucht. Crack hat ein extrem grosses Abhängigkeitspotenzial – trotzdem oder vielleicht genau deswegen nimmt die Zahl der Konsumenten stetig zu.

Bereits im Sommer wurde bekannt, dass in der Bäckeranlage im Kreis 4 der offene Drogenkonsum zu einem Problem geworden ist. Die Polizei erhöhte ihre Patrouillentätigkeit. Auch private Sicherheitsdienste und Mitarbeitende von «sip züri» sind im und um den Park herum im Einsatz. Einige Beobachterinnen und Beobachter fühlten sich an die Anfangszeiten auf dem Zürcher Platzspitz erinnert, wo in den 1980er- und 1990er-Jahren Süchtige aus der Schweiz und dem Ausland vor allem Heroin konsumierten.

Anlaufstelle war zu weit entfernt

Bei Gleis 3 am Zürcher Hauptbahnhof versammeln sich regelmässig Konsumentinnen, Konsumenten und Dealer, wie die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) schreibt. Die benachbarten Geschäfte werden Zeugen dieser Entwicklung. Eine Apotheken-Inhaberin sagt gegenüber der Zeitung: «Wir stellen eine gewisse Drogentätigkeit rund um die Europaallee fest. Bei uns in der Apotheke werden auch immer wieder gebrauchte Spritzen abgegeben, damit wir diese entsorgen.» 

Laut NZZ führte ein Beschluss im Herbst vergangenen Jahres zum erneuten Aufflammen der Drogenproblematik in der Bäckeranlage. Die frühere Anlaufstelle für Drogenabhängige wurde aus dem zentral gelegenen Kasernenareal in die Brunau verlegt. Der Standort erwies sich als zu weit entfernt für die Betroffenen, wodurch die Drogenszene vermehrt in die umliegenden Quartiere abwanderte. Einige der Betroffenen verlagerten sich schliesslich auch zum Hauptbahnhof.

Mehr Patrouillen an Hotspots

Die Stadt habe eilig die Suche nach einem alternativen Standort für die Anlaufstelle gestartet, um das Problem zu entschärfen. Im November wurde schliesslich in unmittelbarer Nähe des alten Standorts auf dem Kasernenareal eine temporäre Kontakt- und Anlaufstelle in Betrieb genommen.

Auf diese Weise bemühen sich die Behörden, das Entstehen neuer offener Drogenszenen zu unterbinden. Gleichzeitig intensivierte die Polizei ihre Patrouillen an den kritischen Orten und sprach vermehrt Wegweisungen aus. Am Bahnhof verstärkte die SBB offenbar ihren Sicherheitsdienst, obwohl das Bahnunternehmen dazu keine offizielle Stellungnahme abgeben möchte, wie die NZZ weiter schreibt. 

Vor Weihnachten starteten Polizei- und Sozialbehördenpatrouillen eine neue Initiative an den Hotspots. Das Ziel besteht darin, die Suchtkranken von der Strasse zu holen. Die Patrouillen treten mit den Konsumentinnen und Konsumenten in Kontakt und weisen auf die Anlaufstelle in der Kaserne hin. Auf Anfrage der NZZ erklärt das Sozialdepartement, dass durch die aktive Ansprache die Betroffenen für die Auswirkungen ihres Konsums im öffentlichen Raum sensibilisiert werden sollen. 

Psychiater bewertet Massnahmen positiv

Psychiater Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie des Suchtmedizin-Zentrums Arud, sagt gegenüber der NZZ: «Ich habe den Eindruck, die Eröffnung der provisorischen Kontakt- und Anlaufstelle hat eine gewisse Entspannung gebracht. Vor allem, weil die Stadt entschieden hat, diese neu auch ausserstädtischen Konsumierenden zugänglich zu machen.» Beck hofft, dass sich die Lage nun auch im Bereich der Szene rund um Gleis 3 entspannt. Diese bestehe seit rund zwei Jahren. Es handele sich oft um auswärtige Personen, die meisten von ihnen seien nicht schwerstabhängig.

Beck bewertet die Massnahmen der Stadt zur Verhinderung offener Drogenszenen positiv: «Wir können nachvollziehen, dass das Ziel darin besteht, Menschen dazu zu bewegen, sich an einen anderen Ort zu begeben, solange es für die besonders Betroffenen alternative Orte gibt, an die sie sich wenden können.»

Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Problem mit Suchtmitteln?

Hier findest du Hilfe:

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Feel-ok, Informationen für Jugendliche

Infodrog, Information und Substanzwarnungen

Anonyme Alkoholiker, Tel. 0848 848 885

Narcotics AnonymousSelbsthilfegruppe für Suchtbetroffene 

Stopsmoking.ch, Tel. 0848 000 181

Vergiftungsnotfälle, Tel. 145

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