Einsame Spitze: Nirgends arbeiten so viele in der Freizeit wie in der Schweiz

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Einsame SpitzeNirgends arbeiten so viele in der Freizeit wie in der Schweiz

Travailsuisse schlägt Alarm. Mehr als ein Drittel aller Schweizer Arbeitnehmenden sei aufgrund der hohen Arbeitsintensität und des Termindrucks erschöpft.

Der europäische Vergleich zeige, dass die Arbeitsintensität und der Termindruck bereits zu Beginn des intensiven wirtschaftlichen Aufschwungs nirgends so hoch gewesen seien wie in der Schweiz.
So geben 54 Prozent der Arbeitnehmenden an, dass sie unter Rückenschmerzen leiden. 56 Prozent der Arbeitnehmenden leiden an Muskelschmerzen und 51 Prozent der Arbeitnehmenden an Kopfschmerzen.
Dringender Handlungsbedarf besteht laut Travailsuisse insbesondere in Berufen und Branchen, in denen sich hohe Arbeitsbelastungen und wenig Freiräume bei der Arbeit kumulieren.
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Der europäische Vergleich zeige, dass die Arbeitsintensität und der Termindruck bereits zu Beginn des intensiven wirtschaftlichen Aufschwungs nirgends so hoch gewesen seien wie in der Schweiz.

20min/Raphael Knecht

Darum gehts

  • Der hohe Anteil an erschöpften Arbeitnehmenden ist laut Travailsuisse ein Alarmzeichen.

  • 59 Prozent der Arbeitnehmenden gaben an, oft oder immer mit einem hohen Arbeitstempo zu arbeiten.

  • Auffällig sei zudem, dass 36 Prozent der Arbeitnehmenden angäben, in der Freizeit arbeiten zu müssen.

«Nirgends in Europa arbeiten Arbeitnehmende mit einer derart hohen Intensität wie in der Schweiz und nirgends in Europa arbeiten derart viele Arbeitnehmende in der Freizeit, um die Arbeitsanforderungen erfüllen zu können», das schreibt die zweitgrösste Dachorganisation der Arbeitnehmer in der Schweiz, Travailsuisse

Sie verweist auf die Resultate der europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen. Insbesondere in Berufen und Branchen, in denen sich verschiedene belastende Faktoren bei der Arbeit kumulierten, bestehe «dringender Handlungsbedarf». 

Arbeitsintensität und Termindruck

59 Prozent der Arbeitnehmenden gaben an, oft oder immer mit einem hohen Arbeitstempo zu arbeiten. Damit liege die Schweiz deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 49 Prozent. Auffällig sei zudem, dass 36 Prozent der Arbeitnehmenden angäben, in der Freizeit arbeiten zu müssen, damit sie die Arbeitsanforderungen erfüllen könnten. Damit liege die Schweiz bei den Überstunden weit über dem europäischen Durchschnitt.

Hohe Entscheidungsfreiheit für Schweizer Arbeitnehmende

Der Schweizer Arbeitgeberverband hält dagegen, dass der sehr einseitige Fokus auf die Arbeit in der Freizeit die weiteren erfreulichen Aspekte der Studie ausser Acht lasse. Diese hielten nämlich fest, dass die Schweiz bezüglich der Arbeitsbedingungen im europäischen Vergleich in vielen Kategorien deutlich besser abschneide als die meisten anderen Länder.

Auch beurteilt der Arbeitgeberverband die Befunde betreffend Arbeit in der Freizeit nicht ausschliesslich als negativ. Die Seco-Zahlen würden auch zeigen, dass die Arbeitnehmenden in der Schweiz im Verhältnis zum europäischen Durchschnitt eine hohe Entscheidungsfreiheit hätten: «Dies ist für die Gestaltung der Belastungs- und Entlastungszeit auf jeden Fall förderlich – dasselbe gilt für die verhältnismässig hohe Beteiligung und Mitsprache am Arbeitsplatz.»

Körperliche und emotionale Erschöpfung

Ein Drittel der Arbeitnehmenden gibt an, dass sie körperlich oder emotional erschöpft sind. Damit bestätige die europäische Erhebung die Resultate des «Barometer Gute Arbeit», einer jährlich durchgeführten repräsentativen Umfrage von Travailsuisse in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule. Mit der hohen Arbeitsbelastung verbunden seien häufig körperliche Beschwerden. So geben zwischen 51 und 56 Prozent der Arbeitnehmenden an, dass sie unter Rücken-, Muskel- oder Kopfschmerzen leiden.

Auch der Arbeitgeberverband empfindet die Zahlen der europäischen Erhebung als unerfreulich: «Firmen und Vorgesetzte sind gefordert, diese Situation ernst zu nehmen und – wo möglich – Massnahmen zu ergreifen, um sie zu verbessern.» Es gelte aber auch festzuhalten, dass die Studie Folgendes sage: «Im Vergleich mit den Nachbarstaaten war der Anteil an erschöpften Erwerbstätigen in der Schweiz am kleinsten.» Die Situation in der Schweiz sei also auch diesbezüglich vergleichsweise gut. 

Fühlst du dich wegen deiner Arbeit ausgebrannt?

Dringender Handlungsbedarf besteht laut Travailsuisse insbesondere in Berufen und Branchen, in denen sich hohe Arbeitsbelastungen und wenige Freiräume bei der Arbeit kumulieren. Die Forderung: «Es braucht in den Gesamtarbeitsverträgen, aber auch auf Gesetzesebene, deutliche Verbesserungen und entsprechende Kompensationen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden», so Thomas Bauer.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband vertritt die Ansicht, dass es wichtig ist, dass die Arbeitnehmenden einen bestmöglichen Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitszeit haben sollen: «Gesetzliche Einschränkungen der positiv wirkenden Autonomie in der Arbeitsgestaltung und den flexiblen Arbeitszeiten sowie strenge Vorgaben bei der Arbeitszeit und der Arbeitserledigung führen zu mehr Stress und fördern die Erholung nicht.» 

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