«Einzigartig»Darum entstehen in Tirana so viele auffällige Wolkenkratzer
Zahlreiche bekannte Architekten bauen in der albanischen Hauptstadt Tirana. Damit will die Stadt ihren Ruf verbessern – und Touristen sowie Investoren anlocken.
Nicht in Dubai, London oder New York: Eine ganze Reihe von auffälligen und aussergewöhnlichen Wolkenkratzern wird derzeit an einem eher unerwarteten Ort gebaut oder geplant. «Es ist fast unmöglich, einen Architekten zu finden, der gerade nicht in Tirana oder generell in Albanien arbeitet», sagt Architekt Diogo Brito von OODA gegenüber dem Architekturmagazin «Dezeen» und ergänzt: «Was wir dort gerade sehen, ist einzigartig.»

Zahlreiche Architekten geniessen gerade die kreative Freiheit, die ihnen Albanien bietet, darunter auch das Architekturbüro OODA.
OODA/PlompFokus auf «künstlerische Freiheit»
Die Wolkenkratzer, die mehrheitlich von renommierten ausländischen Architekturbüros realisiert werden, fallen in der Stadt auf: So baut das niederländische Architekturbüro MVRDV ein Hochhaus, das sich am Kopf des Militärkommandanten und Fürsten Georg Kastrioti, genannt Skanderbeg orientiert. Ein weiteres Projekt, das an aufeinandergestapelte Häuschen erinnert, wird vom italienischen Architekturbüro NOA umgesetzt.

Der breitere Teil des weissen Hauses hier sind die Schultern, der obere Teil der Kopf des Militärkommandanten und Fürsten Georg Kastrioti, genannt Skanderberg.
MVRDVDass solche Bauten überhaupt möglich sind, liegt an der albanischen Regierung: Sie fördern ein Umfeld, in dem sich Architekten und Designer möglichst ungehindert ausleben können, sagt NOA-Mitgründer Lukas Rungger: «Die künstlerische Freiheit kommt zuerst. Danach werden Wege gesucht, wie man die Projekte bauen könnte.»

Ein besonders auffälliges Konzept stammt vom Architekturbüro NOA.
NOA/Atelier4Weniger Bürokratie und Bauvorschriften
Das Architekturbüro OODA ist besonders aktiv, sie arbeiten an acht verschiedenen Projekten in Albanien. Dazu gehören Hora Vertikale, ein Häuserblock, der aussieht, als wäre er aus sehr vielen kleineren Würfeln zusammengesetzt, sowie zwei 50 Stockwerke hohe Hochhäuser, die an die «Eleganz von Ballett» erinnern sollen.

Diese beiden Hochhäuser sollen aussehen wie eine typische Pose im Ballett.
OODA/PlompOODA-Mitgründer Brito sagt gegenüber «Dezeen», dass viele Architekturbüros von den eher lockeren Bauvorschriften angelockt würden: «Albanien gibt uns Architekten viel Freiheit. Wir sind mit viel weniger Bürokratie konfrontiert als in anderen europäischen Ländern – haben dadurch aber auch mehr Verantwortung.»
Unterstützung von der Regierung
Federführend in dieser Entwicklung ist auch Erion Veliaj, der seit 2015 Bürgermeister von Tirana ist, sowie der albanische Ministerpräsident Edi Rama. Die beiden sind mit dafür verantwortlich, dass urbanes Design und Architektur Teil der Strategie wird, um den Ruf Albaniens zu verbessern, wirtschaftliches Wachstum zu fördern – und mehr Touristen anzulocken.
Veliaj wurde allerdings Anfang 2025 wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen und sitzt seither im Gefängnis. Er steht laut SPAK, der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption, im Verdacht, die Verteilung öffentlicher Gelder als Baugenehmigungen an ihm nahestehende Wirtschaftsunternehmen genehmigt zu haben.

Architekt Stefano Boeri arbeitet nicht nur an einzelnen Gebäuden, sondern wurde mit dem «Masterplan Tirana 2030» beauftragt.
Stefano BoeriDer italienische Architekt Stefano Boeri hat bereits ein Büro in Tirana eröffnet. Er wurde von der Regierung mit einem grossen Planungsprojekt, dem Masterplan «Tirana 2030», beauftragt. Über sein Projekt sagt Boeri: «Die Idee ist klar: Tirana soll eine Weltstadt werden. Ministerpräsident Rama hat entschieden, dass die zeitgenössische Architektur in Zukunft eine grosse Rolle in Tirana spielen soll. Deswegen hat er auch Interesse daran, dass Architekten aus aller Welt sich an der Vision beteiligen», so Boeri.
«Das Land hat keine Angst vor seiner Vergangenheit»
Ministerpräsident Edi Rama ist selbst Künstler und war zwischen 2000 und 2011 Bürgermeister von Tirana. Dort hat er zahlreiche Projekte umgesetzt, um die öffentlichen Gebäude der Stadt zu restaurieren. Besonders bekannt ist er aber dafür, dass er Gebäude aus der kommunistischen Ära in bunten Farben bemalen liess. «Ich glaube, was Rama gemacht hat, war wichtig. Es war ein Weg, die Vergangenheit nicht zu zerstören und Tirana trotzdem kosmopolitischer zu machen», sagt Boeri.

Eines der im Auftrag von Edi Rama bunt bemalten Häuser in Tirana.
imago/PanthermediaDas sagt auch Winy Maas vom Architekturbüro MVRDV, die für das Skanderbeg Building verantwortlich sind: «Das Land hat keine Angst vor seiner Vergangenheit – es will sie konfrontieren und sie Teil seiner Zukunft machen. Hier kann Architektur ein mächtiges Werkzeug sein.»
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