SchweizEltern überwachen ihre Kinder mit Smartwatches – diese nutzen sie zum Spicken
Schweizer Händler verzeichnen eine steigende Nachfrage bei Kinder-Smartwatches mit Tracking-Funktion. Experten zeigen sich besorgt.
Darum gehts
Immer mehr Eltern in der Schweiz kaufen ihren Kinder Smartwatches, um sie damit zu überwachen.
Laut Experten kann eine solche permanente Überwachung entwicklungshemmend sein und dem Selbstvertrauen schaden.
«Der neueste Scheiss? Smartwatches für Neunjährige, damit sie auf dem fünfminütigen Schulweg, den sie selten allein absolvieren, nicht verloren gehen», schreibt eine Mutter auf Twitter. Eine Frau antwortet: «Haben ein Schreiben der ersten Klasse bekommen, die Kinder sollen bitte die Smartwatches daheim lassen. Anscheinend rufen manche Kinder bei Konflikten sofort die Eltern an. Umgekehrt rufen Eltern die Kinder an, um zu fragen, ob das Pausenbrot gut war.»
Händlerinnen und Händler bestätigen eine steigende Nachfrage in der Schweiz: «Immer populärer werden Smartwatches mit Tracking-Funktion für Kinder. Im Vergleich zu 2021 haben wir letztes Jahr rund 50 Prozent mehr solche Uhren verkauft», sagt Alex Hämmerli, Sprecher bei Digitec-Galaxus. Besonders gefragt seien diese vor Schulbeginn im Sommer.
Eltern können so den Lernerfolg der Kinder beeinträchtigen
Laut Beat A. Schwendimann, Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Transformation des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH), haben Smartwatches das Überwachen durch Eltern verstärkt und stark vereinfacht. «Schon früher konnten Kindern teure, separate GPS-Tracker am Rucksack montiert werden, aber heute zieht man dem Kind einfach schnell eine Smartwatch an», sagt Schwendimann.
Wenn Eltern ihren Kindern dann regelmässig während der Schulzeit Nachrichten schreiben oder sie anrufen, könne das die Kinder ablenken und den Lernerfolg beeinträchtigen. «Wir fordern deshalb, dass Eltern stärker dafür sensibilisiert werden. Zudem sollte es an jeder Schule mindestens eine Lehrperson geben, welche als digitalen Fachperson ausgebildet wurde, damit sie die Schulleitung und andere Lehrpersonen beraten kann», so Schwendimann.
«Es braucht eine Vertrauensbasis und keine Kontrolle»
Smartwatches wurden schon fürs Spicken benutzt
Gemäss Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des LCH, tragen mittlerweile sehr viele Kinder auf allen Schulstufen solche Uhren. Dies sei grundsätzlich kein Problem, solange der Umgang damit geklärt sei: «Gibt es zu viel Ablenkung, braucht es sicher Regeln, die dann auch den Eltern kommuniziert werden. Eine Ermahnung wie auch die vorübergehende Abgabe der Smartwatch während des Schulunterrichts sind möglich.»
Eine Überwachung mit Smartwatches hält Rösler nicht für sinnvoll: «Kinder haben ein Anrecht darauf, nicht immer und überall überwacht zu werden.» Wird eine Überwachung auf dem Schulareal festgestellt, suche die Schule mit den Eltern das Gespräch. Ein grundsätzliches Smartwatch-Verbot an Schulen lehnt Rösler aber ab.
Ähnlich sieht es Daniel Kachel, Sekundarlehrer und Präsident des Verbands der Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich: «Ein Verbot nimmt den Schülern den Raum, den richtigen Umgang mit diesen Geräten zu lernen. Etwas Verbotenes macht etwas nur noch spannender.» Trotzdem gebe es Grenzen: «Smartwatches sind in den meisten Schulen während Prüfungen nicht zugelassen.» Der Grund: «Die Geräte wurden schon als Taschenrechner bei Prüfungen gebraucht oder als Voci Spick benutzt», sagt Kachel.
«Ein pauschales Verbot, ausser bei Prüfungen, ist wenig zielführend. Wenn ein solches Gerät aber den Unterricht stört, sind Einschränkungen sinnvoll», sagt auch Lucius Hartmann, Präsident beim Verein Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer. Neben Ermahnungen, die Uhr wegzulegen, drohen im Wiederholungsfall allenfalls disziplinarische Massnahmen.
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