Yverdon-les-Bains VD: So gefährlich ist eine Geiselnahme

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Essert-sous-Champvent VD«Die Tat wirkt geplant»

Ein 32-jähriger Mann nahm am Donnerstagabend bei Yverdon-les-Bains VD 15 Personen in einem Zug als Geisel. Ein Gewaltexperte erklärt die Motivation einer solchen Tat.

Am Donnerstagabend kam es bei Essert-sous-Champvent VD zu einer Geiselnahme in einem Zug.
Der Geiselnehmer, ein 32-jähriger Mann, war laut der Polizei mit einer Axt und einem Messer bewaffnet.
Der 32-Jährige wurde beim Polizeieinsatz tödlich verletzt.
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Am Donnerstagabend kam es bei Essert-sous-Champvent VD zu einer Geiselnahme in einem Zug.

AFP

Darum gehts

  • 15 Personen wurden am Donnerstagabend bei Essert-sous-Champvent VD in einem Zug festgehalten.

  • Der Geiselnehmer trug eine Axt und ein Messer bei sich.

  • Wie der Gewaltexperte erklärt, sind Geiselnahmen dadurch motiviert, dass versucht wird, mit der Drohung gegen das Leben anderer Menschen ein Ziel zu erreichen.

15 Personen wurden am Donnerstagabend in einem Zug bei Essert-sous-Champvent VD in Geiselhaft genommen. Der 32-jährige Täter war laut der Polizei mit einer Axt und einem Messer bewaffnet. Beim Einsatz der Polizei wurde der Mann tödlich verletzt. Die Passagiere sowie der Lokführer blieben unverletzt. Der Gewaltexperte Dirk Baier schätzt die Tat ein.

Herr Baier, wieso begeht man eine solche Tat?

Geiselnahmen sind generell sehr seltene Taten, die dadurch motiviert sind, dass versucht wird, mit der Drohung gegen das Leben anderer Menschen ein Ziel zu erreichen. Die Ziele können sehr verschieden sein. So gab es in der Vergangenheit zum Beispiel Geiselnahmen im Strafvollzug, um Freiheit zu erpressen.

Was glauben Sie, war in Essert-sous-Champvent das Motiv?

Möglicherweise wollte der Täter einfach Gewalt ausüben, Menschen töten, so wie dies vor einem Jahr in Deutschland der Fall war. Und möglicherweise hat der Mann erst im Zug im Kontakt mit den Passagieren gemerkt, dass er dazu nicht fähig ist. Ebenfalls denkbar ist ein sogenannter erweiterter Suizid. Das heisst, dass der Mann sich von der Polizei töten lassen wollte, dies aber verbunden mit dem Angriff auf andere Menschen. Das muss nun alles durch die Polizei geklärt werden. Es sind durchaus verschiedene Szenarien denkbar.

Wie schätzen Sie den Täter ein?

Zum einen wirkt die Tat bei Yverdon geplant, da der 32-Jährige sowohl mit einem Messer als auch mit einer Axt bewaffnet war. Andererseits scheint mir die Planung doch nicht so weit fortgeschritten gewesen zu sein. Dass der Mann vier Stunden mit der Polizei verhandelt hat, spricht für eine gewisse Diffusität in seinem Handeln. So kann es auch sein, dass es sich um eine eher spontane, gegebenenfalls auch durch eine psychische Ausnahmesituation bedingte Tat handelte.

Wie gefährlich schätzen Sie eine solche Geiselnahme ein?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Auf die verschiedenen Konstellationen sind die Verhandlungsführer der Polizei gut vorbereitet. Letztlich kann es aber bei einer Geiselnahme immer zu einem nicht vorhersehbaren Moment kommen, weshalb das Eingreifen durch die Einsatzkräfte je länger, umso wahrscheinlicher ist – einfach, um Kurzschlusshandlungen des Täters zu verhindern.

Ein Passagier filmte während der Geiselnahme im Zug.

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Wie man in einem Video aus dem Zug sieht, blieben die Geiseln ziemlich ruhig. Ist das üblich?

Das ist schon bemerkenswert. Die besonnene Reaktion der Geiseln hat hier zweifellos auch dazu beigetragen, dass die Situation nicht eskaliert ist. Kommunikation ist in verschiedenen derart heiklen Situation ein bewährtes Mittel, um Menschen zu beruhigen. Allerdings muss eine Tatperson natürlich schon empfänglich sein, was hier glücklicherweise gegeben war. Wenn sie hingegen wahnhaft ist, oder zum Beispiel unter Drogeneinfluss steht, kann die Kommunikation gegebenenfalls nichts erreichen. Dann wäre es angebracht, sich in Sicherheit zu bringen.

Sind Ihnen in der Schweiz ähnliche Taten bekannt?

In der Schweiz wurden in den letzten zehn Jahren durchschnittlich drei Geiselnahmen pro Jahr in der Kriminalstatistik ausgewiesen. Um welche Situationen es sich dabei handelt, ist bislang nicht systematisch aufgearbeitet worden. Eine vergleichbare Tat fällt mir aber keine ein.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Beratungsstellen für gewaltausübende Personen

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