Ohne KalbfleischEU-Siegel für Döner? Kebab-Buden gehen auf die Barrikaden
Eine türkische Döner-Föderation fordert ein Gütesiegel für den Döner. Dann gäbe es genaue Vorschriften zu Fleisch, Gewürz und Länge des Dönermessers.
Döner-Siegel: Darum gehts
Die EU entscheidet über ein Gütesiegel für den Döner.
Die Branche warnt vor gravierenden Konsequenzen.
Die Folge wären strenge Döner-Regeln.
Döner Kebab gibt es nicht nur mit oder ohne scharf, sondern auch mit Trüffel, Käse und in unzähligen weiteren Varianten. Das könnte sich bald ändern. Derzeit berät die EU-Kommission über ein Gütesiegel.
Die Internationale Döner-Föderation aus Istanbul will den Begriff Döner schützen und als garantiert traditionelle Spezialität nach dem EU-Lebensmittelrecht einstufen lassen. Solche geschützte Gerichte gibt es in der EU viele, wie zum Beispiel die Pizza Napoletana.
Strenge Döner-Regeln
Falls sich die EU für das Siegel entscheidet, dürfte der Döner nur noch nach Vorgaben verkauft werden. Falls nicht, bräuchte er eine andere Bezeichnung.
Döner-Buden wären dann eingeschränkt. In dem Antrag heisst es beispielsweise, ein Döner dürfe keine nicht-tierischen Eiweisse, Stärke, stärkehaltigen Stoffe, kein Soja und keine Sojaerzeugnisse enthalten. Der Döner würde dann wohl teurer, schreibt die «Bild».
Diese Regeln sollen für den Döner gelten:
Döner aus rotem Fleisch:
100 kg Fleisch von mindestens sechzehn Monate alten Rindern oder Keulen- und/oder Rückenfleisch von mindestens sechs Monate alten Schafen
acht - zehn kg tierisches Fett (Rinder- oder Schaffett)
zwei - drei kg Joghurt oder Milch, falls erforderlich
zwei - drei kg Zwiebeln
zwei - drei kg Salz
100 - 200 g schwarzer Pfeffer
100 - 200 g weisser Pfeffer
100 - 200 g roter Pfeffer
100 - 200 g Thymian
Beim Döner aus Poulet sind die Regeln fast identisch. Kalbfleisch wäre hingegen nicht erlaubt.
Dazu gibt es zahlreiche Vorgaben zur Kühltemperatur oder zur Zubereitung des Döner-Blocks. So muss beispielsweise beim jeweils zwischen drei bis fünf Fleischlagen eine Schicht aus Rinder- und/oder Schaffett von drei bis fünf Millimetern liegen.
Auch fürs Döner-Schneiden gibt es Vorgaben, unter anderem:
Abschneiden des Fleisches von oben nach unten
zwei bis fünf mm dicke Streifen
Schneiden mit dem Edelstahlmesser (Länge ca. 55 cm)
Das EU-Siegel soll laut Behörden mehrere Vorteile bieten: Es soll etwa die Qualität von Lebensmitteln dauerhaft gewährleisten, vor Irreführung schützen und die Nachahmung von Produktbezeichnungen unterbinden.
«Gravierende Konsequenzen»
Allerdings regt sich nun Widerstand. Der in Berlin gegründete Verein türkischer Dönerhersteller in Europa lehnt den Istanbuler Antrag ab und legte ein Veto gegen die Forderung ein. Auch der deutsche Hotel- und Gaststättenverband geht auf die Barrikaden.
Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges sagt zur «Bild»: «Würde dem Antrag in Brüssel stattgegeben, hätte das gravierende Konsequenzen für gastronomische Betriebe wie Verbraucher. Die Folgen wären notwendigerweise neue Bezeichnungen für Döner-Gerichte, damit verbundene Unklarheiten und Intransparenz, Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten.»
Schweizer Kebab-Anbieter auch dagegen
Pascal Leuthold von der Zürcher Kebab-Kette Ayverdis hat ebenfalls Bedenken. Rezeptvorgaben findet er falsch. «Man will ja einen individuellen Kebab anbieten», sagt er zu 20 Minuten. Solche Regelungen seien auch immer ein Hindernis für Innovation, das sei schlussendlich schade für die ganze Branche. Er fände es aber gut, wenn es gewisse Regeln gäbe. «Wir orientieren uns an den Vorgaben der Schweizer Fleischindustrie, was wir aber sonst auf dem Markt sehen, lässt vor allem bei der Hygiene oft zu wünschen übrig.» Die Frage sei, was der Vorteil für die Gäste sei. «Wenn es nur darum geht, zu zeigen, wer den Kebab erfunden hat und der Gast der Leidtragende ist, müsste man einen Weg finden, das zu umgehen», sagt Leuthold.
Das Gütesiegel gälte nur für den EU-Raum, doch es wäre nicht das erste Mal, dass die Schweiz Vorgaben aus der EU übernimmt. Deshalb ist auch Comedian Zeki Bulgurcu gegen das Siegel. Er eröffnete erst kürzlich ein Döner-Restaurant und sagt zu 20 Minuten: «Ich finde die Idee unnötig, da viele Läden ihre eigene Note beifügen. Bei uns ist zum Beispiel vieles hausgemacht und es wäre schade, wenn wir uns einer Norm anpassen müssten.»
Bist du zufrieden mit der Döner-Kebab-Qualität in der Schweiz?
Das «SRF» zitiert Eberhard Seidel, Autor des Buchs «Döner. Eine türkisch-deutsche Kulturgeschichte». Seidel sieht in dem Antrag bei der EU einen Generalangriff auf das Lieblingsessen der Deutschen.
Nationalistischer Besitzanspruch?
Seidel: «Dieser Antrag ist der Versuch, die Dönerwelt, die seit Jahrzehnten von deutsch-türkischen Dönerproduzenten entwickelt, gestaltet und vermessen wird, neu zu ordnen: autoritär, durch Normsetzungen aus der Türkei von oben, mit nationalistischen Reinheitsvorstellungen und Besitzanspruch.»
Er verweist darauf, dass der mittlerweile verstorbene Gründer der Istanbuler Vereinigung ehemaliger Vorsitzender der türkischen grossen Einheitspartei BBP war. Der Antrag stamme noch von ihm und die Partei sei rechtsextrem und islamistisch-nationalistisch, so Seidel. Die BBP zählt zur «Ülkücü»-Bewegung (Graue Wölfe).
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