EurocityDer Zug, der «eh nie pünktlich» kommt
30 Minuten Verspätung sind im Schweizer öffentlichen Verkehr eigentlich unüblich. Eine Ausnahme bildet der Eurocity, der im Zweistundentakt von München nach Zürich fährt. Im Jahr 2023 mussten die Pendlerinnen und Pendler sogar noch länger warten.
Darum gehts
Der Eurocity, der von München bis nach Zürich fährt, hat bei der Abfahrt in St. Gallen in den meisten Fällen Verspätung.
Das ist ärgerlich für Zugreisende, vor allem wenn man in Zürich auf einen Anschluss umsteigen sollte.
Die SBB schiebt die Verantwortung auf Deutschland: Baustellen und Langsamfahrstellen sollen unter anderem zu Verspätungen geführt haben.
Zu Lösungsvorschlägen wie Ersatzzügen oder der Loslösung der Eurocitys aus dem Taktfahrplan äussern sich die SBB nur verhalten.
«Information zum Eurocity nach Zürich Hauptbahnhof», ertönte es am Dienstag, kurz vor halb zwölf, aus den Lautsprechern am St. Galler Hauptbahnhof. Wer oft Zug fährt, ahnt, wie die Ansage weiterging: «Der Eurocity nach Winterthur, Zürich Flughafen, Zürich Hauptbahnhof, Abfahrt 11.29 Uhr, wird circa 30 Minuten später abfahren. Grund dafür ist ein Ereignis in Deutschland.»
Jeder dritte Zug mehr als eine halbe Stunde Verspätung
Tatsächlich sind Verspätungen beim Eurocity die Regel, wie Auswertungen des «St. Galler Tagblatt» zeigen. Der Zug fährt sieben Mal täglich von München über St. Gallen bis nach Zürich, und war gemäss Auswertungen im Jahr 2023 in rund 77 Prozent der Fälle zu spät. Ein Fortschritt, wenn man die 80 Prozent vom Vorjahr betrachtet. – Oder doch nicht? Zwar ist die Anzahl an Verspätungen leicht zurückgegangen, dafür ist die durchschnittliche Verspätung bei der Abfahrt in St. Gallen gestiegen. Die Auswertungen der Zeitung zeigen, dass vor einem Jahr zwar nur etwa jeder fünfte Zug eine halbe Stunde oder mehr verspätet war. Das trifft nun auf fast jeden Dritten zu.
«Ich rechne eh mit einer Verspätung»
Die Pendlerinnen und Pendler scheint die Eurocity-Verspätung vom Dienstag nicht aus der Ruhe zu bringen. «Ich musste eben einen Termin verschieben, weil ich nun später ankomme», sagt ein Pendler zu 20 Minuten, nachdem er sein Telefongespräch beendet hat. Es sei keine Tragödie, denn er könne auch im langsameren Zug arbeiten, der acht Minuten nach dem geplanten Eurocity abfährt, so der Mann Mitte 40. Aber trotzdem ist es «ärgerlich, dass ich den Termin verschieben musste», so der Pendler.
«Nein, ich wollte gar nicht auf den Eurocity», sagt Sarah (25) zu 20 Minuten, als sie gerade auf den Interregio-Zug wartete, der um 11.37 Uhr fährt. Die in St. Gallen wohnhafte Pendlerin weiss es nämlich besser: «Ich plane den Eurocity gar nie ein, da ich eh damit rechne, dass er sich verspätet.»
Das ist der Grund für die Verspätungen
Auch die SBB ist unzufrieden mit der Betriebsstabilität der Eurocity-Verbindung. «Die umgesetzten Stabilisierungsmassnahmen haben bedauerlicherweise noch nicht zu einer nachhaltigen Verbesserung der Pünktlichkeit geführt», schreibt Reto Schärli, Mediensprecher der SBB, auf Anfrage von 20 Minuten. Auf die Frage nach der Ursache schreibt er: «Im Jahr 2023 haben kurzfristige Schäden an den Bahnanlagen im Allgäu zu Langsamfahrstellen geführt. Die Langsamfahrstellen sind seit Mitte November wieder aufgehoben, anschliessend hat der Wintereinbruch in Deutschland zu erneuten Einschränkungen geführt. Die letzten Tage zeigen ein positiveres Bild.»
«Können keine konkreten Massnahmen kommunizieren»
Als Massnahme gegen die Unpünktlichkeit nennt die SBB, dass der Eurocity bei bis zu zehn Minuten Verspätung dem inländischen Verkehr vorausfahren oder diesen überholen kann. Weil diese Regelung wohl nicht viel gebracht hat, wie die jüngsten Auswertungen zeigen, braucht es mehr. Der St. Galler Regierungsrat Beat Tinner (FDP), der ebenfalls unzufrieden ist wegen der Verspätungen, meint dazu: «Das Departement hat im Austausch mit den SBB bereits vor Monaten angeregt, aufgrund der Verspätungen nach Alternativen zu suchen. Eine Lösung ist, den EC nicht mehr im Taktfahrplan fahren zu lassen.»
Zum Lösungsvorschlag mit dem Taktfahrplan äussert sich die SBB verhalten. «Die SBB prüft laufend Möglichkeiten, um die Stabilität des EC und die Auswirkungen auf den nationalen Verkehr zu verbessern. Sie steht dazu auch im stetigen Austausch mit den Partnerbahnen. Aktuell können wir keine weiteren konkreten Massnahmen kommunizieren.» Dazu, ob ein Ersatzzug infrage käme, hat sich die SBB nicht geäussert, dafür aber Beat Tinner: «Der Einsatz von Dispozügen ab St. Gallen beziehungsweise St. Margrethen ist sehr teuer und nicht wirtschaftlich.»
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