Angriff auf Juden in Zürich: Die Tat ist eine Zäsur, sagt Experte

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Experte zur Messerattacke«Die Tat ist eine Zäsur für Jüdinnen und Juden»

Der Schock nach dem Messerangriff auf einen orthodoxen Juden in Zürich ist gross. Der Extremismusexperte Dirk Baier schätzt die Tat für 20 Minuten ein.

Der Angriff auf den orthodoxen Juden ereignete sich am späten Samstagabend in der Zürcher Innenstadt.
Beim Täter handelt es sich um einen 15-jährigen Schweizer.
Er wurde noch vor Ort festgenommen.
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Der Angriff auf den orthodoxen Juden ereignete sich am späten Samstagabend in der Zürcher Innenstadt.

20min/News-Scout

Darum gehts

  • Ein 15-jähriger Schweizer stach am Samstagabend in Zürich einen orthodoxen Juden nieder.

  • Für den Extremismusexperten Dirk Baier zeige der Vorfall, dass die Bedrohungslage auch in der Schweiz zugenommen habe.

  • Im Interview mit 20 Minuten beantwortet der Experte die wichtigsten Fragen.

Ein 15-jähriger Jugendlicher hat am Samstagabend in Zürich auf offener Strasse einen orthodoxen jüdischen Mann mit einem Messer angegriffen. Der 50-Jährige wurde dabei schwer verletzt. Dirk Baier, Kriminologe und Extremismusexperte an der ZHAW und der Universität Zürich, schätzt für 20 Minuten den Vorfall ein.

Herr Baier, was sagen Sie zur Tat?

Es ist schockierend, dass solch eine Tat in der Schweiz passiert ist. Zwar war bekannt, dass sich seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel die Sicherheitslage auch für in der Schweiz lebenden Jüdinnen und Juden verschlechtert hat. So haben zum Beispiel verbale Anfeindungen und Drohungen zugenommen. Massive physische Gewalt war aber zum Glück bisher nicht zu beobachten. Das hat sich nun schlagartig verändert. Die Tat ist eine Zäsur: Jüdinnen und Juden müssen nun auch in der Schweiz um ihr Leben fürchten.

So reagiert die jüdische Gemeinschaft auf de Messerangriff in Zürich.

20min

Wie gross schätzen Sie diese Bedrohung ein?

Wenn Personen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit mit Tötungsabsicht angegriffen werden, ist eine neue Stufe der Bedrohungslage erreicht. Es ist daher richtig, dass jüdische Gebäude wie Synagogen geschützt werden. Gleichzeitig braucht es jetzt verstärkt Anstrengungen, Vorurteile abzubauen und den Dialog zwischen verschiedenen Bevölkerungs- und Religionsgruppen zu fördern. Die Tat zeigt, dass sich internationale Konflikte auch auf die Sicherheitslage in der Schweiz auswirken.

Polizei verstärkt Sicherheitsmassnahmen

Nach der Attacke vom Samstagabend hat die Stadtpolizei Zürich nach Rücksprache mit verschiedenen jüdischen Institutionen die Sicherheitsvorkehrungen rund um spezifische Örtlichkeiten mit jüdischem Bezug vorsorglich erhöht. Dabei wird sie auch von der Kantonspolizei Zürich unterstützt.

Wie schätzen Sie den 15-jährigen Täter ein?

Bei sogenannten Hassverbrechen ist zu beachten, dass Täter nicht deshalb gewalttätig werden, weil sie einen persönlichen Konflikt mit dem Opfer haben, sondern weil sie mit der Tat eine ganze Gruppe, hier die Jüdinnen und Juden, angreifen. Dies mit der einkalkulierten Botschaft, dass sich die ganze Gruppe nicht mehr sicher fühlen kann. Abgesehen davon gehe ich davon aus, dass bei einem 15-jährigen Täter zudem andere Aspekte wie eine generelle Gewaltbereitschaft oder eine geringe Selbstkontrolle eine Rolle spielen. Ich kann mir vorstellen, dass er schon vorher auffällig war.

Der 15-Jährige wurde noch vor Ort festgenommen. Was droht ihm?

In jedem Fall eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung. Welche Strafe ihm droht, ist schwer zu beurteilen, da das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt und dieses eine breite Palette an Sanktionen ermöglicht. Dabei geht es darum, herauszufinden, welche Massnahme oder Strafe am besten geeignet ist, die Defizite eines solch jungen Täters zu beheben. Freiheitsentzug ist nur bis zu einem Jahr möglich. 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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