Experten kritisieren Hickhack«Jetzt brauchts volles Booster-Programm»
Zürich und Bern kritisieren die Kommunikation des Bundesrats zu Booster-Impfungen nach vier Monaten. Anstatt sich den Ball hin- und herzuschieben, müsse jetzt einfach mehr geimpft werden, fordern Politikerinnen und Experten.
Diese Corona-Regeln gelten ab Montag.
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Die Booster-Impfung soll ab kommender Woche schon vier Monate nach der Zweitimpfung möglich sein. Damit sind auf einen Schlag mehr als 1,85 Millionen Schweizerinnen und Schweizer zusätzlich zur Booster-Impfung zugelassen. Der Bundesrat reagierte damit am Freitag auf vielfache Forderungen und Kritik an der langsamen Zulassung von Booster-Impfungen. Für einige Kantone kommt die angepasste Empfehlung nun aber gar zu schnell: Zürich und Bern üben in der «Sonntagszeitung» (Bezahlartikel) Kritik am Bundesrat.
Für Andreas Faller, selbstständiger Berater im Gesundheitswesen, ist klar: «Anstatt sich gegenseitig den Ball hin- und herzuschieben, müssen Bund und Kantone jetzt gemeinsam alles daran setzen, schneller zu boostern.» Faller nennt etwa Apotheken und Ärztinnen und Ärzte, wo noch einiges Impf-Potenzial brachliege. «Es ist Sache der Kantone, sie noch stärker ins Boot zu holen und zum Impfen zu motivieren.»
«Es braucht das volle Programm»
Dass die angepasste Booster-Empfehlung kommt, war laut Faller absehbar: «Es stimmt, dass sie jetzt überraschend schnell kam. Jetzt aber den Bundesrat zu kritisieren, nachdem dieser schnell einen Entscheid gefällt und die Grundlage für weitere Booster-Impfungen geschaffen hat, finde ich falsch.» Klar sei: «Sobald die Empfehlung der Eidgenössischen Impfkommission (EKIF) da ist, geht der Ansturm auf die Impftermine los. Anstatt zu lamentieren, müssen jetzt alle Vollgas geben beim Boostern.» Dem stimmt auch das ehemalige Taskforce-Mitglied Dominique de Quervain zu: «Alle verfügbaren Daten zeigen, dass die Boosterimpfung für den Schutz gegen Omikron elementar ist. Daher muss mit allen verfügbaren Mitteln so viel und so schnell wie möglich geboostert werden – auch über die Feiertage.»
«Erwartungshaltung kann zu Frustration führen»
Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel fordert nun «das volle Programm», wie sie sagt: «Es braucht etwa flächendeckend Impfbusse und -trams.» Die Booster-Kampagne müsse möglichst nah an die Bevölkerung heran. Die Kantone seien nun gefragt: «Sie müssen die Kapazitäten möglichst schnell wieder aufbauen.»
Kritik der Kantone an der Kommunikation des Bundes verstehe sie zwar, so Humbel. Zunächst habe es geheissen, dass nur über 65-Jährige mit mindestens sechs Monaten seit der letzten Impfung geboostert würden. Nun sei man vielerorts schon mit dieser Kampagne im Rückstand. «Hier zeigt sich: Man hat aus den bisherigen Erfahrungen leider nichts gelernt.» Man denke viel zu wenig in unterschiedlichen Szenarien und Eskalationsstufen, so Humbel: «Stattdessen schauen Bund und Kantone meist nur darauf, was aktuell gilt und werden von neuen Entwicklungen überrascht.»
Weckt Ankündigung falsche Hoffnungen?
Auch GLP-Nationalrat Martin Bäumle kann die Kritik einzelner Kantone am Vorgehen des Bundesrats nachvollziehen: «Auch ich selbst wurde von der verschärften Booster-Ankündigung überrascht.» Der Bundesrat habe deren Vorbereitung lange verschlafen und sei nun wegen Omikron in Panik verfallen.
Die Kantone Zürich und Bern wehren sich denn auch gegen die Vorwürfe (siehe unten). Sie verweisen etwa darauf, dass der Bundesrat die neue Frist überraschend und ohne Absprache angekündigt habe. Dieses Hin und Her zwischen Bund und Kantonen ist für Kommunikationsspezialist Hans Klaus das grösste Problem: «Erst sagen die Kantone, sie müssten auf die angepasste Impf-Empfehlung warten. Dann erlässt der Bund diese, offenbar ohne vorab zu informieren und überfordert die Kantone damit. Das Resultat ist, dass bei vielen Menschen die Hoffnung auf eine Booster-Impfung geweckt wird , diese aber derzeit gar nicht für alle erfüllt werden kann.»