F/A-18-Absturz: Waren Skyguide und ein Militärpilot schuld?

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MilitärjustizF/A-18-Unfall: Pilot freigesprochen – Fluglotse verurteilt

Ein Militärpilot und ein Flugverkehrsleiter der Skyguide stehen wegen fahrlässiger Tötung vor dem Militärappellationsgericht in Aarau. Verhandelt wird der Absturz eines F/A-18-Jets im Sustengebiet im August 2016. Nun wurde das Urteil gefällt.

Ein Fehler bei der Flugsicherung in Meiringen soll zum F/A-18-Absturz geführt haben.
An diesem Berggrat im Sustengebiet zerschellte der Kampfjet.
Skyguide hat dem Piloten eine Flughöhe von 3050 Metern angegeben – nötig wären aber 4360 Meter gewesen.
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Ein Fehler bei der Flugsicherung in Meiringen soll zum F/A-18-Absturz geführt haben.

Skyguide

Darum gehts

  • Im August 2016 prallte eine F/A-18 der Schweizer Luftwaffe im Gebiet des Sustenpasses gegen eine Felswand.

  • Der 27-jährige Militärpilot kam ums Leben.

  • Ursache des Absturzes soll ein falscher Funkspruch vom Flugverkehrsleiter gewesen sein.

  • Am Donnerstag und am Freitag findet der Prozess vor dem Militärappellationsgericht in Aarau statt.

  • Angeklagt sind ein Fluglotse und ein weiterer Berufsmilitärpilot.

  • Das Gericht hat den Flutlotsen verurteilt, den Piloten freigesprochen.

Am Freitagnachmittag hat das Militärappellationsgericht das Urteil im Fall des F/A-18-Absturzes gefällt. Es verurteilte den Fluglotsen wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 190 Franken. Der Militärpilot wurde vom gleichen Vorwurf freigesprochen. «Die Mindesthöhe muss immer eingehalten werden», sagte der vorsitzende Richter – auch bei einer Separation der zwei Flugzeuge.

Der Beschuldigte hätte sofort der Einsatzzentrale in Dübendorf mitteilen müssen, dass er dem Piloten eine zu tiefe Flughöhe angegeben habe. «Alarmstufe rot», wie der Richter sagte. Es handle sich um eine fahrlässige Tötung.

Zum Freispruch des Berufsmilitärpiloten sagte der Richter, dass er den Steigflug mit seinem Flugzeug nachkorrigiert habe und keine Pflichtverletzung vorlag. Der «Break Lock» sei nicht für den Unfall verantwortlich gewesen: «Es ist keine Notfallsituation vorgelegen, sondern ein Standardfall.»

In die Bergflanke geprallt

Vor über acht Jahren prallte ein Militärpilot mit seinem F/A-18-Jet in einer Höhe vom 3319 Metern in die Flanke des Hinter Tierbergs beim Sustenpass. Dabei kam der 27-jährige Pilot ums Leben, der Kampfjet wurde zerstört. Der Pilot war kurz zuvor mit einer Zweierpatrouille vom Militärflugplatz Meiringen im Berner Oberland gestartet. Die beiden Flugzeuge hätten den Luftkampf gegen einen F-5-Tiger üben sollen. Wegen Wolken hatten die Piloten keinen Sichtkontakt und flogen nach Instrumentenflugregeln.

Nun müssen sich ein 41-jähriger Major, der vorausgeflogen war, und ein 42-jähriger Fluglotse wegen fahrlässiger Tötung vor dem Militärappellationsgericht in Aarau verantworten. Während der vorausfliegende Pilot im Januar 2024 von der Vorinstanz, dem Militärgericht, freigesprochen wurde, ist der Fluglotse zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden.

Gegen die Urteile haben sowohl der Fluglotse als auch der Auditor (militärischer Staatsanwalt) Appellation erklärt, sodass es heute Donnerstag zum Prozess kam.

«Break Lock» bei der Radarverbindung

Die Zweierpatrouille war auf dem Militärflugplatz Meiringen im Berner Oberland im Abstand von 15 Sekunden in die dicke Wolkendecke gestartet. Dabei koppelte der später verunfallte Pilot sein Radarsystem mit dem ersten Flugzeug, um ihm zu folgen. Weil der vordere Jet zu steil startete, brach die Radarverbindung aber ab. «Break Lock» heisst das Problem in der Fachsprache.

In der Folge nahm der Pilot des hinteren Jets Kontakt mit dem angeklagten Flugverkehrsleiter auf. Dieser gab ihm die irrtümliche Anweisung, auf eine Flughöhe von 10'000 Fuss (3048 m) statt auf 15'000 Fuss zu steigen. Ein fataler Fehler – 58 Sekunden später prallte der FA/-18-Jet in die Bergflanke.

Fluglotse weiterhin bei Skyguide

Bei der Befragung am heutigen Prozess durch das Gericht sagte der Major, der seit 20 Jahren als Berufsmilitärpilot tätig ist: «Steigflug und Geschwindigkeiten lagen im Toleranzbereich.» Dies habe auch das Gutachten bestätigt. Dort sei die Rede gewesen, dass die Abweichungen nicht gravierend waren. Weiter sagte der Pilot, dass der «Break Lock» ein Standardablauf und kein Notfall sei.

Der ebenfalls angeklagte Fluglotse arbeitet weiterhin bei der Skyguide, jedoch nicht mehr als Flugverkehrsleiter, sondern als Coach in der Ausbildung. Er sei in einem Dilemma gewesen, als die beiden Flugzeuge sich immer näher kamen. Er habe sie «separieren» müssen, also das vordere Flugzeuge höher fliegen lassen und den Steigflug der hinteren Maschine stoppen, damit sie nicht kollidierten.

Verteidiger spricht von einem Systemversagen

Er habe erst im Gespräch mit der Einsatzzentrale in Dübendorf bemerkt  – sie hatte inzwischen die Flugleitung übernommen –, dass die Maschine zu niedrig fliege. Der Richter macht ihn darauf aufmerksam, dass er in der Untersuchung gesagt habe, den Fehler schon vorher bemerkt zu haben. Dies hätten auch zwei Arbeitskollegen in Meiringen bestätigt. «Das geht ja gar nicht», habe er gesagt und zum Hörer gegriffen und Dübendorf alarmiert. Diese Version dementierte der Fluglotse aber am heutigen Prozess.

Der  Auditor (Staatsanwalt) verlangte für die beiden Beschuldigten bedingte Geldstrafen von 90 Tagessätzen. «Das Urteil der Vorinstanz ist zu tief.»

Demgegenüber plädierten die Verteidiger auf Freisprüche. «Der Unfall ist auf ein Systemversagen mit insgesamt 16 kausalen Faktoren zurückzuführen», argumentierte der Anwalt des Fluglotsen. Davon sei sein Mandant nur ein Faktor gewesen. «Jetzt steht er stellvertretend für alle hier.» Der Fluglotse sei im Dilemma gewesen: Entweder vorschriftsmässig die beiden FA-18-Jets zu «separieren» oder sie einfach weiterfliegen zu lassen, mit der Möglichkeit einer Kollision und zwei Toten.

Der Anwalt des Militärpiloten forderte die Bestätigung des Urteils der Vorinstanz. «Mein Mandant hat keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen.» Mit den Plädoyers der Parteien ist der Prozess am Abend beendet worden. Das Gericht wird das Urteil am Freitagnachmittag um 14 Uhr fällen.

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