BBC-Doku falsch interpretiert: Kein HIV in Covid-Impfstoffen

Publiziert

FaktencheckHIV in Covid-Impfstoff? Schnipsel aus BBC-Doku missbraucht

Auch nach dem Pandemie-Ende kursieren angebliche Beweise dafür, dass die Covid-Impfstoffe gefährlich sind. In einem Clip heisst es, sie enthielten das HI-Virus (HIV). Das ist falsch.

Weder hat die BBC versehentlich etwas zugegeben, noch stimmt die Aussage, dass den Covid-Impfstoffen HIV zugefügt wurde: Der Videoausschnitt, der derzeit auf Social-Media kursiert wurde aus dem Kontext gerissen und die tatsächliche Aussage bewusst fehlinterpretiert.

Weder hat die BBC versehentlich etwas zugegeben, noch stimmt die Aussage, dass den Covid-Impfstoffen HIV zugefügt wurde: Der Videoausschnitt, der derzeit auf Social-Media kursiert wurde aus dem Kontext gerissen und die tatsächliche Aussage bewusst fehlinterpretiert.

Screenshot Instagram

Darum gehts

  • Auf Social Media wird die falsche Behauptung geteilt, Covid-Impfstoffe enthielten das HI-Virus (HIV).

  • Die Behauptung basiert auf einem aus dem Kontext gerissenen Ausschnitt einer BBC-Dokumentation.

  • Tatsächlich ging es um einen australischen Impfstoffkandidaten, der nie zugelassen wurde.

  • Er enthielt ein harmloses Fragment eines HIV-Proteins, das keine Infektion auslösen konnte.

  • Die Entwicklung des Impfstoffs wurde gestoppt, weil er zu falsch-positiven HIV-Testergebnissen führte.

  • Wissenschaftliche Daten belegen, dass es durch den Impfstoff nie zu einer HIV-Infektion kam.

Die Behauptung

Via Instagram hat 20-Minuten-Leserin Jana* ein Video zur Prüfung eingereicht, laut dem die «BBC versehentlich zugab, dass dem Covid-Impfstoff HIV zugesetzt worden ist». Die Behauptung kursiert breit in den sozialen Medien und Messengern wie Telegram. «Weiss Gott, was in diesen Impfungen sonst noch alles enthalten ist, von dem wir nichts wissen!», lautet ein Kommentar dazu.

Die Bewertung

Das Video ist zwar echt, die damit verbreitete Behauptung jedoch falsch. Die zu hörende Passage handelt nicht von einem tatsächlich verfügbaren Covid-Impfstoff, sondern konkret um einen Impfstoff-Kandidaten von australischen Forschenden. Dieser ist nie zugelassen worden. Auch hat das Forschungsteam nicht das HI-Virus selbst genutzt, sondern nur ein Fragment eines HIV-Proteins, das dem Virus zwar hilft, an Wirtszellen anzudocken, aber keine Infektion auslösen kann. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr einer tatsächlichen HIV-Infektion.

Darum gehts in der BBC-Dokumentation wirklich

Die Falschbehauptung basiert auf der 89-minütigen BBC-Dokumentation «Horizon Special: The Vaccine» aus dem Jahr 2021. Diese zeigte die «Geschichte des beispiellosen globalen Bestrebens, Impfstoffkandidaten in Tagen und Wochen statt in Jahren zu entwickeln», wie die BBC in einer Info schreibt. Konkret gewährt der Dokfilm Einblick in die Arbeit von fünf Gruppen von Impfstoffforschenden aus den USA (Moderna), China (Sinopharm), Grossbritannien (AstraZeneca), Australien (kein zugelassener Impfstoff) und Deutschland und den USA (Pfizer/Biontech).

Die Original-Dokumentation ist 89 Minuten lang – der auf Social Media geteilte Beitrag zeigt nur rund 25 Sekunden.

Die Original-Dokumentation ist 89 Minuten lang – der auf Social Media geteilte Beitrag zeigt nur rund 25 Sekunden.

Screenshot BBC

Mini-Ausschnitt geht viral – ohne Kontext

Der rund 25-sekündige Ausschnitt, der auf Social Media kursiert, betrifft die Arbeit des australischen Teams um Keith Chappell von der University of Queensland. Jedoch, ohne den Kontext mitzuliefern. So heisst es nur, dass das bei dem australischen Impfstoffkandidaten «ein winziges Fragment von HIV» zum Einsatz komme. Ohne weitere erklärende Informationen kann das falsch verstanden werden.

Bist du gegen Covid-19 geimpft?

Kontext wichtig zum Verständnis: Darum ging es bei Chappells Impstoffkandidaten

Chappell und seine Kolleginnen und Kollegen forschten 2020 zu einem innovativen Proteinimpfstoff, bei dem eine neuartige «Klammer-Technik» zum Einsatz kommen sollte. Warum, erklärt Chappell in der Original-BBC-Doku (ca. ab Minute 11:25): «Das Spike-Protein ist hochflexibel. Es will auseinanderfallen, sich in andere Strukturen verwandeln.» Die molekulare Klammer halte es zusammen «und ermöglicht es ihm, zu 100 Prozent in dieser Struktur zu bleiben, die auf der Oberfläche des Coronavirus vorhanden ist.» Dadurch soll das Virus angreifbarer für den Impfstoff bleiben.

«Winziges Fragment» ist kein Teil des Virus, das HIV übertragen kann

Das von der BBC-Sprecherin erwähnte «Fragment von HIV» soll als Klammer dienen. Im Dok erklärt Chappell, warum die Wahl ausgerechnet darauf fiel: «Wir haben uns dafür entschieden, weil es so gut erforscht ist. Es handelt sich um eine hochstabile Struktur», sagt er vor laufender Kamera. «Diese Art von Impfstoff birgt absolut kein Risiko. Es gibt nichts, was die HIV-Vermehrung auslöst.» Es sei nur in kleines Fragment eines Proteins, das auch in HIV vorkomme.

gp41: Um dieses Protein-Fragment ging es

Bei dem Protein-Fragment, das die Australier in ihrem Impfstoffkandidaten einsetzen wollten, handelt es sich um das Glykoprotein 41, kurz gp41. Davon berichteten sie 2021 im Fachjournal «The Lancet». gp41 kommt in der Virushülle des HI-Virus vor und dient der Fusion des Virus mit der Wirtszelle. Konkret: Es hilft dem Virus anzudocken, kann aber selbst keine Infektion hervorrufen.

Das Glykoprotein 41 sitzt auf der Aussenseite des HI-Virus. Dort umklammert es einen «Spike» des Virus.

Das Glykoprotein 41 sitzt auf der Aussenseite des HI-Virus. Dort umklammert es einen «Spike» des Virus.

Getty Images/Science Photo Library RF

Aus dem Ansatz der australischen Forschenden wurde nichts

Der australische Impfstoffkandidat hat es nie zur Zulassung gebracht. Auch dies findet in dem Mini-Clip keine Erwähnung. Die Entscheidung, die Entwicklung des Kandidaten zu stoppen, fiel bereits während der Phase-I-Studie: Zwar zeigten die mit dem Vakzin geimpften Studienteilnehmenden robuste Immunreaktionen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2, allerdings wurde auch deutlich, dass «das in der Klammer vorhandene gp41 [ …] zu Störungen bei HIV-Diagnosetests führte», wie es in «The Lancet» heisst. In anderen Worten: Gängige HIV-Tests zeigten bei den Geimpften mitunter eine «falsch-positive» HIV-Infektion an.

Das Video und die dazugehörigen Posts entbehren gemäss der wissenschaftlichen Daten jeder Grundlage. Es bestehe «allgemein Einigkeit darüber, dass die etablierten HIV-Testverfahren im Gesundheitswesen erheblich geändert werden müssten, um die Einführung dieses Impfstoffs zu ermöglichen», teilte die Queensland University schon im Dezember 2020 mit. Daher hätten die Uni und die australische Regierung «vereinbart, dass die Impfstoffentwicklung nicht in die Phase 2/3 der Studien übergehen wird». Über den Stopp der Entwicklung des australischen Covid-Impfstoffs berichtete auch Science.com. Auch in der BBC-Dokumentation wird er erwähnt (ab rund 1:08:20).

Alle Beteiligten betonten damals, dass der Impfstoff zwar zu falsch-positiven HIV-Tests führte, er aber nachweislich keine HIV-Infektionen verursacht: Routinemässige Folgetests «haben bestätigt, dass kein HI-Virus vorhanden ist».

Fazit

Die Behauptung, dass Covid-Impfstoffe HIV enthalten, ist falsch. Sie basiert auf einem aus dem Kontext gerissenen Ausschnitt einer BBC-Dokumentation, in der es um einen australischen Impfstoffkandidaten ging, der nie zugelassen wurde. Dieser enthielt ein Fragment eines HIV-Proteins (gp41), das jedoch keine Infektion auslösen konnte. Es wurde als molekulare Klammer verwendet, um die Stabilität des Protein-Impfstoffs zu erhöhen. Die Entwicklung wurde Ende 2020 gestoppt, da der Impfstoff zwar gut gegen Covid-19 wirkte, aber zu falsch-positiven HIV-Testergebnissen führte. Es sei infolge der Impfung während der Phase-I-Studie zu keiner HIV-Infektion gekommen. Das haben regelmässige Folgetests gezeigt.

Das Video und die dazugehörigen Posts entbehren gemäss der wissenschaftlichen Daten jeder Grundlage. Sie zielen darauf ab, Ängste vor den Covid-Impfungen generell zu schüren.

Fake News entdeckt? Schick sie uns!

Kommt dir eine Meldung, Behauptung, ein Bild oder ein Video unglaubwürdig vor? Schick uns deinen Verdacht an faktencheck@20minuten.ch oder über einen der untenstehenden Messenger.

Speichere unseren Kontakt im Messenger deiner Wahl und sende verdächtige Videos, Fotos und Dokumente schnell und unkompliziert an die 20-Minuten-Redaktion. Verrate uns bitte auch, wo du es entdeckt hast. Je genauer deine Angaben sind, desto besser können wir eine Behauptung auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen.

Die Verwendung deiner Beiträge durch 20 Minuten ist in unseren AGB geregelt: 20min.ch/agb

Darum wurde das Kommentarfeld deaktiviert

  • Wir wissen, wie wichtig es ist, eure Meinung zu teilen. Leider müssen wir die Kommentarspalte bei diesem Artikel geschlossen lassen. Es gibt Themen, bei denen wir wiederholt Hasskommentare und Beleidigungen erhalten. Trotz intensivem Aufwand findet in diesen Kommentarspalten kein konstruktiver Austausch statt. Das bedauern wir sehr. Bei Storys rund um Todesfälle, Verbrechen und Unglücke verzichten wir ebenfalls auf die Kommentarfunktion.

  • Uns ist der Austausch mit euch enorm wichtig – er ist ein zentraler Bestandteil unserer Plattform und ein wesentlicher Baustein einer lebendigen Demokratie. Deshalb versuchen wir die Kommentarspalten so oft wie möglich offenzuhalten.

  • Ihr habt es selbst in der Hand: Mit respektvollen, konstruktiven und freundlichen Kommentaren tragt ihr dazu bei, dass der Dialog offen und wertschätzend bleibt. Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch in der nächsten Kommentarspalte!

Faktencheck-Push

Falle nicht auf Fake-News rein! Abonniere in der 20-Minuten-App die Benachrichtigungen des Faktencheck-Kanals. So bleibst du auf dem neuesten Stand über den Wahrheitsgehalt von Behauptungen aus der weiten Welt der sozialen Medien. Stimmt die neueste Nachricht zum Coronavirus, sieht man wirklich ukrainische Soldaten im viralen Video und sind tatsächlich Ufos auf der Erde gelandet?

So gehts: Installiere die neueste Version der 20-Minuten-App. Tippe oben rechts aufs Einstellungs-Menü (drei Striche mit Kreis), dann «Einstellungen» und schliesslich auf «Push-Mitteilungen». Wähle die gewünschten Themen aus und klicke dann «Weiter». Wähle nun, falls gewünscht, eine Region aus und klicke «Weiter». Beim Punkt «Themen» kannst du jetzt «Faktencheck» auswählen. «Bestätigen» klicken und du bist dabei!

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt