Klimaerwärmung könnte uns erblinden lassen – das steckt dahinter

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Gefährdetes AugenlichtForschende besorgt – die Hitze könnte uns blind machen

Forschende aus Kanada zeichnen für unsere Zukunft ein düsteres Bild. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Ihrer Studie zufolge dürfte sich unser Augenlicht verschlechtern.

Trockene Böden sind nur eine Folge steigender Temperaturen. 
Auch für unsere Gesundheit kann die Klimaerwärmung Folgen haben. 
Tatsächlich bringen hohe Temperaturen tödliche Gefahren mit sich, weil Hitze den Körper in besonderem Mass beansprucht.
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Trockene Böden sind nur eine Folge steigender Temperaturen. 

IMAGO/blickwinkel

Darum gehts

  • Laut einer kanadischen Studie haben Menschen in wärmeren Regionen mehr Sehbehinderungen als Menschen in kälteren Gebieten.

  • Zwar gibt es noch offene Fragen, doch die Forschenden zeigen sich angesichts der voranschreitenden Klimaerwärmung besorgt.

Die Klimaerwärmung hat Einfluss auf unser Leben – direkt, wie die im Jahr 2021 erstmals gestellte Diagnose Klimawandel-Leiden zeigt, aber auch indirekt.

Etwa weil die steigenden Temperaturen das Risiko für künftige Pandemien erhöhen (siehe folgende Bildstrecke) oder der Klimawandel unsere Lebensräume und Lebensgrundlagen gefährdet. Eine weitere mögliche Folge benennen Forschende der University of Toronto im Fachjournal «Ophthalmic Epidemiology».

US-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen: In den nächsten Jahrzehnten könnte das Risiko für neue Virusinfektionen aufgrund der globalen Erwärmung stark ansteigen. (Im Bild: Vertrocknete Mais-Plantage in Südafrika, 2016)
Laut der im Fachjournal «Nature» veröffentlichen Studie verändern Klimawandel und Landnutzung die Verbreitung von Wildtieren und führen so zu vermehrten Kontakten mit zuvor isolierten Arten und ihren Erregern. (Im Bild: Ein Fledermaus-Jäger, der auf den Philippinen eine Fledermaus einfängt, um sie auf Viren zu untersuchen, 2021)
Im Jahr 2070 werden sich die menschlichen Bevölkerungszentren in Äquatorialafrika, Südchina, Indien und Südostasien mit den prognostizierten Hotspots der artenübergreifenden Virusübertragung in der Tierwelt überschneiden.
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US-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnen: In den nächsten Jahrzehnten könnte das Risiko für neue Virusinfektionen aufgrund der globalen Erwärmung stark ansteigen. (Im Bild: Vertrocknete Mais-Plantage in Südafrika, 2016)

REUTERS

So lautet das Studienergebnis

Das Team um Esme Fuller-Thomson wies nach, dass Erwachsene, die in wärmeren Regionen leben, häufiger unter schwerer Sehbehinderung leiden als Gleichaltrige in kühleren Gegenden. Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Sehbehinderung stieg mit dem Anstieg der Durchschnittstemperatur schrittweise an, so die Forschenden.

Wie kommen die Forschenden darauf?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten Daten, die zwischen 2012 und 2017 im Rahmen des American Community Survey erhoben wurden. Die von Fuller-Thomson und ihrem Team untersuchte Stichprobe umfasste die Daten von mehr als 1,7 Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern über 65 Jahren, die sich in der Befragung unter anderem zu ihrer Sehfähigkeit geäussert hatten (siehe Box). Die Angaben kombinierten die Forschenden mit den von der National Oceanic and Atmospheric Administration für diesen Zeitraum angegebenen Durchschnittstemperaturen.

Angenommene Augenleiden

Im Survey wurde nicht erhoben, unter welchen Augenproblemen die Befragten litten. Die ihnen gestellte Frage lautete: «Sind Sie blind oder haben Sie ernsthafte Sehschwierigkeiten, selbst wenn Sie eine Brille tragen?» Wurde sie mit «Ja» beantwortet, gingen die Forschenden davon aus, dass das Augenlicht beeinträchtigt war.

Zu den Erkrankungen, unter denen die Patientinnen und Patienten wahrscheinlich gelitten haben, gehörten Grauer Star (Augenlinsentrübung), Grüner Star (unwiderrufliche Sehnervschädigung) und Bindehautentzündung.

So sieht das konkrete Ergebnis aus

Im Vergleich zu Menschen, die in Bundesstaaten mit einer Durchschnittstemperatur unter zehn Grad Celsius wie New York und Maine leben, waren Menschen in Bundesstaaten mit Temperaturen über 15,5 Grad Celsius – Florida, Texas und Georgia – dem höchsten Risiko ausgesetzt.

Diejenigen, die in Gebieten mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 12,7 bis 15 Grad Celsius lebten – wie Virginia, Kentucky und Kalifornien – hatten ein um 24 Prozent höheres Risiko, Sehprobleme zu haben.

Menschen in Bundesstaaten mit einer Durchschnittstemperatur von zehn bis 12,2 Grad Celsius hatten ein um 14 Prozent höheres Risiko, Probleme zu haben.

Das könnten die Gründe sein

Die Ursache ist noch nicht identifiziert. Die Forschenden haben aber vier mögliche Verursacher im Verdacht:

  • erhöhte UV-Strahlung: Studien hätten gezeigt, dass UV-Strahlung das Linsenprotein schädigen und zu einem Zelltod in Bindehaut und Hornhaut führen kann. Die UV-Exposition sei mit einem erhöhten Auftreten verschiedener Augenkrankheiten in Verbindung gebracht worden, darunter Pterygium, klimatische Tröpfchenkeratopathie und Grauer Star.

  • Infektionen: Die Temperatur kann laut den Forschenden das Muster von Infektionskrankheiten beeinflussen. Es sei beispielsweise festgestellt worden, dass das Auftreten von Pilzkeratitis, die zu Hornhautnarben und Blindheit führen kann, positiv mit einer erhöhten Lufttemperatur korreliert.

  • Luftverschmutzung: Wärmeres Wetter führt zu mehr Schadstoffen in der Luft. Das könne die Augengesundheit beeinträchtigen, indem sie strukturelle Veränderungen an der Augenoberfläche und dem Bindehautepithel hervorruft. Sie wird zudem mit Grauem und Grünem Star und Bindehautentzündung in Verbindung gebracht.

  • Folsäure: Von ihr sei bekannt, dass sie das Risiko einer altersbedingten Makuladegeneration deutlich senken kann. Sie werde durch die Einwirkung von ultraviolettem Licht jedoch abgebaut.

Werden wir jetzt alle blind?

Das kann die Studie nicht beantworten. Darauf weist auch das Team um Fuller-Thomson hin: Da es sich bei der Arbeit um eine Beobachtungsstudie handelt, lässt sich nicht sagen, ob wärmere Temperaturen zu Sehstörungen führen (Kausalität) oder nur mit ihnen zusammen auftreten (Korrelation). Dafür seien weitere Untersuchungen notwendig. «Sollte sich der Kausalzusammenhang bestätigen, wäre das angesichts der weltweit steigenden Temperaturen sehr besorgniserregend», so die Studienleiterin.

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