FreihandelsabkommenChina kauft die Welt, schützt sein Tafelsilber aber mit allen Mitteln
Die Schweiz hofft auf Handelserleichterungen mit China. Während es einen Ausverkauf in der Schweiz gibt, baut China die Hürden nicht ab.
Handel mit China: Darum gehts
Die Schweiz will den Handel mit China vereinfachen.
Das Land hat aber immer noch hohe Hürden für Schweizer Firmen.
Economiesuisse warnt vor einem Eigengoal, wenn die Schweiz nun ebenfalls Hürden einführt.
China ist einer der wichtigsten Schweizer Handelspartner und die Verflechtungen dürften noch grösser werden. Bundespräsidentin Viola Amherd empfing am Montag Chinas Premierminister Li Qiang. Thema war neben Menschenrechten und Schutz des geistigen Eigentums auch der einfachere Handel zwischen den Ländern.
Schweiz und China wollen Zollbestimmungen und Visa abschaffen
Das seit 2014 geltende Freihandelsabkommen soll modernisiert werden, wie es in einer Medienmitteilung von Amherds Departement heisst. So soll beispielsweise der Warenverkehr für viele Produkte einfacher werden.
Ausserdem sollen Schweizerinnen und Schweizer künftig bis zu 15 Tage ohne Visum nach China reisen können. Dafür soll es wiederum Visa-Erleichterungen für Personen und für Firmen aus China geben, die in der Schweiz investieren, wie die Nachrichtenagentur AFP unter Bezug auf die chinesische Agentur Xinhua schreibt.
China ist viel strenger bei Übernahmen
Investitionen aus Fernost gibt es zahlreiche. Rund hundert Schweizer Firmen sind in chinesischer Hand, wie der über hundert Jahre alte Frauenfelder Trinkflaschen-Hersteller Sigg. Die Schweiz ist offen für Direktinvestitionen, mit Ausnahme von Infrastrukturen wie Verkehr oder Strom, wie Rudolf Minsch von Economiesuisse zu 20 Minuten sagt. Umgekehrt sind die Hürden für Investitionen in China aber deutlich höher.
Dafür gibt es Kritik aus der Politik. EVP-Nationalrat Nik Gugger findet die chinesischen Firmenkäufe in der Schweiz «sehr problematisch, weil die Schweiz so ihre Unabhängigkeit verliert», wie er sagt. Für Schweizer Firmen sei es viel schwieriger und risikoreicher, ein chinesisches Unternehmen zu kaufen. Dies unter anderem, weil der chinesische Staat jedes Unternehmen jederzeit enteignen und übernehmen könne. «Hier sind die Spiesse definitiv nicht gleich lang, was man unter Partnern eigentlich erwarten müsste», so Gugger.
Seit Jahren beklagen europäische Unternehmen Wettbewerbsnachteile in China wegen mangelnden Marktzugangs oder regulatorischer Hürden. Dafür rügte auch schon die Welthandelsorganisation das Land. Warum nimmt die Bundespräsidentin den Kontrollverlust über die eigene Wirtschaft also hin und verlangt kein Gegenrecht?
Die Wichtigkeit von China für den Rest der Welt sei gross – und damit auch ihre Abhängigkeit, sagt China-Expertin Simona Grano von der Uni Zürich. Der Bundesrat habe sehr bewusst verhandelt, sagt die Expertin. Man habe sich dazu entschieden, wirtschaftliche Aspekte über wertbezogene Aspekte zu setzen.
China öffnet sich nur einen Spalt weit
Neue Investitionshürden hält Minsch für den falschen Weg. In der Schweiz sei kritische Infrastruktur wie Wasserwerke oder die Swisscom ohnehin in der Hand der Gemeinden, Kantone oder des Bundes. Es wäre ein Eigengoal, wenn die Schweiz nun Hürden einführe und damit Gegenreaktionen riskiere.
Minsch kritisiert auch die Hürden in China für Schweizer Firmen. «Wir sagten auch immer gegenüber China, dass sie die Investitionen erleichtern sollen. Wir sind überzeugt, dass gegenseitige Investitionen gut für alle Länder sind.»
In den vergangenen Jahren habe sich China zwar in allen Sektoren etwas geöffnet. So habe China beispielsweise die sogenannte Negativliste reduziert, auf der steht, wo ausländische Firmen nicht investieren dürfen. Heute sei es auch nicht mehr erforderlich, als Autobauer ein Joint Venture mit einer chinesischen Firma zu gründen. Das Land sei aber noch nicht so weit wie die Schweiz und seit der Corona-Krise sei nicht mehr viel passiert, so Minsch.
Übernahmen sind Folgen des freien Markts
Obwohl der Markt in China nicht frei ist, kommen Schweizer Firmen trotzdem. «China ist wirtschaftlich zu mächtig, das Land kann sich deshalb viel erlauben», sagt Martin Mosler vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern.
Eigene Einschränkungen gegen den Kauf von Schweizer Firmen seien aber gefährlich, weil sie wohl schnell politisch für Parteiziele ausgenutzt würden, so Mosler. Der freie Handel sei eine grosse Errungenschaft der letzten Jahrzehnte. Aber: «Unangenehm wird es vor allem dann, wenn Technologien und Patente abfliessen, die nicht privatwirtschaftlich im Unternehmen bleiben, sondern den Wettbewerb unfair verzerren und etwa bei Staatsunternehmen landen», sagt Mosler.
Soll sich die Schweiz besser vor Firmenübernahmen aus dem Ausland schützen?
Es gibt aber nicht nur einen Ausverkauf nach China (siehe Box). Das durchschnittliche Schweizer Unternehmen an der Börse gehöre schon jetzt zu grossen Teilen internationalen Finanzinvestoren, so Mosler. «Amerikanische Finanzinvestoren wie Blackrock halten grosse Stimmrechtspakete. Blackrock kann seine Unternehmen so koordinieren, dass es weniger Wettbewerb und damit höhere Preise gibt – das ist ein Nachteil für alle Volkswirtschaften. Solche Kartelle sind schlecht für die Allgemeinheit: Die Gewinne der Finanzinvestoren steigen, die Bürger leiden», sagt Mosler.
USA investieren fast zehnmal so viel wie China
Die Schweiz hat derzeit rund 26 Milliarden Franken in China investiert, während der Kapitalbestand Chinas in der Schweiz etwa 18 Milliarden Franken beträgt, wie Rudolf Minsch von Economiesuisse sagt. Im Vergleich dazu: Die USA haben in der Schweiz rund 166 Milliarden Franken investiert, also fast zehnmal mehr als China.
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