Gefahr für SäuglingeTrotz Impfung: Keuchhusten grassiert in der Schweiz
Die Schweiz wird von einer Keuchhusten-Welle heimgesucht. Besonders für ungeimpfte Säuglinge ist die Krankheit gefährlich. Ein Experte fordert eine Anpassung der Impfstrategie.
Darum gehts
In verschiedenen europäischen Ländern ist der Keuchhusten auf dem Vormarsch, die Fallzahlen explodieren.
In England sind im ersten Quartal 2024 fünf Kinder daran gestorben, in den Niederlanden im Februar und im März vier.
Auch in der Schweiz steigen die Fallzahlen seit Anfang Jahr stark an.
Grund dafür sind Post-Covid-Effekte. Ein Experte fordert, dass die Impfstrategie angepasst wird.
Was ist passiert?
In verschiedenen Ländern Europas sind in den letzten Monaten die Keuchhusten-Fallzahlen in die Höhe geschossen. Vergangenen Herbst meldeten England und Dänemark besorgniserregende Anstiege, jetzt sprach auch eine leitende norwegische Expertin von einem rasanten Anstieg, der «darauf hindeuten könnte, dass wir hier eine Epidemie haben». Auch in Holland steigen die Fallzahlen, vier Kinder sind am Keuchhusten gestorben.
Wie sieht die Situation in der Schweiz aus?
«Dank der Impfung ist Pertussis in der Schweiz eine seltene Krankheit. In den letzten 20 Jahren vor der Pandemie bewegte sich die jährliche Inzidenz zwischen 40 bis 164 Fälle pro 100’000 Einwohnerinnen und Einwohner», sagt Simon Ming, Mediensprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Aber: «Wir beobachten wieder einen Anstieg der Fälle. Seit Anfang 2024 wurden bereits fast doppelt so viele Fälle wie im ganzen Jahr 2023 gemeldet.»
Wie viele Menschen erkrankten also jetzt daran?
Genaue Zahlen gibt es laut Ulrich Heininger nicht, weil die Krankheit nicht meldepflichtig ist. Heininger ist Leitender Arzt und Abteilungsleiter Pädiatrische Infektiologie und Vakzinologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) und beschäftigt sich schon seit den 1990er-Jahren intensiv mit Keuchhusten. «Wir bemerken den Anstieg der letzten Monate aber im Alltag. Fälle von Pertussis-Erkrankungen schiessen gerade wie Pilze aus dem Boden.»

Ulrich Heininger, Leitender Arzt und Abteilungsleiter Pädiatrische Infektiologie und Vakzinologie am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Ist die Krankheit gefährlich?
Insbesondere für Säuglinge unter zwei Monaten kann die Krankheit gefährlich sein und sogar tödlich verlaufen, wenn die Mutter sich während der Schwangerschaft nicht hat impfen lassen. Heininger erklärt: «Mit der Impfung für Schwangere werden Schutzstoffe an das ungeborene Kind übertragen. Die Impfung ist extrem wichtig, da der Säugling in den ersten zwei Monaten nach der Geburt noch nicht geimpft werden kann.»
Fühlst du dich gerade gesund?
Welche Symptome treten auf?
Wie der Name schon sagt vor allem starke Hustenanfälle. «Das kann gerade bei Säuglingen bis zu Erwürgen von Schleim und Atemaussetzern gehen», sagt Heininger. Getrunkenes werde häufig wieder erbrochen, was zu Dehydration führen könne. «Im Extremfall kommt es zum Atemstillstand und damit zum tödlichen Verlauf.» Die Sterblichkeit bei ungeschützten Säuglingen, die sich mit Pertussis anstecken, betrage ungefähr ein Prozent.
Wie kann ich mich schützen?
Mit der Impfung. Heininger: «Die Impfung hat eine Wirksamkeit von ungefähr 90 Prozent. Sprich: Einer von zehn Geimpften ist trotz Impfung nicht geschützt, wenn er sich ansteckt.» Trotzdem habe die Impfung extrem dazu beigetragen, dass die Krankheit in der Schweiz selten geworden sei.
Wieso steigen die Fallzahlen gerade jetzt an?
Wie bei anderen Infektionskrankheiten auch dürfte dies auf Post-Covid-Effekte zurückzuführen sein: «Einerseits hat unser Immunsystem während gut einem Jahr das tägliche Training im Kontakt mit anderen Menschen und deren Mikroorganismen nicht bekommen. Deshalb reagiert es auf Krankheitserreger jetzt wieder anfälliger. Und zweitens hat schlicht deren Verbreitung aufgrund des Wegfalls der Corona-Massnahmen wieder zugenommen», sagt Heininger.
Braucht es Massnahmen?
Grundsätzlich geht Heininger davon aus, dass sich die Fallzahlen in den nächsten ein bis zwei Jahren wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie einpendeln werden. Eine Massnahme schlägt er aber trotzdem vor: «Keuchhusten wird derzeit zusammen mit Diphtherie und Starrkrampf geimpft. Mit 25 gibt es eine Auffrischimpfung für alle drei Krankheiten. Mit 45 Jahren, 65 Jahren und danach alle zehn Jahre wird aber nur noch Diphtherie und Starrkrampf wieder aufgefrischt. Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll wäre, dann auch gleich Keuchhusten aufzufrischen», sagt Heininger.
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