Genderdebatte«Thema hat Eskalationspotenzial» – Politologe zu Gender-Tipps
Politologie-Professor Daniel Kübler erklärt, warum sich Gender-Vorgaben durchsetzen, obwohl die grosse Mehrheit das ablehnt.
Darum gehts
Die Mütter- und Väterberatung der Stadt Zürich gibt in ihrem Newsletter Tipps für eine «gendersensible Erziehung».
Die 20-Minuten-Leserschaft lehnt dies in seltener Einhelligkeit ab.
Politologie-Professor Daniel Kübler sagt, wie solche Empfehlungen entstehen. Sie hätten politisches Eskalationspotenzial.
Die Mütter- und Väterberatung der Stadt Zürich erklärt in ihrem Newsletter, wie gendersensible Erziehung geht. Etwa: «Wenn Sie von anderen Familien reden, können Sie neutrale Bezeichnungen wie Kind, Elternteil oder Betreuungsperson verwenden.» Darüber berichtete die NZZ. Das kommt auf Social Media wie bei Politikerinnen und Politikern schlecht an.
Laut Daniel Kübler, Politologe an der Universität Zürich und am Zentrum für Demokratie Aarau, lässt die Mütter- und Väterberatung politische Sensibilität vermissen. Betreuungsperson oder Elternteil statt Mami und Papi zu sagen, sei «schon etwas realitätsfern».
In Verwaltungen könne es vorkommen, dass weltfremde Entscheide getroffen würden, weil die Mitarbeitenden manchmal in einer Bubble lebten, in der alle denselben beruflichen Hintergrund und ähnliche gesellschaftliche Ansichten hätten. «Da entstehen Ideen, die an der grossen Bevölkerungsmehrheit vorbeizielen.» Der Realitätscheck müsse durch die politisch Verantwortlichen gemacht werden. «Sie müssen das Gespür haben dafür, was für die Bevölkerungsmehrheit akzeptabel ist und was nicht.»
«Wenn Minderheit sich durchsetzt, ist Backlash oft nicht weit»
Kübler rechnet damit, dass sich die politischen Instanzen in der Stadt bald damit befassen. Denn das Thema habe Eskalationspotenzial – ähnlich wie die Ankündigung eines «Gender-Tags» in Stäfa. Der Newsletter enthalte zwar auch viel Bedenkenswertes, aber Genderthemen polarisierten mittlerweile so stark, dass ein unbedarfter Nebensatz oder ein einzelnes Wort zum öffentlichen Aufreger werden könne. Die Debatte darüber sei geeignet, die Leute zu mobilisieren, was sich dann in der Nutzung direktdemokratischer Instrumente zeige, wie etwa der 2022 in Zürich lancierten Genderstern-Initiative. «Es ist auch richtig, dass es diese Instrumente gibt und die Leute davon Gebrauch machen - besser, als Anti-System-Parteien zu unterstützen, wie das in anderen Ländern der Fall ist.»
«Wenn sich eine Minderheit gegen eine Mehrheit durchsetzt», sagt Daniel Kübler, «ist der Backlash oftmals nicht weit weg. Wenn es den Leuten zu viel wird, werden sie aktiv.» Ob die SVP davon profitiert, die das Genderthema zum zentralen Wahlkampfthema gemacht hat, könne man heute noch nicht beurteilen. «Es kann auch wieder vergessen gehen bis zu den Wahlen. Das kommt auch darauf an, wie der Stadtrat nun mit dieser Sache umgeht.»
Droht ein Backlash?
Strassenumfrage
«Finde es toll, dass die Behörden ein Bewusstsein schaffen»
Laurenz (21) aus Zürich
«Ich finde die Empfehlung der Beratungsstelle völligen Quatsch. Eltern sollten selbst entscheiden können, wie sie mit ihren Kindern sprechen. Ich glaube, dass nur eine Minderheit solche Sprachvorgaben unterstützt. Darum sollte man diese nicht auf die Allgemeinheit übertragen.»
Charlotte (44) aus Zürich
«Ich finde es toll, dass die Behörden ein Bewusstsein für solche Themen schaffen. Vielen ist gar nicht klar, dass Bezeichnungen wie ‹Mami› und ‹Papi› nicht auf alle Eltern zutreffen. Ausserdem sind es nur Empfehlungen der Beratungsstelle, sie zwingen niemanden dazu, diese zu befolgen. Selbst werde ich aber darauf achten.»
Angela (29) aus Zürich
«Ich bin mit den Wörtern ‹Mami› und ‹Papi› aufgewachsen und verstehe nicht, wieso man das ändern sollte? Schlussendlich sind es schlichtweg Vater und Mutter. Wenn ein Kind beispielsweise zwei Väter oder einen non-binären Elternteil hat, kann man dies ja offen kommunizieren und wenn nötig die Sprache situativ anpassen.» (THS)
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