«Gipfel Zytig»Rassistische Satire in Lokalblatt: «Verstösst gegen Menschenwürde»
Ein Leser meldete 20 Minuten eine rassistische Darstellung, die in einer Ausgabe der Davoser «Gipfel Zytig» zu finden ist. Recherchen zeigen: Das Blatt veröffentlicht regelmässig solche Beiträge.
Darum gehts
Ein Leser meldete eine rassistische Darstellung in der «Gipfel Zytig» an 20 Minuten.
Das Blatt veröffentlicht regelmässig Satire-Beiträge mit rassistischem Inhalt.
Der Herausgeber weist Rassismus-Vorwürfe zurück und sieht die Inhalte als humorvoll an.
Der Davoser Tourismusverband distanziert sich klar von den Inhalten der Zeitung.
Der Fachstelle Diskriminierung & Rassismus von Humanrights.ch sind die Herausgeber bekannt.
Ein zweigeteiltes Bild mit jeweils zwei Überschriften und zwei kleineren Bildern: Auf der linken Seite steht «Italien vor 2000 Jahren». Darunter zu sehen: imposante Bauten mit beeindruckender Architektur. Rechts daneben: «Afrika vor circa 30 Minuten». Im Bild sieht man eine schwarze Person vor einer Strohhütte. Was die Darstellung suggeriert: In Italien war man bereits vor 2000 Jahren fortschrittlicher, als man es im Jahr 2024 in Afrika ist.
Erschienen ist das Bild unter der Rubrik «Hitsch Bärenthalers Schnellschüsse» im Davoser Lokalblatt «Gipfel Zytig» vom 25. Dezember. Die Zeitung bezeichnet sich selbst als «Organ für den Tourismus im Prättigau, in der Landschaft Davos, im Albulatal sowie im Engadin». Sie erscheint wöchentlich mit einer Auflage von 15'000 Exemplaren und wird von vielen lokalen Unternehmen sowie Hotels für Werbung genutzt. Zugestellt wird sie als Gratis-Beilage per Post, sie liegt aber auch in Hotels aus.
News-Scout will Beschwerde beim Presserat einlegen
News-Scout Beat Pfeiffer (61) machte 20 Minuten auf die Darstellung aufmerksam. Er ist entsetzt darüber, dass die Zeitung an Tausende Haushalte im Prättigau und in Davos zugestellt werden darf. «Das ist Rassismus pur und verstösst gegen jegliche Menschenwürde.» Pfeiffer hat einen Zweitwohnsitz im kleinen Dörfchen Pany in der Nähe von Davos und kommt regelmässig in die Region. Besonders beschämend finde er die Vorstellung, dass Touristen mit der rassistischen Witzeseite in Berührung kommen könnten. «Für das Image von Davos ist so etwas doch eine Katastrophe. Der Tourismusverein muss da aktiv werden.»
Wie sollte man mit rassistischen Darstellungen in Medien umgehen?
Pfeiffer stellt sich auch die Frage, inwieweit den Inserenten im Blatt bewusst ist, was für eine Art Zeitung sie eigentlich unterstützen. «Da sind auch namhafte Hotels dabei.» Mit seinen Nachbarn im Dorf habe Pfeiffer bereits über die «Gipfel Zytig» gesprochen. Sein Eindruck: «Die Leute haben sich an die rassistischen Inhalte gewöhnt. Getreu dem Motto: ‹Das kann man eh nicht ändern›.» Pfeiffer selbst will sich damit aber nicht zufriedengeben: «Ich werde Beschwerde beim Presserat einreichen. Man muss endlich etwas gegen diese Zeitung unternehmen.»
Das sagt der Herausgeber
20 Minuten hat versucht, mit Heinz Schneider (70), dem Herausgeber und einzigem Redaktor der Zeitung, über deren Inhalte zu sprechen. Am Telefon war er kurz angebunden: «Das ist eine Witzeseite, den Rassismus-Vorwurf lasse ich mir nicht gefallen. Ein bisschen Spass muss schliesslich sein!» Dann legte er auf.
Schneider wurde wegen seiner in der «Gipfel Zytig» erschienen Inhalte bereits mehrfach vom Presserat gerügt und wegen Rassendiskriminierung verurteilt. Aber all das hält den Herausgeber offenbar nicht davon ab, weiterzumachen. Im August 2023 titelte das Blatt «Davos: Ein Sch****dreck auf der Terrasse.» Zu sehen ist ein Haufen menschlicher Exkremente, die laut Zeitung «unzweifelhaft von einem menschlichen Wesen mit jüdischer Abstammung» stammten. Der Beitrag sorgte nicht nur beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG für Empörung. Verschiedene Medien berichteten, dass zahlreiche Davoser schon lange mit dem Aufkleber «Bitte keine Gipfel-Zeitung» an ihren Briefkästen gegen das Blatt protestieren.
Das sagt die Gemeinde
Severin Bischof, Leiter Kommunikation bei der Gemeinde Davos, schreibt auf Anfrage: «Die Gemeinde Davos verurteilt alle rassistischen Aussagen und Aktivitäten. In Davos treffen sich seit bald 150 Jahren Menschen mit ganz unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen. Alle Menschen sind hier willkommen und leisten einen geschätzten Beitrag für ein funktionierendes Zusammenleben und einen lebendigen Ort. Die Gipfelzeitung ist kein Publikationsorgan der Gemeinde Davos und die Gemeinde Davos schaltet keine Inserate in der Gipfelzeitung. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Gemeinde Davos, die Qualität von einzelnen Medieninhalten zu beurteilen.»
Das sagt der Tourismusverband
Auch der Davoser Tourismusverband distanziert sich: «Entgegen der Selbstbezeichnung als ‹Organ des Tourismus› gibt es keine Verbindung zwischen der Destination Davos Klosters und der Gipfelzeitung. Wir distanzieren uns ausdrücklich von den erwähnten Inhalten und verurteilen diese klar.»
Das sagt Humanrights
Nora Riss von der Fachstelle Diskriminierung und Rassismus von Humanrights sagt: «Die Zeitung und ihr Herausgeber sind uns bekannt, es gehen immer mal wieder Meldungen dazu ein. Die Beiträge sind oft klar rassistisch und auch strafbar.» Riss finde es «beängstigend, dass eine Zeitung, die sich so oft derart rassistisch äussert, weiterhin eine so grosse Reichweite hat». Leider hätten aber bereits die Strafbehörden festgestellt, dass der Herausgeber «nicht gewillt ist, sich an die geltende Rechtsordnung zu halten». Somit könne man nichts anderes tun, als bei jeder neuen rassistischen Äusserung erneut eine Anzeige zu machen.
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Beratungsnetz für Rassismusopfer
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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