Wohlstandsproblem?Frauen sind gebildeter als Männer, verdienen aber weniger
Die Gleichstellung von Frau und Mann schreitet in der Schweiz voran. Gleichwohl bestehen Missstände. Warum, erklärt Soziologin Katja Rost.
Darum gehts
Das Bundesamt für Statistik hat neue Zahlen zur Gleichstellung von Frau und Mann in der Schweiz veröffentlicht.
Demnach gibt es bei der Bildung, bei der Berufswahl, beim Einkommen und bei der Familienarbeit immer noch grosse Differenzen.
Die Gründe dafür sind je nach Lebensbereich unterschiedlich, wie Soziologin Katja Rost sagt.
Frau und Mann gelten in der Schweiz als gleichberechtigt. Gleichwohl bestehen in der Bildung, bei der Berufswahl, beim Einkommen und bei der Familienarbeit grosse Differenzen, wie aktuelle Daten des Bundesamts für Statistik zeigen.
Demnach ist das Bildungsniveau seit dem Jahr 2000 zwar bei beiden Geschlechtern erheblich gestiegen, jenes der Frauen jedoch stärker als das der Männer. So haben bei den 25- bis 34-Jährigen nun 53 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer einen Tertiärabschluss (Hochschulbildung und höhere Berufsbildung).
Geschlechtergefälle verlagert sich
Überraschend sei dieses Resultat nicht, sagt Katja Rost, Soziologin an der Universität Zürich, zu 20 Minuten. Insbesondere in den USA zeichne sich diese Entwicklung schon seit Jahren ab.
Dass die Männer nun aber auch hierzulande in der Bildung zurückfallen, erachtet Rost als höchst problematisch. Denn: «Das Geschlechtergefälle verlagert sich damit nur.» Hätten früher Männer weniger gebildete Frauen heiraten müssen, sei es heute einfach umgekehrt.

Das Schweizer Schulsystem sei mehr auf Mädchen als auf Jungs ausgerichtet, findet Soziologin Katja Rost.
IMAGO/Image SourceSchuld an der Entwicklung gibt Rost unter anderem dem Schulsystem, das ihrer Meinung nach mehr auf fleissige und gehorsame Menschen und damit einhergehend mehr auf Mädchen ausgerichtet sei. «Dies kann zum Matthäus-Effekt führen, bei dem sich Jungs bereits in jungen Jahren als abgestempelt ansehen und unwiderruflich zurückfallen.»
Berufswahl bleibt geschlechterspezifisch
Wenig geändert haben sich die Unterschiede hingegen in der Berufswahl, wie die Daten des Bundesamtes für Statistik ebenfalls zeigen. So sind junge Frauen nach wie vor in Berufsausbildungen und Studiengängen des technischen Bereichs und junge Männer in Ausbildungsgängen des Gesundheits- und Sozialwesens deutlich untervertreten.
«Dass die Karrierewünsche geschlechtsspezifisch sind, liegt unter anderem an dem hohen Wohlstand in der Schweiz», sagt Rost. Frauen wie Männer hätten deshalb das grosse Privileg, ihre Berufswahl nach ihren Interessen und nicht nach den Vorstellungen der Gesellschaft oder nach dem Geld auszurichten.

Es gebe immer noch Frauen, die lieber in die Rolle der Hausfrau und Mutter schlüpften, als arbeiten zu gehen, sagt Soziologin Katja Rost.
IMAGO/imagebrokerEin geringeres Geschlechtergefälle zeigt sich hingegen bei der Erwerbstätigkeit. Waren vor 30 Jahren nämlich noch 66 Prozent der Frauen erwerbstätig, sind es heute 77 Prozent. Bei den Männern waren es 90 Prozent, während der Anteil heute mit 84 Prozent etwas gefallen ist.
Lohnunterschied von 18 Prozent
Gleichwohl sind egalitäre Erwerbsmodelle in der Schweiz eine Seltenheit. So wird die Hausarbeit nur bei rund einem Viertel der Paare mit Kindern von beiden, Partner und Partnerin, erledigt. «Das ist eine Emanzipationsfrage», sagt Rost. Auch wenn die Gesellschaft verlange, dass sich Frauen mehr in der Berufswelt integrieren müssten, würden viele Frauen dennoch gerne die Rolle der Mutter einnehmen.
Unverändert ist das Geschlechtsgefälle auch beim Einkommen. Wie die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, verdienten Frauen im Jahr 2020 durchschnittlich 6817 Franken, Männer 8317 Franken. Das entspricht einem Lohnunterschied von 18 Prozent.
Bist du für die Gleichstellung von Frau und Mann?
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.