GraubündenRichter online beleidigt? Mann wird trotz Zweifel verurteilt
Ein Churer (72) erhielt kürzlich eine saftige Rechnung der Strafbehörden. Er soll einen Richter in einem Kommentar bei «Inside Justiz» beleidigt haben. Doch stichhaltige Beweise fehlen.
Darum gehts
Ein 72-jähriger Churer wurde per Strafbefehl verurteilt, weil er einen beleidigenden Kommentar online veröffentlicht hatte.
Die Strafbehörden konnten jedoch nicht zweifelsfrei belegen, dass der Kommentar tatsächlich von ihm stammte.
Der Verurteilte kündigte an, den Strafbefehl anfechten zu wollen.
Das ist passiert: Ein inzwischen vom Amt ausgeschiedener sowie erstinstanzlich verurteilter Richter hat Strafanzeige eingereicht, da er vor etwa zwei Jahren in der Kommentarspalte des Online-Portals «Inside Justiz» als «arroganter Grosskotz, ein Secondo, in dessen Heimat Vergewaltigungsdelikte wohl keine grosse Sache sind», bezeichnet wurde. Die Redaktion hat die Äusserungen des Lesers spätestens nach zwei Tagen gelöscht.
Die Ermittlungen: Nach Eingang der Strafanzeige hat die Staatsanwaltschat St. Gallen ein Verfahren eröffnet und beim Internetprovider von «Inside Justiz» weitere Angaben zum Ursprung des Kommentars eingeholt. Auf diese Weise gelangten die Behörden an die IP-Adresse sowie die hinterlegte E-Mail-Adresse und die Art des genutzten Geräts. Die Ermittlungen führten schliesslich zu einem 72-Jährigen in Chur. Bald darauf folgte für den ermittelnden Staatsanwalt jedoch die Ernüchterung: Die Swisscom teilte mit, dass keine der drei Handynummern des Mannes über die gesuchte IP-Adresse mit dem Internet verbunden waren, als der Kommentar bei «Inside Justiz» abgesetzt wurde. Als einziges Indiz blieb dem Staatsanwalt also noch die beim Portal hinterlegte E-Mail-Adresse. Weil bei «Inside Justiz» die E-Mail-Adresse und deren Besitzer nicht überprüft werden, könnte jede beliebige Person eine beliebige E-Mail nutzen. Trotzdem wurde die Staatsanwaltschaft Graubünden im vergangenen Oktober mit den weiteren Ermittlungen betraut und der Beschuldigte wurde polizeilich verhört.
Das Urteil: Obwohl die Beweislage im Fall dürftig ist, wurde der 72-jährige Churer im Oktober 2024 per Strafbefehl verurteilt. Dem«Tages-Anzeiger» liegen die entsprechenden Dokumente vor. Die Staatsanwaltschaft Graubünden brummt dem vermeintlichen Kommentarschreiber eine bedingte Geldstrafe von 6400 Franken, eine Busse von 1600 Franken und Verfahrenskosten sowie Gebühren in der Höhe von 2375 Franken auf. Ein Einzahlungsschein über 3975 Franken sei dem Urteil gleich beigelegt worden, schreibt die Zeitung weiter.
Die Begründung: Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» gibt die zuständige Behörde keinerlei Details zum Fall bekannt, da es sich nach wie vor um ein laufendes Verfahren handle. Es bleibt somit unklar, welche Beweise vorlagen, um einen Strafbefehl ausstellen zu können.
Die Reaktion: Auch der verurteilte Mann äusserte sich nicht zum Urteil. Berichten zufolge weist er die Schuld jedoch von sich und hat den noch nicht in Kraft getretenen Strafbefehl angefochten.
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