HaltungsjournalismusZDF-Journalist weint in Klima-Beitrag – «nötige Distanz fehlt»
In einer Reportage des ZDF zu einer Klimademo wird ein Journalist emotional, weil ein Mädchen Angst um seine Zukunft äussert. Dafür erntet der Sender Kritik, weil die journalistische Distanz fehle.
In einem Beitrag über eine Klima-Demo der letzten Generation ist der ZDF-Journalist sichtlich berührt und bricht in Tränen aus.
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In einer ZDF-Reportage fängt ein Journalist an zu weinen, als ihm ein Mädchen erzählt, weshalb es an Klimademos teilnimmt.
Im Netz löst der Ausschnitt heftige Diskussionen aus. Dem Reporter wird Haltungsjournalismus vorgeworfen.
Eine Medienethikerin ordnet das Ganze ein. Man müsse das Zeigen von Gefühlen im Journalismus je nach Kontext differenzieren.
«In diesem Fall hätte ich auf diese Szene verzichtet», meint sie.
Der deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehsender ZDF veröffentlichte eine Reportage der Serie «37 Grad» mit dem Titel «Der Klimastreit». Ein Ausschnitt des Filmes sorgt nun für Diskussionen.
Ein Mädchen, das seinen Vater zu einer Klimademo begleitet, erzählt, weshalb es das tut. Auf die Aussage hin, es gehe um ihre Zukunft, wird der Journalist vor der Kamera emotional. Er beginnt zu weinen und sagt, er finde es cool, dass sie mitlaufe. «Das zeigt uns Älteren, wie wichtig das ist.»
Der hundertfach auf Twitter geteilte Clip wird stark kritisiert. Die «öffentliche Zurschaustellung der eigenen Ergriffenheit» sei «die nächste Stufe des Haltungsjournalismus». Sprich: Der Journalist schlage sich mit seinen Emotionen zu sehr auf eine Seite und sei nicht objektiv. Zudem verstehen einige nicht, weshalb der Teil nicht aus der Reportage herausgeschnitten wurde. Besonders, weil es sich um einen öffentlich-rechtlichen Sender handelt.
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«Ich hätte auf diese Szene verzichtet»
Marlis Prinzing ist Kommunikationswissenschaftlerin, Ethikerin und Professorin in Köln, Zürich und Freiburg. «Wenn die nötige Distanz fehlt, kann das zulasten der kritischen Beobachtung gehen und mittelbar die Glaubwürdigkeit von Journalismus aushöhlen», warnt die Expertin. Das sei aber keine Frage von öffentlich-rechtlich oder nicht.
«In diesem Fall hätte ich auf diese Szene verzichtet», meint Prinzing. In ihr rücke der Journalist ins Zentrum, nicht das Ereignis und nicht die Einstellung der Befragten. Das Mädchen und auch sein Vater müssten quasi mit den Gefühlen des Journalisten umgehen – letztlich beanspruche er hier Mitgefühl. «Ich würde mich auf eine sachgerechte Darstellung der Teilnahme an der Demonstration beschränken.»
Expertin sieht zwei Aspekte
Prinzing sieht jedoch zwei Aspekte in der Diskussion um den Haltungsjournalismus.
«Es ist zum einen eine positive Entwicklung, dass auch im Informationsjournalismus Gefühle zunehmend eine grössere Rolle spielen – bezogen auf bestimmte Ereignisse wie auf handelnde Personen.» Das sei menschlich und tatsächlich Teil vieler Ereignisse. Aber: Für das Widerspiegeln von Gefühlen in der Berichterstattung gälten professionelle Kriterien: «Nicht mit Gefühlen spielen, sie nicht inszenieren, Menschen nicht über ihre Gefühle vorführen.»
«Ein oft diskutierter Grenzfall»
«Haltungsjournalismus geht zum anderen über das Zeigen von Gefühlen hinaus und zeigt eine bestimmte Einstellung zu einem Thema – im Beispiel des ZDF-Beitrags die über Weinen illustrierte Angst des Reporters vor den Folgen der Erderwärmung.» Thematisch sei das ein oft diskutierter Grenzfall, weil es um eine global sehr folgenreiche Problematik gehe.
Generell müsse man stets differenzieren – bezogen auf das Thema wie auf den Kontext: «Geht es um Grundsäulen unseres Miteinanders, also etwa Menschenrechte oder den Erhalt demokratischer Instanzen? Oder geht es um eine politische Einstellung zu einem bestimmten Thema? Berichten Journalisten und Journalistinnen aus Kontexten, die mit starken Gefühlen verbunden sind wie Kriegs-, Erdbeben- oder Flutgebieten, wo Gefühle stets auch Teil der zu beobachtenden Wirklichkeit sind?»
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