Vergewaltigungs-FallHamburger Staatsanwaltschaft zeigt Schweizerin (20) wegen Insta-Kommentaren an
Nach einer mutmasslichen Massenvergewaltigung schrieb eine 20-jährige Schweizerin wütende Kommentare auf Instagram. Das kommt sie teuer zu stehen.
Darum gehts
Die Hamburger Staatsanwaltschaft zeigte eine 20-jährige Schweizerin wegen Hasskommentaren auf Instagram an.
Insgesamt wurden bei einem der mutmasslichen Vergewaltiger über 30’000 Kommentare abgesetzt, rund 140 Verfahren wurden eingeleitet.
Nun muss die Frau aus dem Kanton Bern 1100 Franken bezahlen. «Ich weiss nicht, wie», sagt sie zu 20 Minuten.
Im Stadtpark von Hamburg kam es in der Nacht vom 19. auf den 20. September 2020 zu einer mutmasslichen Massenvergewaltigung. Das Opfer war damals 15-jährig. Die elf Tatverdächtigen waren zwischen 18 und 22 Jahre alt. Als es im November 2021 dazu Medienberichte gab, kursierten im Internet schnell die Namen einiger Verdächtiger.
Auf Instagram kochte die Stimmung hoch. Auf dem Profil eines der Verdächtigen gingen rund 30’000 Kommentare ein. Auch die einer 20-Jährigen aus dem Kanton Bern. «Ich schneid dir deinen hässlichen Schwanz ab, du elender Hurensohn», kommentierte sie. Und: «Schütte Benzin über dich und verbrenn dich, du Bastard.»
Dafür wurde sie nun bestraft.
Hasskommentare auf Instagram: 140 Verfahren
Die Hamburger Staatsanwaltschaft nahm nach dem Shitstorm nämlich Ermittlungen auf, wie sie auf Anfrage von 20 Minuten bestätigt. Insgesamt sind ca. 140 Verfahren gegen namentlich ermittelte Beschuldigte geführt worden – wegen «strafrechtlich relevanter Hasspostings».
Das Vorgehen: Zuerst legte die Staatsanwaltschaft Suchbegriffe fest, nach denen die Kommentare elektronisch vorsortiert wurden. Danach bewerteten das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg die Trefferliste einzeln nach ihrer strafrechtlichen Relevanz.
Die zwei Kommentare der Bernerin blieben dabei hängen. Der Hamburger Staatsanwaltschaft gelang es, die 20-Jährige zu identifizieren und ihren Wohnort herauszufinden. Danach gab sie den Fall an die Berner Behörden weiter.
Hast du schon Kommentare auf Instagram bereut?
«Die Vergewaltigung sollte doch wichtiger sein»
«Die Kommentare auf Instagram habe ich in einem unbeherrschten Moment abgesetzt. Das war nicht gut», sagt die Bernerin zu 20 Minuten. «Ich bereue die Kommentare schon, weil ich nun dafür bezahlen muss. Sonst tut es mir nicht leid.»
«Es hat mich so wütend gemacht, als ich von der Massenvergewaltigung gelesen habe», sagt sie weiter. Besonders habe es sie getroffen, weil sie selber schon Opfer einer Vergewaltigung geworden sei.
Dass die Hamburger Staatsanwaltschaft so gegen Kommentare auf Instagram vorgeht, ärgert sie: «Es geht hier um eine Massenvergewaltigung, das sollte für sie doch wichtiger sein.»
«Weiss nicht, wie ich das bezahlen soll»
Dazu kommt, dass die 20-Jährige Geldprobleme hat. «Ich weiss nicht, wie ich das bezahlen soll», sagt sie. Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland hat sie wegen versuchter Drohung und versuchter Beschimpfung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Franken verurteilt. Dazu muss sie 500 Franken Gebühren bezahlen; insgesamt also 1100 Franken.
Die Berner Staatsanwaltschaft argumentiert, dass die Bernerin versucht habe, den Mann in Angst und Schrecken zu versetzen und ihn in seiner Ehre zu verletzen. Das sei ihr aufgrund der grossen Anzahl von Kommentaren «und der dadurch fehlenden Kenntnisnahme durch den Geschädigten» nicht gelungen. Sprich: Der mutmassliche Vergewaltiger hat die Kommentare der 20-Jährigen nicht gelesen.
Gericht verhandelt zweimal pro Woche
Der Prozess gegen die elf mutmasslichen Vergewaltiger läuft immer noch. Zahlreiche deutsche Medien berichteten im Mai 2022 vom Prozessstart. Wie NDR damals schrieb, findet die Verhandlung zweimal pro Woche statt. Das Urteil war eigentlich bis zum Ende des Jahres erwartet worden, wurde aber bisher noch nicht publiziert.
Aktivier jetzt den Bern-Push!
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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