#MomToo - «Ich habe die Anzahl meiner Kinder in der Bewerbung verschwiegen»

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#MomToo«Ich habe die Anzahl meiner Kinder in der Bewerbung verschwiegen»

Frauen befürchten Nachteile im Job, wenn sie angeben, dass sie Mütter sind. Betroffene Elternteile aus der 20-Minuten-Community erzählen von den Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Eine Expertin gibt Tipps.

Soll man beim Bewerbungsgespräch Angaben zur Anzahl der Kinder machen? Eine Leserin verschwieg ihrem Chef die Info.
Aus Angst, als unprofessionell angesehen zu werden, verstecken nämlich viele Frauen ihr Muttersein bei der Arbeit.
Kaitlyn WonJung Chang von der Digitalagentur Accenture Interactive wehrt sich dagegen, dass Frauen im Job nicht offen zu ihren Kindern stehen können. Sie hat auf Linkedin mit dem Hashtag #MomToo eine Debatte angestossen.
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Soll man beim Bewerbungsgespräch Angaben zur Anzahl der Kinder machen? Eine Leserin verschwieg ihrem Chef die Info.

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Darum gehts

  • Derzeit trendet #MomToo.

  • Damit machen Mütter darauf aufmerksam, dass sie ihr Muttersein im Job nicht länger verstecken wollen.

  • Das sagen Betroffene aus der 20-Minuten-Community.

Berufstätige Mütter werden fürs Muttersein bestraft: Sie werden weniger oft befördert und erhalten weniger oder gar keinen Bonus. Das schreibt Kaitlyn Won Jung Chang von der Digitalagentur Accenture Interactive in Österreich in einem millionenfach beachteten Linkedin-Beitrag mit dem Hashtag MomToo.

Die Diskriminierung will die junge Mutter nicht länger akzeptieren. Deshalb postete sie demonstrativ ein Bild von sich, wie sie an einem Vortrag spricht und dabei ihr Baby im Tragetuch an der Brust hält. Jetzt geht #MomToo viral.

Auch in der 20-Minuten-Community ist das Problem bekannt. Drei Leserinnen und ein Leser erzählen von ihren Erfahrungen. Daniela Frau, Diversity Beauftragte von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW School of Management and Law, ordnet sie ein und gibt Tipps, was Eltern im Berufsleben tun können.

«Ich traute mich nicht, von meinen vier Kindern zu erzählen»

Leserin Doris: Als ich bei Bewerbungen geschrieben hatte «vier Kinder im Alter von vier, fünf, sieben und neun Jahren», habe ich nicht einmal eine Antwort erhalten. Ich musste dann die Angaben ändern auf «Kinder im schulpflichtigen Alter». Beim Bewerbungsgespräch hatte ich dann die Anzahl Kinder nicht erwähnt. Der Arbeitgeber nahm an, es wären zwei. Ich traute mich dann bei der Arbeit nicht von meinen vier Kindern zu erzählen. Auch den Status «getrennt lebend» musste ich im Lebenslauf vermeiden. Habe dann «verheiratet» angegeben.

Das sagt die Expertin: Grundsätzlich würde ich es vermeiden, falsche Angaben bei der Bewerbung zu machen. Bewerbende sollten eher darauf verzichten, persönliche Angaben von vornherein im Lebenslauf vorzunehmen, wenn sie befürchten, nicht eingeladen zu werden. In der Schweiz ist es immer noch Standard, demographische Angaben im Lebenslauf anzugeben. Das ist aber nicht zwingend. Inklusive Unternehmen vernachlässigen beim Rekrutierungsprozess die demographischen Angaben wie etwa Geschlecht, Alter, Familienstatus, Foto zu analysieren, um sich auf die Kompetenzen zu konzentrieren.

«Bei Bewerbungsgesprächen ist nach der ersten Runde Schluss»

Leser Thomas: Ich bin alleinerziehender Vater von vier Kindern. Mein Arbeitgeber war bereit, meine Doppelbelastung zu tolerieren. Doch dann kam die Corona-Entlassungswelle und mir wurde gekündigt. Mein jetziger Arbeitgeber hatte auch kein Verständnis für meine Doppelbelastung. Nach vielen Diskussionen arbeite ich nur noch bis Ende Monat dort. Bei den Bewerbungsgesprächen muss ich meine Situation erwähnen. Das führt aber dazu, dass nach der ersten Runde Schluss ist.

Das sagt die Expertin: Für alleinerziehende Eltern ist es zentral, die Situation im Bewerbungsgespräch anzusprechen. So kann man offen und ohne Angst den Arbeitgeber informieren, wenn man im Notfall die Kinderbetreuung während der Arbeitszeit übernehmen muss. Gleichzeitig sollten sie erwähnen, dass sie bei der regulären Kinderbetreuung gut organisiert sind. Ich würde empfehlen, sich vor der Bewerbung über den potenziellen Arbeitgeber zu informieren, ob sich das Unternehmen für Diversity und Inklusion einsetzt. In der Regel schreiben engagierte Unternehmen in der Homepage bei «über uns», ob sie sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen. Bei der Bewertungsplattform Kununu kann man hingegen Kommentare zur Unternehmenskultur lesen.

«Über die Probleme durfte ich am Arbeitsplatz nicht sprechen»

Leserin Jacky99: Ich bin alleinerziehende Mutter und arbeite Vollzeit. Mein einziges Kind hatte ein Endwicklungsdefizit. Über die Probleme durfte ich am Arbeitsplatz aber nicht sprechen. Ich musste oft hören: Du wolltest ja ein Kind, also schaue jetzt, dass du zurechtkommst.

Das sagt die Expertin: Es ist bereits eine enorme Belastung als alleinerziehende Mutter, Beruf und Familie zu vereinbaren. Bei einem Entwicklungsdefizit braucht das Kind mehr Betreuung und das Spannungsverhältnis steigt, wenn die Führungsperson kein Verständnis dafür hat. Gemäss Arbeitsgesetz müssen die Arbeitgeber den Arbeitnehmenden mit Familienpflichten gegen Vorweisen eines Arztzeugnisses für die Betreuung der kranken Kinder frei geben. Bei einer kontinuierlichen Betreuung müssen die Arbeitnehmenden sich bemühen, eine alternative Betreuung zu finden. Leider ist es so, dass Mitarbeitende ihre Rechte zwar kennen, allerdings aufgrund der Unternehmenskultur sich nicht getrauen diese als Eltern einzufordern.

«Bei Meetings nahm ich meine Sprösslinge mit»

Leserin Hellim: Als meine Kinder klein waren, war ich selbstständig. Dadurch konnte ich meinen Arbeitseinsatz selbst regeln. Bei Meetings nahm ich meine Sprösslinge mit, wenn wir keine Alternative fanden. Das ging gut. Mir war es wichtig, dass man mich als Ganzes im Berufsleben wie auch als Mutter akzeptiert.

Das sagt die Expertin: Selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer haben mehr Flexibilität im Erwerbsleben, sich als Eltern zu präsentieren. Denn sie alleine tragen die Konsequenzen für ihr Arbeitsverhalten. Sich in der Rolle als Mutter oder Vater zu zeigen, kann bei der Kundschaft auch sehr gut ankommen, dies umso mehr, wenn die Kunden auch Eltern sind.

19,1 Stunden pro Woche für Hausarbeit

2020 leisteten Männer und Frauen in der Schweiz rund 46 Stunden bezahlte und unbezahlte Arbeit in der Woche. Frauen wandten dabei 28,7 Stunden für Haus- und Familienarbeit auf; Männer 19,1 Stunden, wie neue Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigen. Männer haben aber bei der Hausarbeit seit 2010 zugelegt: Waren es vor zehn Jahren noch rund 16 Stunden wöchentlich, sind es heute etwa drei Stunden mehr. Bei Frauen hat sich der Zeitaufwand für Arbeiten im Haus hingegen kaum verändert.

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