Prävention«Ich kenne Junge, die wegen der Kosten auf Verhütung verzichten»
Unter 25-Jährige sollen Pille, Kondom und Spirale gratis bekommen. SP-Nationalrätin Samira Marti reicht dazu einen Vorstoss ein. Tatsächlich seien die Kosten für Junge ein Hindernis, sagt ein Fachmann.
Darum gehts
Wollen Frauen das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft vermeiden, müssen sie regelmässige Ausgaben in Kauf nehmen. Rund 15 bis 25 Franken kostet die Verhütungspille pro Monat, eine Hormonspirale 500 bis 700 Franken. SP-Nationalrätin Samira Marti fordert in einer Motion, dass unter 25-Jährige Verhütungsmittel künftig gratis erhalten.
In Frankreich haben junge Frauen seit Anfang Jahr bereits kostenlosen Zugang zu hormonellen Verhütungsmitteln. Marti verweist in ihrem Vorstoss darauf, dass die Schwangerschaftsabbrüche in Frankreich seither rückläufig seien.
«Für 16-Jährige viel Geld»
Sie erhalte viele Nachrichten von jungen Frauen, denen die Kosten für die Verhütungsmittel zu schaffen machten, sagt Marti zu 20 Minuten. «Jeden Monat 30 Franken für die Antibaby-Pille zu zahlen, ist etwa für eine 16-Jährige viel Geld.» Besonders junge Erwachsene und Menschen in Ausbildung oder mit geringem Einkommen seien davon betroffen. Doch die sexuelle Gesundheit sei ein Grundbedürfnis von jungen Menschen und dürfe keine finanziellen Hürden beinhalten. Im Gegensatz zu Frankreich öffnet Marti die Gratisabgabe für alle Verhütungsmittel, darunter auch Kondome. «Verhütung ist nicht nur Frauensache, auch Männer sollen kostenlos Zugang bekommen.»
Das Bildungs- und Präventionsprojekt Gummilove unterstützt den Vorstoss. Die Kosten für Verhütung seien zu hoch, sagt Dani Rietmann, Geschäftsführer von Gummilove. «Ich kenne viele Jugendliche, die wegen der hohen Kosten auf angemessene Verhütung verzichten.» Hätten sie die Möglichkeit, zum Beispiel auf kostenlose Kondome auszuweichen, sinke das Risiko für Geschlechtskrankheiten, dank kostenloser hormoneller Verhütung komme es zu weniger ungewollten Schwangerschaften. Zudem sei es realitätsfremd, jungen Menschen Kosten für die Verhütung aufzubürden. «Kids geben Geld lieber für Kaugummi als Verhütung aus.»
«Für Zigis haben sie auch Geld»
Gynäkologin Bettina von Seefried bestätigt, dass etwa die Antibaby-Pille junge Frauen teilweise finanziell belaste. «Oft sind die Eltern nicht begeistert, die Pille zu bezahlen.» Dennoch packten kostenlose Verhütungsmittel das Problem nicht an der Wurzel. «Meist nehmen junge Frauen die Pille nicht regelmässig ein, weil sie diese vergessen und nicht weil sie die Kosten scheuen.» Ihrer Meinung nach seien Krankenkassen zudem für Kranke da. «Den Krankenkassen Geld für gesunde Menschen abzuzweigen, die Verhütung brauchen, erachte ich als problematisch.»
Samira Marti hatte bereits 2019 einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, den der Nationalrat im Sommer 2021 ablehnte. Bei SVP-Nationalrätin Theres Schläpfer fällt der Vorstoss auch beim zweiten Mal durch. «Verhütung ist Privatsache. Der Staat kann die Verantwortung nicht für alles übernehmen. Die Forderungen würden unendlich werden», sagt sie. Die Kosten der Verhütungsmittel seien für junge Menschen vertretbar. «Für Zigis, Alkohol und Ausgang haben sie auch Geld.» Schmerze die Verhütung das Portemonnaie zu sehr, sollten sie an einem freien Nachmittag dafür arbeiten gehen.
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