Bern«Ich lebe das jetzt einfach» – Chrigu (68) trägt Frauenkleider
Chrigu (68) trägt sein ganzes Leben lang schon Frauenkleidung. Lange hat er dies verheimlicht. Nun hat der Berner eine Selbsthilfegruppe gegründet, um Gleichgesinnte zusammenzubringen.
Darum gehts
Chrigu hat eine Selbsthilfegruppe für Crossdresser gegründet.
Das sind Männer, die gerne Frauenkleider tragen.
Im Interview mit 20 Minuten erzählt der 68-jährige Berner, wie er zu seiner Leidenschaft kam und wie es ihm heute damit geht.
Seit einigen Wochen gibt es in Bern die erste Selbsthilfegruppe für Crossdresser, also Menschen, die gerne die Kleidung des anderen Geschlechts tragen. Chrigu* (68) hat diese ins Leben gerufen und erzählt 20 Minuten, wie er jahrelang seinen Lebensstil verheimlichte.
Chrigu, wie bist du dazu gekommen, Crossdressing zu machen?
Kleidung hat für mich kein Geschlecht, das ist einfach ein Lebensgefühl für mich. Am Morgen aufzustehen, einen Slip und einen BH, die Strumpfhose, ein Kleid oder eine Bluse und ein Jupe anzuziehen, das ist für mich das Herrlichste, was es gibt. Ich habe gar keine anderen Kleider mehr, deswegen tue ich mich mit dem Begriff Crossdressing noch schwer. Ich lebe das jetzt einfach, das bin ich.
Und wie hat das Ganze für dich angefangen?
Schon als Kind habe ich gerne die Kleider meiner Mutter anprobiert. Die feinen Stoffe auf der Haut, das hat mir gefallen. In der Schulzeit habe ich dann öfters ausgeliehene Kleider von Freundinnen angezogen, aber immer im Geheimen. Ich habe eine Lehre gemacht, war im Militär und mit 24 habe ich dann meine heutige Frau geheiratet.
Inzwischen haben wir sechs Enkelkinder und sind seit 44 Jahren verheiratet. Vor acht Jahren bin ich leider invalid geworden und von einem auf den anderen Tag zu Hause geblieben. Und da hatte ich dann viel Zeit, um mir Gedanken zu machen, während meine Frau arbeiten war. Ich habe immer heimlich Frauenkleider getragen.
Und deine Frau, die hat das jahrelang nie mitbekommen?
Sie wusste, dass etwas nicht stimmt. Ich habe mich ja immer umgezogen, wenn sie heimkam.
Wie war das dann für euch, als du es ihr erzählt hast?
Als ich es meiner Frau gesagt habe, meinte sie: «Na also, dann probieren wir das zusammen.» Das Schlimmste war wohl eher, dass ich nach so vielen Jahren mit so einem grossen Geheimnis daherkomme. Und ich weiss, dass ich ihr Vertrauen missbraucht habe. Aber das war nicht ein bösartiges Belügen, ich wollte sie nicht verletzen.
Trägst du auch hohe Schuhe?
Aufgrund meiner körperlichen Behinderung kann ich das nicht, aber ich würde schon mal gerne einen kleinen Absatz tragen, wenn es zum Outfit passt. Schmuck gehört für mich aber definitiv dazu. Was ich nicht brauche, ist Schminke oder eine Perücke. Ich rasiere mich auch nicht. Es geht mir ja nicht darum, als Frau zu leben. Ich fühle mich nicht als Teil der LGBTIQ-Gruppierung, weil es auch nichts mit meiner Sexualität oder meinem Geschlecht zu tun hat. Ich verurteile diese Menschen nicht, aber ich bin das nicht.
Die Selbsthilfegruppe für Crossdresser hast du ins Leben gerufen. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Im Vordergrund stand, Gleichgesinnte zu finden. Ich möchte auch jemandem helfen, nicht all die Jahre an Schweigen durchmachen zu müssen, wie ich es getan habe. Und in der Gruppe hat man die Möglichkeit, mit Menschen zu reden, die ähnliche Erfahrungen und Gefühle haben wie man selbst.
Hast du das Gefühl, es ist heute einfacher für dich, als es noch vor 30 Jahren gewesen wäre?
Definitiv. Hätte ich meiner Mutter gesagt, dass ich gerne Röcke trage – ich weiss nicht, was sie gemacht hätte. Heute ist die Gesellschaft schon offener als noch vor zwanzig Jahren. Ich habe mich eigentlich mein ganzes Leben lang verkleidet. Nicht als Frau, sondern als Mann. Ich dachte, ich bin es der Gesellschaft schuldig.
Hast du nicht auch manchmal Angst, vor Gewalt zum Beispiel?
Natürlich braucht es anfangs Mut. Aber heute gehe ich einfach so raus und denke nicht mehr darüber nach.
Ich habe keine Angst vor Gewalt, ich suche ja keine Konflikte.
* Name geändert
Crossdresser – ein Lebensgefühl:
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