Angst vor Kritik«Ich verzichte aus Scham auf die Weihnachtsbeleuchtung»
Stromfressende Weihnachtsbeleuchtungen sind out, Kerzen sind in: Schweizerinnen und Schweizer zeigen sich dieses Jahr über Weihnachten energiesparend.
20 Minuten hat Passantinnen und Passanten in Zürich gefragt, ob sie dieses Jahr ihre Weihnachtsbeleuchtung montieren werden.
Video: 20min/Mikko StammDarum gehts
Schweizer Händler und Händlerinnen verkaufen gemäss eigenen Angaben dieses Jahr weniger Weihnachtsbeleuchtung als in den Vorjahren.
20 Minuten hat mit mehreren Personen darüber gesprochen, weshalb sie auf eine Weihnachtsbeleuchtung verzichten.
Der Bundesrat rief dieses Jahr zum Stromsparen auf: Viele Schweizerinnen und Schweizer verzichten deshalb auf eine Weihnachtsbeleuchtung. Während einige die Energiekrise als Grund nennen, gibt es auch Personen, die gegenüber 20 Minuten angeben, aus Angst vor negativen Reaktionen aus dem Umfeld keine Weihnachtsbeleuchtung zu montieren. «Natürlich spielt auch Scham eine Rolle. Ich bin ein riesiger Weihnachtsfan, doch dieses Jahr werde ich auf jegliche Beleuchtung verzichten, um negative Reaktionen zu vermeiden», sagt M.* (36) aus Zürich.
Auch K.* wird dieses Jahr ihr Haus nicht mit Lämpchen dekorieren: «Mir tut das im Herzen weh. Seit Jahrzehnten schmücken wir das Haus mit Lichterketten. Doch aus Angst vor negativen Rückmeldungen aus der Nachbarschaft werden meine Familie und ich die Lämpchen dieses Jahr im Keller lassen.» Der 59-jährige R.* will ebenfalls keine Weihnachtsbeleuchtung installieren: «Dies geschieht natürlich aus Solidarität, aber auch, um Kritik aus der Nachbarschaft zu vermeiden.»
Rosi aus Regensdorf ZH will hingegen nicht auf ihre Weihnachtsbeleuchtung verzichten, jedoch diese weniger lang anstellen: «Man könnte je nachdem verurteilt werden, wenn man zu viel Strom braucht», sagt die 58-Jährige. Auch Simone aus Bern hat Angst vor negativen Reaktionen: «Wir haben die Weihnachtsbeleuchtung deshalb stark reduziert. Ganz lassen konnten wir es dann aber doch nicht.» Und Daniele (28) aus Zürich sagt: «Wir wollen dieses Wochenende dekorieren. Ich werde dann schon darauf achten, dass ich die Beleuchtung nicht den ganzen Tag laufen lasse.»
«Wir wollen unauffällig und angepasst im Kollektiv funktionieren»
Laut Psychotherapeut Felix Hof spiegelt dieses Verhalten ein Sozialisationsphänomen des Menschen: «Besonders in der westlichen Kultur passen wir uns an. Sobald neue Werte beziehungsweise gesellschaftliche Normen, in diesem Fall das Energiesparen, gefordert werden, auch wenn sie gegen unsere persönliche Überzeugung gehen, übernehmen wir diese.»
Der Grund für dieses Verhalten sei, dass der Mensch ein soziales Wesen sei und ein Beteiligungsbedürfnis an der Gesellschaft habe: «Wir wollen unauffällig und angepasst im Kollektiv funktionieren. Auch wenn wir den Wunsch nach Einzigartigkeit hegen und uns von den anderen abheben wollen, darf dies nur im Positiven geschehen», so Hof.
Händler verkaufen weniger Weihnachtsbeleuchtung als in Vorjahren
Der Online-Händler Digitec Galaxus verkauft gemäss eigenen Angaben deutlich weniger Weihnachtsbeleuchtung als letztes Jahr. Laut Sprecher Alex Hämmerli hat die Kundschaft im November rund 30 Prozent weniger Lichterketten und 40 Prozent weniger sonstige Adventsbeleuchtung bestellt.
Dafür verzeichnet der Händler eine stark gestiegene Nachfrage nach LED-Kerzen und klassischen Kerzen. «Die Leute sind mit der Leucht-Deko offenbar zurückhaltender, aber etwas Festtagsstimmung wollen sie dann doch», sagt Hämmerli.
Auch die Migros und Coop sowie deren Formate Jumbo, Livique und Lumimart vermelden im Weihnachtsbeleuchtungssegment grundsätzlich weniger Umsatz. In diesem Segment liegen zudem energiesparende Produkte im Trend. «Das Bewusstsein für eine mögliche Strommangellage scheint die Kundinnen und Kunden zu beschäftigen», sagt Coop-Sprecher Caspar Frey.
*Name der Redaktion bekannt
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